Tausende Tote bewußt in Kauf genommen ?
In der gestrigen Ausgabe des 'Wall Street Journal Europe' wird von einer Klage gegen den Chemie- und Pharma-Konzern
Bayer mit Sitz in Leverkusen berichtet. Anwälte, die sieben Bürger aus Taiwan vertreten, verklagen die US-Tochter des
Bayer-Konzerns und weitere Firmen vor einem kalifornischen Gericht wegen einer Verseuchung von
Blutgerinnungs-Medikamenten mit dem HIV-Virus, für die der Konzern die Verantwortung tragen soll. Zahlreiche
Bluter-Kranke sollen in den achziger Jahren in Folge der Behandlung mit solchen Mitteln an AIDS erkrankt sein.
Nach Angaben der Zeitung wurde in den USA 1984 ein für Bluterkranke dringend benötigtes Gerinnungspräparat genehmigt,
welches zur Abtötung von HIV-Viren hitzevorbehandelt wird. Laut Klage sollen Bayer und andere Firmen aber noch mehr
als ein Jahr danach eine unbehandelte Form des Mittels in Taiwan und anderen Märkten weiter verkauft haben. Weiter
berichtet die Zeitung, daß 53 Personen in Taiwan an AIDS erkrankt seien, nachdem sie das unbehandelte
Blutmedikament 'Faktor VIII' verabreicht bekommen hätten. Das Mittel wird zur Behandlung der Bluter-Krankheit - einer
angeborene Störung der Blutgerinnung - eingesetzt. In den USA waren 1997 nach der Einrichtung eines Fonds durch
mehrere Pharma-Konzerne für geschädigte Bluter-Patienten bereits Klagen von mehr als 6.000 Geschädigten beigelegt
worden. Insgesamt hatten die Firmen 600 Millionen Dollar gezahlt. Der Anteil von Bayer betrug damals laut Firmenangaben
290 Millionen Dollar.
Laut Presseerklärung der Anwaltskanzlei 'Lieff Cabraser Heimann & Bernstein' wird in der Klage der Vorwurf erhoben, daß
die angeklagten Konzerne vorsätzlich ein Blutgerinnungs-Medikament auf den Markt brachten, von dem sie wußten oder
hätten wissen müssen, daß es mit Stoffen infiziert war, die AIDS oder HCV verursachen.
"Tausende von Blutern sind vermeidbar an AIDS gestorben und viele weitere Tausende sind mit HIV oder Hepatitis C
infiziert," erklärte der Anwalt Robert J. Nelson, Partner bei 'Lieff Cabraser'. Jeder der Klagevertreter in diesem Verfahren
ist mit HIV und/oder HCV infiziert und in Großbritannien, Italien oder Deutschland ansässig. Die Klageschrift umfaßt eine
vorgesehene Gruppenklage im Namen von Personen, die weltweit mit HIV und/oder HCV aus kontaminierten
amerikanischen Blutprodukten infiziert sind. Zu den Beklagten gehören: Bayer Corporation und ihre Sparte Cutter
Biological, Baxter Healthcare Corporation und ihre Sparte Hyland Pharmaceutical, Armour Pharmaceutical Company
und Alpha Therapeutic Corporation.
In der Klageschrift wird behauptet, daß die beklagten Konzerne zum Zwecke der fraglichen Bluter-Medikamente
wissentlich Spender anwarben und bezahlten und/oder Plasma kauften, das aus den Bevölkerungsgruppen mit dem
höchsten Risiko stammte, darunter Häftlinge, von intravenösen Drogen abhängige Personen und Blutzentren, deren
Zielgruppe promisk lebende homosexuelle Stadtbewohner waren. Die Kläger machen geltend, daß diese Konzerne es
unterließen, wie nach US-Recht vorgeschrieben, Spender mit früher festgestellter Viren-Hepatitis auszuschließen. Durch
Tests auf Hepatitis hätte die Wahrscheinlichkeit, daß mit HIV und/oder HCV kontaminiertes Plasma in die Plasmapools
gelangte, erheblich verringert werden können.
Des Weiteren wird in der Klage geltend gemacht, daß die beklagten Konzerne gegenüber staatlichen Beamten und
Ärzten falsche Angaben darüber machten, daß die fraglichen Bluter-Medikamente sicher verwendet werden könnten
und daß sie wirksame Maßnahmen getroffen hätten, um das Risiko von Blutern, AIDS und HCV zu entwickeln, zu
mindern. Die Kläger erheben zudem den Vorwurf, die Konzerne hätten beim Auftreten der ersten Hinweise, daß Bluter
an AIDS gestorben seien, in abgestimmtem Handeln einen Rückruf der fraglichen Bluter-Medikamente umgangen,
verhindert, daß die Patienten auf die von ihren Produkten ausgehenden Risiken einer HIV- und HCV-Infektion aufmerksam
wurden, und die Vermarktung der Produkte als sicherer Produkte fortgesetzt.
Harry Weber