23.04.2003

Aufruf

Solidarität gegen die Einschnitte
Kampf gegen "Rot-Grün"

Tief und tiefer sollen sie gehen, die Einschnitte, die Schröder im Namen von "Rot-Grün" bei seiner letzten Regierungs- erklärung am 14. März 2003 im Reichstag beschworen hat. Karl Marx dürfte an seinem 120. Todestag im Grab rotiert haben. Was sein "roter" Ur-Enkel im Reichstag verkündete und seit 1998 bereits mit immer mehr Übung praktiziert, sind nicht etwa Schnitte in die fetten und aufgeblähten Gewinne der Konzerne und Superreichen. Viele dürften Schröder mangels Kenntnis seiner niedersächsischen Lehrjahre noch 1998 gewählt haben, weil sie den Versprechungen von mehr sozialer Gerechtigkeit, Abbau der Arbeitslosigkeit und Heilung der bereits unter Kanzler Kohl begonnenen "Einschnitte" Glauben geschenkt hatten.

Stattdessen vergrößerte sich der Abstand zwischen den Superreichen und den "Normalverdienern" weiter, deren reales, abgabe- und inflationsbereinigtes Einkommen seit Jahren stagniert. Bereits 2001 verkündeten Finanz- beratungshäuser wie 'Merrill Lynch' oder 'Cap Gemini Ernst & Young' frohgemut enorme Zuwachsraten bei ihrer deutschen Kundschaft. Während immer größere Teile der Gesellschaft in Armut fallen, ein immer größerer Teil der Kinder in Familien aufwächst, die von der Sozialhilfe leben müssen, steigern Manager ihre Gehälter oft umgekehrt proportional zu den ausgewiesenen Gewinnen ins astronomische. Große Konzerne wie DaimlerChrysler zahlen über Jahre hinweg überhaupt keine Steuern mehr oder zapfen die Finanzämter gar als zusätzliche Einnahmequellen an.

Ein grüner Gewerkschaftsboss namens Bsirske reibt sich verschlafen im Jahre 2002 die Augen und stammelt treudoof: "Es kann doch nicht sein, daß Unternehmen hervorragende Gewinne machen, aber keinen Pfennig Steuern zahlen." Er hatte wohl den "Macht"-Wechsel 1998 verschlafen und meinte, Kohl sei immer noch Kanzler.

Übung macht den Metzger

Die seit dem Antritt der "rot-grünen" Bundesregierung zunehmend tiefer geführten Einschnitte nehmen inzwischen den Charakter von Amputationen an. Das Skalpell wird nun durch die Knochensäge ersetzt. Mit der Zerlegung der Flächentarifverträge geht es ans Rückgrad des Sozialsstaats. Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sollen zusammen gelegt werden - "in der Regel auf dem Niveau der Sozialhilfe". Noch letzten Herbst wurde den Gewerkschaften die Zustimmung zum Hartz-Konzept mit dem Versprechen abgehandelt, die Arbeitslosenhilfe werde nicht abgesenkt. Im Jahr 2001 ließen sich die Gewerkschaften die Zustimmung zur Rister-Rente und damit die Zerstörung der paritätisch beitragsfinanzierten Rente mit dem Versprechen abkaufen, das "Eckrentenniveau" von 67 Prozent im Jahr 2030 bliebe unangetastet. Damals glaubten sie noch an "rot-grüne" Schönheits-Chirurgie.

Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes soll auf 18 Monat - für unter 55-jährige sogar auf nur 12 Monate herabgesetzt werden. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen soll ausgedünnt und für das bisherige Krankengeld eine Zusatzversicherung vorgeschrieben werden. Der Besuch einer Arztpraxis soll Eintrittsgeld kosten. Rentenerhöhungen sollen geringer ausfallen und der Kündigungsschutz wird perforiert. Der Meisterbrief, Zeichen ehemals "deutscher Qualitätsarbeit" und letzter Rest jahrhundertealter Zunft-Tradition, wird euthanasiert.

Friedenskanzler und Reformer

Für "Rot-grün" scheint jetzt der Zeitpunkt günstig zu sein, den Sozialabbau forciert voranzutreiben. Die öffentliche Aufmerksamkeit war für Monate durch den Irak-Krieg gefesselt. Kaum jemand traute sich, dem "Friedenskanzler" übles zuzutrauen. Die Gewerkschaftsführung ist weitgehend eingebunden und läßt alles mit sich machen - allenfalls verbalradikale Drohkulissen, hinter denen nicht die geringste Kraft zur Durchsetzung steht, werden künstlich aufgebaut. Eine phantomhafte Linke in der SPD namens "Arbeits- gemeinschaft für Arbeitnehmerfragen" kann unter riesigem Mediengetöse einen Sonderparteitag "erzwingen". Doch quer durch die Medien herrscht Rätselraten, wie und wo sich die "Verschwörer" überhaupt abgesprochen hätten. Die Lösung des Rätsels findet sich im Kanzleramt.

