In Deutschland wurden seit dem 2. Weltkrieg mindestens 50 Prozent, vielerorts sogar mehr als 80 Prozent aller Kleingewässer zugeschüttet oder trockengelegt. Hintereinander gereiht würden die verrohrten und betonierten Bäche Deutschlands einmal um den Globus reichen (2).
Weitere Ursachen sind:
- die durch die industrielle Landwirtschaft erzwungenen großräumigen Flurumgestaltungen
- Massentourismus und Sport als Landschaftszerstörer
- Zerschneidung der Landschaft durch immer mehr Straßen und der dadurch bedingte Straßentod vieler Amphibien auf ihren Wanderungen
- die Beeinflussung und Vernichtung ihrer Nahrungsquellen durch den massiven Einsatz von Insektiziden
- Ansiedlung nichtheimischer Arten
- Änderung des Großklimas
- und nicht zuletzt das Absammeln von Beständen für "gastronomische" Zwecke (allein in der Schweiz wurden 1980 146.266 kg Froschschenkel verzehrt), für Versuchszwecke in Schulen, Universitäten und Forschungslabors oder des Laubfroschs für die berühmt-berüchtigten "meteorologischen" Froschhäuser (1).
Rettungsmaßnahmen
Außer einer Reihe von rechtlichen und regional übergeordneten Schutzmaßnahmen gibt es folgende Möglichkeiten der Rettung von Amphibien vor dem Straßentod:
- Aufstellen von Gefahrensignalen im Verbund mit Geschwindigkeitsbeschränkungen und Appellen an die Verkehrsteilnehmer zur Rücksichtnahme ;
- Befristete Straßensperrungen und Verkehrsumleitungen;
- Straßenabschrankungen, längs derer die Amphibien zu Fanggefäßen (Eimern) geleitet werden. Die Fallen werden zweimal täglich geleert und die Tiere über die Straße getragen;
- Stationäre, wartungsfreie Straßenabschrankungen (Mäuerchen aus Teerkies, Beton oder Zäune aus engmaschigem Drahtgeflecht bzw. glatten Eisenblechen beiderseits der Straßenränder an Amphibienwechseln), mittels derer den Tieren der ungehinderte Straßenzutritt verwehrt wird, wobei sie nach dem Trichterprinzip zu Straßendurchlässen (Rohre von mindestens 40 cm Durchmesser, welche im Abstand von jeweils höchstens 50 m die Straße untertunneln) dirigiert werden. Dabei ist es sehr wesentlich, dass den Amphibien der ungehinderte Straßenzutritt auf der gesamten Breite des Wechsels verwehrt wird;
- Die Anlage von Ersatzgewässern.
Maßnahme 1 hat sich als völlig ungeeignet erwiesen. Maßnahme 2 ist sehr schwer durchsetzbar und muß auf die Hauptwandernächte (insbesondere von Erdkröte und Grasfrosch) beschränkt bleiben. Maßnahme 3 ist äußerst arbeitsintensiv und schon von den gegebenen Bedingungen her nur als Provisorium zu betrachten.
Maßnahme 4 stellt den vom Prinzip her besten Lösungsansatz dar (3). Allerdings läßt sich nach bis heute (1986) vorliegenden Erfahrungen auch dafür kein Patentrezept geben. Die konkrete praktische Ausführung und ihre Funktionstüchtigkeit hängen wesentlich von den örtlichen Umständen, der baulichen Ausführung, dem Verkehrsaufkommen nach Volumen und tageszeitlicher Verteilung, dem personellen und finanziellen Mitteleinsatz u.a.m. ab.
Die vorliegenden Erfahrungen mit solchen Systemen sind aus verschiedenen Gründen eher negativ (Grossenbacher, 1981, Stolz u. Podloucky, 1983), es liegen aber auch positive Feststellungen vor (z.B. Karthaus, 1985)(3).
Nach diesen Analysen sollte Einweg-Doppelröhren-Systemen stets der Vorzug vor Zweiweg-Röhren-Systemen gegeben werden. Einweg-Doppelröhren-Systeme sind dadurch gekennzeichnet, daß Zu- und Abwanderung der Amphibien vom Laichplatz durch zwei getrennte, dicht nebeneinanderliegende Röhren erfolgen. Auf der Einstiegsseite werden Auffanggruben installiert. Beim Abwandern der Abschrankungen fallen die Tiere in Einfallschächte, aus denen sie nur wieder gelangen können, indem sie den Durchlaß zur anderen Straßenseite durchwandern. Dort sollte die Mündung des Tunnels für einige Zentimeter frei über dem Boden liegen, damit die Tiere die Röhre nicht in falscher Richtung zu benutzen versuchen (3).
