Zu den Ursachen des Stromausfalls in New York, Detroit, Ottawa u.s.w.
Es war der insgesamt vierte - und schlimmste - dieser absolut unnötigen, großen Blackouts im
Nordosten (seit 40 Jahren, seit 1965). Sein Radius war erschreckend - Detroit, Ottawa, New York,
New Jersey - erschreckend vor allem, wenn man bedenkt, daß das Ganze auf Korruption und
absolute Dummheit zurückgeht. Nicht zu vergessen die Blackouts in Kalifornien 2000/2001. Das
waren “Erpressungsversuche” Enrons und der anderen Energiekumpels von Bush. 60 Milliarden Dollar
wollte man dem Staat so aus den Rippen leiern. Eine der Folgen: die eventuell bevorstehende
Amtsenthebung Gouverneur Gray Davis. Als die Lichter (in Kalifornien) ausgingen, hatte Gray
Davis John Bryson von ‘Southern California Edison’ die Füße geküßt. Der sorgte für ein
Deregulierungsgesetz, das den Steuerzahler 30 Milliarden Dollar kostete - investiert in die
funktionsuntüchtigen kalifornischen Nuklearanlagen. Somit waren den Energie-Piraten Tür und Tor
geöffnet, um sich weitere 60 Milliarden Dollar zu stehlen. Der Rückstoß erwischte Davis.
An der jetzigen Katastrophe im Nordosten trägt prinzipiell dieselbe Art Leute Schuld: jene
Energie-Barone im Besitz der fossilen und atomaren Energiemacht und deren Kumpels im
Stromversorgungsgeschäft. Ihre Waffe: ein absolut veraltetes Stromnetz - veraltet bis zur
Obszönität, eine extrem fragile Konstruktion Marke Rube Goldberg, die Strom ebenso gefährlich
wie ineffektiv aus zentralen Energieanlagen - die teuer, umweltverschmutzend und extrem unsicher
produzieren -, zu Häusern herleitet, die zwar Unmengen Energie verschwenden, aber selbst keine
produzieren. Eines steht fest: dieses Stromnetz wird wieder und wieder und immer wieder
kollabieren. Stellt sich die Frage: Wer ist der wahre Terrorist? Ein herumreisender Irrer, der etwas
in die Luft jagt oder jemand, der an verfestigten Interessen festhält und nicht bereit ist, diese
Situation zu ändern?
Wir verfügen heutzutage über Technologien, die diesen Schlamassel unnötig machen. Mitte der
90ger schlugen kalifornische Verfechter ‘grüner’ Energie vor, ein 600-Megawatt-Mosaik aus
Anlagen mit erneuerbarer Energie - Wind, Sonne, usw. - zu installieren. Hätte man auf sie gehört,
es wäre nie zu der gefakten Deregulationskrise von 2001 gekommen. Die Kalifornische
Kommission für öffentliche Versorgungsbetriebe (‘California Public Utilities Commission’) hatte
dem Plan zugestimmt - dann schossen ihn Southern California Edison und die Nationale
Energie-Regulierungskommission (Federal Energy Regulatory Commission) ab. Derzeit ist die
Regierung Bush dabei, ihre Freunde in der fossilen Energie- bzw. in der Stromversorgungsbranche
mit einem neuen, üblen Energiegesetz bzw. indem sie Milliarden in die “Modernisierung” des
Stromnetzes steckt, zusätzlich zu subventionieren. Das Einzige, was sicher ist: jeder Cent dieses
Geldes ist verschwendet.
1952 wurde (Präsident) Harry Truman in einem ‘Blue Ribbon’ Report vorausgesagt, die Zukunft der
amerikanischen Energieversorgung liege in der Sonnenenergie. Bis 1975 würden sich hierzuland
13 Millionen Häuser durch Solaranlagen mit Energie selbstversorgen. Dezentrale, netzunabhängige
Selbstversorgung - so lautete das Versprechen. Und was passierte? Dwight Eisenhower ritt uns
mitten hinein in den Schlamassel: “Friedliche (Nutzung der) Kernenergie”. Eine Billion Dollars
später blicken wir auf ein halbes Jahrhundert zusammenbrechender Stromnetze und gefährlicher
Atomanlagen zurück. Atomanlagen sind anfällig für Terrorattacken, außerdem muß man sie just
dann abschalten, wenn sie am nötigsten gebraucht werden (siehe jüngster Blackout). Bushs
neues Energiegesetz macht die Sache nur noch schlimmer: höhere Subventionen für die
Atomenergie und ein Mordszuschuss für fossile Brennstoffe - allen voran die Kohle.
Was das ganze System braucht, ist ‘grüner’ Rückbau. Die Solartechnologien bringen uns einer
Energieselbstversorgung zum Greifen nah. Mit Photovoltaik-Zellen auf den Dächern bzw. in Fenster
eingelassen erzeugen wir stromnetzunabhängige Energie (mit ein paar Batterien oder
Brennstoffzellen in der Hinterhand). Dann die geothermische Energie: Sie nutzt einzig die Kräfte
der Erdkruste zum Kühlen, zum Erhitzen. Methan-Gärungsprozesse machen es möglich, dass
aus Abfall nützliches Gas entsteht. Wohnungsgeneratoren arbeiten mit Biomasse (Ethanol,
Sojadiesel) - auch hier ist Selbstversorgung möglich. Es ist jedoch nicht gleich nötig, dass solche
Systeme den Energiebedarf eines Gebäudes zu 100 Prozent decken. Schritt für Schritt wird man
zum Selbstversorger - bei gleichzeitig zurückgehendem Verbrauch durch effizientere Beheizung
und Beleuchtungs- und Kühlsysteme. Fenster, die man tatsächlich aufmachen und schließen
kann, tragen zudem zur ausgeglichenen Energiebilanz bei - Gebäude für Gebäude. Spricht Bush
von einer “Modernisierung des Netzes”, bedeutet dies nur wieder Verschwendung von Geldern, an
dieselben alten, unsicheren Atomanlagen, an umweltverschmutzende Kohlekraftwerke und
Gasturbinen - möglichst teure Energie - (und das alles zusammengehalten durch ebenso
gefährliche wie energievergeudende Stromleitungen, die ständig kollabieren).
San Francisco hat eine öffentliche Anleihe (teilweise) dazu benutzt, die ersten einer neuen
Generation von Solarzellen auf das Moscone Center in downtown Francisco zu installieren. Hätte
man die Zellen auf Madison Square Garden - oder jedem anderen Gebäude Manhattans -
installiert, dieses Gebäude hätte beim jüngsten Blackout weiterfunktioniert. Werden die New
Yorker etwas daraus lernen? Die Technologie für ein solarbetriebenes, dezentrales Energiesystem
ist vorhanden. Auf den großen Forschungsdurchbruch brauchen wir nicht mehr zu warten. Was wir
hingegen benötigen, ist öffentliche Nachfrage und gut geförderte Produktionskapazitäten. Und man
muß endlich aufhören, immer dieselben Fehler zu begehen, nur weil die Jungs aus der
Energieversorgung und der fossilen / nuklearen Branche die Politiker an der Macht finanzieren. Wir
brauchen keine Raketenwissenschaftler. Was wir brauchen, ist ganz normaler, gesunder
Sonnenverstand - das wussten aber alle schon im Jahr 1952.
Harvey Wasserman
Harvey Wasserman ist Autor von ‘The last energy war’ und Senior Editor von www.freepress.org
Quelle: ZNet Deutschland vom 21.08.2003. Übersetzt von: Andrea Noll.