26.07.2004

Artikel

Journalisten beobachten Toilettenpapier

Nach wie vor ist BILD das in Deutschland meistverkaufte Toilettenpapier. Die "kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme" von BILD sollen nun im Internet in einem "BILDblog" gewissermaßen ausgestellt und dem täglichen Vergessen entrissen werden.

Fast hoffnungslos altmodisch muß sich vorkommen, wer in diesen Tagen seine Opposition zur allmächtigen BILD-Zeitung ausdrückt. Da ist der Blog, den der Berliner Journalist Christoph Schultheis gemeinsam mit Kollegen unterhält, um so bemerkenswerter. "Was heute in der BILD-Zeitung steht, steht morgen überall. Vielleicht sollte man sich also mal genauer anschauen, was sie schreibt", ist die Devise der journalistischen BILD-Beobachter.

Das geschieht denn auch auf www.BILDblog.de seit Juni ausführlich. Da ist ein Nonsens-Interview, das BILD mit Bundesumweltminister Jürgen Trittin zu dessen 50. Geburtstag führte, ebenso vertreten wie die BILD-Enten in der Endlos-Story um Torwart Oliver Kahn und seine Freundinnen, die mittlerweile sogar zu einer Entschuldigung wegen des Abdrucks falscher Fotos führte. Man sei Opfer von Betrügern geworden, klagte der Verlag.

Auch bei der Erfolgsschauspielerin Sibel Kekilli hatte BILD kein Glück. Sie gewann eine Klage gegen das Blatt. Die BILD-Zeitung hatte über ein Aktfoto eine "Denkblase" mit dem Inhalt: "Nie geraucht! Nie getrunken! Nur die paar Pornos..." montiert. Jetzt muß BILD in einer Gegendarstellung in gleicher Größe klarstellen, daß es sich hier um eine reine BILD-Erfindung gehandelt hat.

Vielleicht war da sogar Rache im Spiel, weil Kekilli BILD ein Interview verweigerte und sich von dem Blatt erpreßt fühlte. Ein ganzes Reihe solcher und ähnlicher BILD-Enten haben die Beobachter des Boulevardblattes schon gesammelt. Das Archiv wird noch wachsen.

Leider bleibt die politische Rolle der BILD-Zeitung auf der Internet-Seite bislang etwas unterbelichtet. Doch immerhin gibt es einen Link zum Altmeister der BILD-Kritik Günther Wallraff, der seinen Dauerkrieg mit der Springerpresse noch längst nicht beendet hat. Wallraff unterhält auch noch immer einen Rechtshilfefond für Opfer der BILD-"bericht"- erstattung. Kahn und Kekilli benötigen ihn sicher nicht. Aber viele Namenlose, die weniger Möglichkeiten haben, sich gegen BILD-Enten zur Wehr zu setzen.

 

Peter Nowak

 

neuronales Netzwerk