Ein weiterer kritischer Punkt stellt die Innenauskleidung der Röhren dar. Denn nach der ersten Trocknung sind Betonröhren außerordentlich wasseranziehend und bleiben lange von sehr ätzendem Zementstaub bedeckt. Die Amphibien vertragen die Berührung mit diesem sehr unangenehmen Substrat nicht und weigern sich entschieden, in die Röhre hineinzugehen. Zusätzlich zu einer vorherigen Ausspülung ist es notwendig, reichlich schlammiges Wasser in den durchlass zu kippen, bis die ersten Tiere hineingehen. Danach wird die Unterführung immer stärker genutzt, was vermutlich die Wirkung einer geruchlichen Imprägnierung des Weges ist (4).
Das entscheidende Kriterium für die Funktion der Anlage besteht dabei vor allem in der Linienführung der Leitwerke: Bei einem schrägen Auftreffen (Winkel unter 60°) wandern die Tiere wesentlich williger. In weiträumigem Gelände kann dies durch eine Zick-Zack-Aufstellung der Abschrankung erreicht werden, wobei die Zäune auf die einzelnen Durchlässe trichterförmig hinführen müssen. Weicht das Hindernis mehr als 60° von der Wanderrichtung ab ((z.B. straßenparallele Zaunführung), so zeigen die Amphibien die Tendenz umzukehren, selbst wenn sie auf die Fortpflanzung verzichten müssen (Keresztes, J. u. Zürcher, H., 1978)(3).
Wichtig ist dazu, daß in den einzelnen Wanderkorridoren möglichst viele Durchlässe angelegt werden, daß die Durchlässe möglichst im Zentrum der Zugschneise postiert werden, daß sie einen möglichst großen Durchmesser aufweisen (je größer, desto besser; wenigstens aber 60 cm) und daß die Tunnellänge möglichst kurz gehalten wird (3).
Unabhängig von der Funktionstüchtigkeit solcher Schutzvorkehrungen sind bei jeder Zerschneidung von Jahreslebensräumen aber möglichst zusätzliche Maßnahmen mit dem Ziel einer Vervollständigung der Mindest-Daseinsfunktionen der betroffenen Amphibienpopulationen beidseits der Straße zu veranlassen. In erster Linie bedeutet dies Schaffung neuer Gewässer im laichplatzabseitigen Geländeteil, möglichst in großer Entfernung zu der Straße. Damit wird ein Teil der Individuen nicht-brutplatztreuer Arten von vornherein davon abgehalten, die Straße zu überqueren. Bei traditionsgebundenen Arten sind zusätzlich Umsiedlungsaktionen über mehrere Jahre (wenigstens 3 - 5), zumindest aber der Larven mehrerer Jahrgänge vonnöten (3).
Für erfolgreiche Schutzmaßmahmen gegen den Straßentod ist die kartographische Erfassung der Wanderwege unumgänglich; Amphibienwechsel lassen sich lokalisieren, indem die Orte hoher Tierverluste insbesondere zur Zeit der Frühjahrswanderung kartiert bzw. die geplanten Trassenabschnitte in Laichplatznähe mehrmals in Wandernächten kontrolliert werden (3).
Maßnahme 5 wird in der gesamten Literatur fast einhellig abgelehnt, da eine Umsiedlung - wie im nächsten Abschnitt behandelt - sehr problematisch ist.
Anhand von Verfrachtungsexperimenten wurde bei der Erdkröte die strikteste Laichplatzbindung aller einheimischen Amphibienarten gefunden. Anwanderer, die vor ihrem angestammten Brutplatz an Land abgefangen und in fremde Gewässer versetzt wurden, wanderten dort i.d.R. spontan und meist auch weitgehend vollzählig ab. Bei Verfrachtungen neben fremde Gewässer begannen nahezu alle Tiere direkt mit der Rückwanderung, ohne auch nur vorübergehend Kontakt zum Fremdgewässer herzustellen, wie es bei Fröschen und Molchen zumindest bei Teilen eines Versetzungskontingents die Regel ist. Nur in seltenen Fällen akzeptieren in der Vorlaichzeit versetzte Erdkröten (ausschließlich Männchen) die Fremdgewässer und blieben vereinzelt auch die folgende Laichzeit dort. Verfrachtete Individuen finden sich in der nächsten Saison wieder am angestammten Brutplatz ein, die Weibchen laichen jedoch nicht alle Jahre und verzichten dann auch auf das Aufsuchen der Gewässer. Lediglich 1,5 Prozent der verfrachteten Tiere stellte sich im Folgejahr zur Laichzeit am Versetzungsgewässer ein (3).
