Stolpe und Trittin in verteilten Rollen
Während Bundesautominister Stolpe bereits die Kettensäge anlegt, stellt sich Bundesatomminister Trittin davor und hält
flammende Reden zum Schutze deutscher Alleen.
Heute, 25. April, ist offizieller "Tag des Baumes". Dabei handelt es sich - im Gegensatz beispielsweise zum 1. Mai - um
einen von oben eingesetzten Gedenktag. Im April 1872 fand eine erste symbolträchtige Baumpflanz-Aktion im
US-Bundesstaat Nebraska statt. Wer die US-amerikanischen Verhältnisse kennt und einmal die sarkastischen
Kommentare eines Mark Twain, der durchaus ein Naturfreund war, zu solch heuchlerischen Spektakeln gelesen hat,
weiß, was davon zu halten ist.
Achzig Jahre später pflanzte Bundespräsident Heuss einen Ahorn im Bonner Hofgarten, um damit auch in
Deutschland einen "Tag des Baumes" einzuführen. Die üble Tradition wird fortgeführt. Sowohl in der USA als
auch in Deutschland nimmt die Anzahl der Bäume außerhalb der Wälder kontinuierlich ab.
Nach dem Fall der Mauer wurden in den neuen Bundesländern massiv Alleen vernichtet. Es kam zu großangelegten
Protestaktionen. Inzwischen wird meist taktisch klüger vorgegangen und nach und nach unmerklich für die breite
Öffentlichkeit einzeln Baum um Baum an den deutschen Straßen gefällt - meist ohne daß nachgepflanzt würde.
Hiergegen ist Bundesatomminister Trittin in keinem einzigen Falle eingeschritten. Zugleich wurden letztes Jahr bei der
Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes vollmundig die Alleen unter "besonderen Schutz" gestellt. Mit großem
Trara macht Trittin seit Monaten eine Kampagne gemeinsam mit einer "Alleenschutzgemeinschaft", deren Schirmherr
er ist, "um die deutsche Öffentlichkeit zu sensibilisieren". Seit letzten Sommer werden Spendengelder gesammelt,
angeblich für Nachpflanzungen - doch geschehen ist seither nichts. Die erste Nachpflanz-Aktion soll am 8. Mai in
Schleswig-Holstein in der Nähe von Kiel stattfinden. Vermutlich um einen weiteren Gedenktag zu begründen.
Derweil wurde still und heimlich im Bundesautoministerium weiter an einem neuen Regelwerk gearbeitet, um Bäume
an deutschen Straßen endgültig loszuwerden. ROBIN WOOD, NETZWERK REGENBOGEN, BUND und andere
Organisation mühten sich bislang vergeblich, in den Medien auch nur annähernd so viel Aufmerksamkeit auf diese
Alltagsarbeit zu lenken wie sie Trittins Sonntagpredigten zuteil wurde. Dieses neue Regelwerk hat allerdings auch einen
Namen, der nicht gerade werbeträchtigen Wiedererkennungseffekt verspricht: "Empfehlungen zum Schutz vor
Unfällen mit Aufprall an Bäumen" (ESAB).
Was uns harmlos wie eine "Empfehlung" entgegetritt und mittlerweile rechtzeitig zum Tag des BaumFÄLLeNs von
Stolpe genehmigt wurde, bedeutet das Aus für deutsche Alleen und alle Staßenbäume außerhalb geschlossener
Ortschaften zudem. "Zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall an Bäumen" sollen diese in einem Abstand von mindestens
sieben Meter vom Fahrbahnrand gefällt werden, in Kurvenbereichen auch bei noch größerem Abstand. Gnädiger Weise
sollen "Allee"-Bäume im Normabstand neu gepflanzt werden dürfen. Allein, dies wird an den Kosten scheitern. In aller
Regel
handelt es sich im Abstand von mehr als zwei Meter um privaten Grund und Boden...
Diese Pläne waren bereits vor Monaten durchgesickert, aber die Gegenargumente wurden schlichtweg nicht zur Kenntnis
genommen. Sind erst mal alle Bäume gefällt, dürfen wir gespannt sein, wessen sich Trittin danach als Schutz- und
Schirmherr annimmt. Falls dies die Rotbauchunke sein sollte, dürfen wir schon heute mit ihrer endgültigen Ausrottung
rechnen.
Adriana Ascoli