Zuletzt war die ominöse "Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen" unangenehm aufgefallen als sie 1999 die Arbeitnehmerfrage an Schröder zu richten wagte, was es denn nun mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit auf sich habe. Das öffentliche Echo war gering und manche der damals noch vorhandenen linken SPD-Abgeordneten büßten diese Impertinenz damit, sich nunmehr Ex-MdB nennen zu dürfen. Im März 2000 wurde der getreue Paladin Ottmar Schreiner Vorsitzender der "Arbeitsgemeinschaft für Arbeit- nehmerfragen" (als Emblem findet sein Konterfei Verwendung), der ebenso wie Gerhard Schröder seinen "Marsch durch die Institutionen" Ende der 70er Jahre im Bundesvorstand der Jusos begonnnen hatte.

leere Versprechungen

1999 hätte vielleicht noch etwas mit Aussicht auf Erfolg gegen die zunehmende Arbeitslosigkeit unternommen werden können. Inzwischen steigt sie auf neue Rekordhöhen - in Folge einer Wirtschaftskrise, die in angeblich zu geringem Wirtschaftswachstum besteht und im Zerplatzen illusionärer Aktiengewinne. Hunderttausend junge Menschen sind ohne Ausbildungsplatz. Eine in diesem Umfang nie dagewesene Umverteilung von unten nach oben spricht allen Versprechungen von "Rot-Grün" Hohn. Erinnert sei zudem an die anderen gebrochenen Versprechungen von 1998: "Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik" bedeutete die Beteiligung an Kosovo-Krieg, Afghanistankrieg und die verdeckte Unterstützung beim Irak-Krieg. "Atom-Ausstieg" bedeutete eine Bestandsgarantie weit über die technisch vorgegebene Betriebsdauer der Atomkraftwerke hinaus, "Klimaschutzpolitik" bedeutet, daß die Emission von Kohlendioxid in Deutschland seit 1999 wieder steigt ...

die Systemfrage

Aus den Reihen der Anti-Globalisierungs-Bewegung sind zunehmend radikalere Töne zu vernehmen. Immer mehr Menschen wurde während des count downs vor dem Irak-Krieg klar, daß Kriege nicht unabhängig von wirtschaftlichen Interessen zu sehen sind. Immer mehr Menschen wird klar, daß bereits der count down für die nächsten Kriege begonnen hat und daß dies nur gestoppt werden kann, wenn die Wurzel des Übels bekämpft wird. Solange der Kapitalismus die Welt regiert, wird es weiterhin Krieg, zunehmende soziale Ungerechtigkeit, weltweiten Hunger und Naturzerstörung geben. "Rot-Grün" stand für das Projekt, die Probleme innerhalb des kapitalistischen Systems zu lösen. Ob dies nun von Anfang an eine Chimäre war oder ein ernsthafter Versuch, spielt keine Rolle mehr: "Rot-Grün" hat bewiesen, daß es so nicht geht.

Lange Zeit konnte eine Mehrheit hierzulande vor der Entwicklung die Augen verschließen. Die krassesten Auswirkungen der "neo-liberalen Globalisierung" trafen jahrzehntelang nicht die Menschen der Industrienationen, sondern die Menschen der "Dritten Welt". Doch inzwischen sind wir in einer Phase angelangt, in der eine immer effizientere kapitalistische globale Wirtschaft auf immer weniger Arbeitskraft angewiesen ist und daher mit unabwendbarer Logik immer mehr Europäer, Amerikaner, Japaner u.s.w. so überflüssig werden wie zuvor beispielsweise nur Afrikaner. Inder werden vom System angeworben, wenn ihre Arbeitskraft nachgefragt wird. Rassistisch ist der Kapitalismus nur, wenn es ihm nützt.

der Schmerz

Die bisher noch relativ oberflächlich und wohldosiert ausgeführten Einschnitte hatten eher zu einer Art Taubheit, einer Art Schmerzunempfindlichkeit geführt. Doch der jetzt angekündigte Operationsplan "Agenda 2010" geht ans Mark. Immer mehr Mnschen, die bisher sich noch einreden ließen, der Sozialstatt sei nur durch einen "Umbau" zu retten, erkennen, daß das Warten auf Besserung vergebens war. Sie erkennen, daß sie konkret mit einer Verschlechterung ihrer sozialen Situation rechnen müssen. Armut wie in der USA ist in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Es spricht sich aber herum, welches Ziel mit "Agenda 2010" verfolgt wird. Bereits jetzt ist erkennbar, daß der Schmerz virulent wird, sobald es ans Mark geht. Eben deshalb wird von Seiten der SPD- und Gewerkschaftsführung versucht, den bereits erkennbaren Protest in kanalisierte Bahnen zu lenken.

Da von der Gewerkschaftsführung ernstlich nicht mehr erwartet werden durfte als ein entschiedenes "Jein!", ein "Reformen Ja! Sozialabbau Nein Danke!", ein "Einschnitte Ja! Bluten Nein Danke!", bleibt nur ein Appell, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Ein Appell an die Gewerkschaftsbasis, die Arbeitslosenorganisationen, die Anti-Globalisierungs-, die Friedens- und die Anti-AKW-Bewegung, sich auf eine gemeinsame Parole zu einigen:

Solidarität gegen die Einschnitte -
Kampf gegen "Rot-Grün"

Das wär doch wohl nicht so dumm, schlagen wir in aller Bescheidenheit vor.

 

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