Bei weiteren Versuchen wurden jeweils 20 kopulierende Erdkrötenpaare aus zwei ca. 600 m bzw. ca. 2.500 m entfernten Brutplätzen in die eingezäunten Gewässer A und B versetzt. Auswahlkriterium war zum einen, daß sich die Tiere bereits im Amplexus befanden, zum anderen, daß sie noch nicht laichten. Von den 40 Paaren wanderten jedoch 16 spontan, noch bei Tageslicht streng auf ihre Ursprungsgewässer gerichtet, ab. 10 Paare folgten bis zum nächsten Morgen. Diese Tiere hatten in den wasserführenden Lebendfallen abgelaicht, die restlichen Paare lösten sich auf und wanderten einzeln ab (etliche Weibchen noch voll Laich). An diesen Gewässern, die ansonsten krötenfrei sind, konnte auch im folgenden Sommer keine frischmetamorphosierte Jungkröte festgestellt werden. Da diese Ergebnisse zunächst sehr überraschten, wurden weitere Versuche durchgeführt: Es wurden jeweils weitere 20 Paare während des Laichaktes, der sich bei Erdkröten über einige Stunden erstreckt, weggefangen (Abtrennung der Laichschnur am Weibchen). Diese Paare wurden in wassergefüllten Behältern transportiert und spätestens 30 Minuten nach dem Fang in einem Fremdgewässer ausgesetzt. Bis zum folgenden Morgen waren jedoch 24 Paare abgewandert, welche größtenteils in den wasserführenden Eimern "notlaichen" mußten. Die Tiere der restlichen Paare folgten später. Im Sommer konnten an diesem - ansonsten krötenfreien Gewässer - nur sehr wenige frischmetamorphosierte Jungkröte festgestellt werden. Diese Versuche wurden wegen der völlig unerwarteten Untersuchungsdaten mit vergleichbarem Ergebnis mehrfach wiederholt (3) und (4), S. 302.
Anzumerken ist andererseits, daß in einem heißen Frühjahr ab Mitte April in nahezu allen Wasserstellen (selbst Wagenspuren), soweit sie in größerer Entfernung von bestehenden Laichplätzen, möglichst inmitten der Sommerquartiere der Population lagen, frischer Erdkrötenlaich vorgefunden wurde (3).
Auch eine erfolgreiche Umsiedlung kann jedoch nicht als Schutz- oder Rettungsmaßnahme angesehen werden, da insbesondere bei Erdkrötenpopulationen im günstigsten Falle eine neue Population heranwachsen kann, wobei Zeiträume von weit über 5 Jahren in Betracht gezogen werden müssen bis eine nennenswerte Population entsteht. Von einem "Ersatz"-Gewässer für die bestehende und gefährdete Population kann also nicht die Rede sein. Im übrigen muß berücksichtigt werden, daß ein neues Gewässer weit entfernt (Einzugsgebiet der Erdkröte: 2,2 km) von der bedrohenden Straße anzulegen wäre, da ansonsten etwaige neu entstehende Populationen ebenso wie die bestehende derselben Gefährdung ausgesetzt ist. Die Hoffnung, eine neue Population würde ihre Winter- und Sommerquartiere auf derselben Straßenseite, auf der das neue Laichgewässer liegt, suchen, ist leider völlig unbegründet.
Wiedereinbürgerung,
Anlage von Versetzungsgewässern (nicht: "Ersatz"-Teichen)
Die Eingriffe des Menschen in die Natur führen nicht selten zu einem lokalen Erlöschen indigener Amphibienpopulationen. Werden wiederum durch Maßnahmen der Biotopgestaltung ausreichende Lebensbedingungen geschaffen, so kann auch der Wiedereinbürgerung als einem Instrument der praktischen Naturschutzarbeit eine gewisse Bedeutung zukommen (3).
Dies gilt insbesonder dann, wenn Amphibienbestände als Ausgangspunkt einer Wiederbesiedlung fehlen. Maßnahmen dieser Art sollten jedoch nur in Ausnahmefällen und stets unter Fachaufsicht und -betreuung sowie nur nach Abstimmung mit den obersten Naturschutzbehörden der Bundesländer durchgeführt werden. Sie sind zu kontrollieren und zu protokollieren (3).
Die Treue vieler Amphibienarten zu einem bestimmten Ort als Laichplatz, welche i.d.R. die Abwanderung von Fremdgewässern impliziert, erschwert Wiedereinbürgerungsaktionen wesentlich. Andererseits kann gerade die Ortsprägung solche Maßnahmen erheblich erleichtern, wenn die Umsiedlung während etwaiger für die Ortsprägung sensibler Phasen , bzw. mit noch nicht geprägten Entwicklungsstadien durchgeführt wird (3).
Problemlos ist unter diesen Gesichtspunkten eine Wiederbesiedlung mittels Laich oder Larven, da diese Entwicklungsstadien noch ungeprägt sind und die brutplatztreuen Amphibienarten nicht zum Geburtsort, sondern zum Ort der Metamorphose zurückkehren. Laichballen sollten während des Transports möglichst wenig bewegt und im Verfrachtungsgewässer so positioniert werden, daß die Gastrulationsflecke der Keime lichtabgewandt zu liegen kommen. Verfrachtung von Erdkrötenlaich ist problematisch. Die Laichschnüre müssen im Versetzungsgewässer im Pflanzengewirr aufgehängt werden. Dem Boden aufliegende Laichschnüre kommen bei dieser Art i.d.R. nicht zur Entwicklung (3).
Bei der Neuanlage von Laichgewässern ist die Berücksichtigung der Laichplatzansprüche der Erdkröte wichtig. Größere Populationen dieser Art laichen meist in stabilen, bereits älteren Stillgewässern. Seltener werden auch kleinere Wasserstellen aufgesucht. Das bevorzugte Laichhabitat liegt bei 15 - 30 cm unter der Wasseroberfläche, laut anderen Autoren bei 40 - 70 cm. Besonders wichtig erscheint, daß es sich beim Laichgewässer um offenes Wasser handelt, weiter eine stengelartige Struktur im Wasser und eine geringe Wassertiefe bis ca. 70 cm.
Eine Umsiedlung adulter Tiere ist nur bei nicht ortstreuen Arten relativ problemlos, bei Erdkröte und Springfrosch dagegen sinnlos, da die Laichplatzprägung i.d.R. definitiv ist. Bei Grasfrosch, "Wasserfrosch", den Molcharten, vermutlich auch bei Moor- und Seefrosch ist eine Umsiedlung mit adulten Tieren bedingt möglich, mit Sicherheit jedoch von sehr hohen Abwanderverlusten begleitet (3).
- (3) Blab, Josef, 1986, 'Biologie, Ökologie und Schutz von Amphibien', 3. erweiterte und neubearbeitete Auflage, Kilda- Verlag
- Eibel-Eibesfeldt, I., 1950, 'Ein Beitrag zur Paarungsbiologie der Erdkröte (Bufo bufo)' - Behavior Nr. 2, S. 217 - 236
- (2) 'Geo' Nr. 2 / 1998
- Grossenbacher, K., 1981, 'Amphibien und Verkehr' - Publ. Nr. 1 der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz, Bern
- Heusser, H., 1968, 'Die Lebensweise der Erdkröte, Bufo bufo (L.); Wanderungen und Sommerquartiere' - Rev. Suisse Zool. Nr. 75, S. 927 - 982
- Heusser, H., 1969, 'Die Lebensweise der Erdkröte, Bufo bufo (L.); Das Orientierungsproblem' - Rev. Suisse Zool. Nr. 76, S. 443 - 518
- Heusser, H. u, Honegger, R., 1962/1963, 'Verhaltensforschung und Tierschutz am Beispiel der Erdkrötenpopulation auf dem mittleren Zimmerberg' - Jb. d. Verbandes zum Schutze d. Landschaftsbildes am Zürichsee, S. 1 - 12
- (4) Hölzinger, J. u. Schmid, G. (Hrg.), 1987, 'Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs'
- Jungfer, W., 1943, 'Beiträge zur Biologie der Erdkröte (Bufo bufo L.) mit besonderer Berücksichtigung der Wanderung zu den Laichgewässern' - Z. Morph. Ökol. Tiere Nr. 40, S. 117 - 157
- Karthaus, G., 1985, 'Schutzmaßnahmen für wandernde Amphibien vor einer Gefährdung durch den Straßenverkehr - Beobachtungen und Erfahrungen - Natur und Landschaft Nr. 60', S. 242 - 247.
- Keresztes, J. u. Zürcher, H., 1978, 'Schutzmaßnahmen für Lurche beim Straßenbau' - Straße und Verkehr Nr. 3,
S. 162 - 168
- Kleinsteuber, H., 1964, 'Untersuchungen zur Laichwanderung der einheimischen Erdkröte Bufo bufo L.', Dissertation Göttingen
- (1) Nöllert, Andreas und Christel, 1992, 'kosmos Naturführer - Die Amphibien Europas', S. 30
- Stolz, F.-M. u. Podloucky, R., 1983, 'Krötentunnel als Schutzmaßnahme für wandernde Amphibien, dargestellt am Beispiel von Niedersachsen' - Informationsdienst Naturschutz des Nieders. Landesverwaltungsamtes Nr. 1
- Thielcke, G., Herrn, C.P., Hutter, C.P. u. Schreiber, R.L., 1983, 'Rettet die Frösche - Amphibien in Deutschland, Österreich und der Schweiz', Pro Natur Verlag
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