Britischer Geheimdienstler David Kelly tot aufgefunden
Blair pokert hoch. Er beharrt nicht nur auf der schon vor Beginn des Irak-Kriegs völlig unglaubwürdigen und durch nichts
bewiesenen Behauptung, im Irak habe es Massenvernichtungswaffen gegeben, nein, er beharrt sogar noch auf jenem
"over thrill", der Behauptung, diese Massenvernichtungswaffen seien "innerhalb 45 Minuten einsatzbereit" gewesen.
Damals wurde als Beglaubigung auf die Reputation des britischen Geheimdienstes verwiesen. Bush junior hingegen, der
sich Monate lang gläubiger als sein eigener CIA gezeigt hatte und immer wieder beschwor, es würden
sicherlich noch Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden werden, war letzte Woche umgeschwenkt und
präsentierte den gefügigen CIA-Chef Tenet als den Idioten.
Nachdem nun wiederum Blair durch extremen Druck auf den eigenen Geheimdienst die Befragung vor dem britischen
Untersuchungsausschusses mit heiler Haut überstanden hatte, trat er fulminant im US-Senat und Abgeordnetenhaus
auf: Mehrmals "standing ovations". Dies muß Bush junior so beeindruckt haben, daß er erneut von der Existenz von
Massenvernichtungswaffen daherredete.
Den Geheimdienstleuten muß das alles schwer zu schaffen machen, denn ihnen wird ja als Kardinaltugend in der
Ausbildung eingebleut, sich nicht beim Lügen erwischen zu lassen. Beim Tod des Geheimdienstlers,
Ex-UN-Waffen- inspekteurs und Regierungsberaters David Kelly muß allerdings mehr im Spiel gewesen sein.
In Berichten der BBC waren die Behauptungen
Tony Blairs über die Massen- vernichtungswaffen des Irak als "aufgebauscht" bezeichnet worden.
Ein unbekannter Geheimdienstler hatte der BBC als Quelle gedient.
Im Grunde hätte Blair zufrieden sein können, denn mit diesem BBC-Bericht wurde zumindest indirekt die Existenz von
Massenvernichtungswaffen bestätigt. Nichts desto trotz verdächtigte Kriegsminister Hoon eben jenen Regierungsberater
Kelly, die undichte Stelle gewesen zu sein.
Nach dem heutigen Fund der Leiche wurde bereits im britischen TV gemutmaßt, Kelly habe sich umgebracht,
weil er dem Druck nicht länger standgehalten hätte. Am Dienstag war er vor dem Untersuchungsausschuß befragt
worden, stritt aber ab, jene ominöse BBC-Quelle zu sein. Nun kann dies alles wohl kaum mehr viel Druck entfaltet
haben, zumal Blair sich bereits als Sieger gerierte.
Mit Sicherheit steckt mehr hinter diesem Tod und nicht umsonst gilt es als sicher, daß die Regierung Blair nun nicht
mehr um eine gerichtliche Untersuchung herum kommt, in der es auch um die angeblichen Beweise für die
Kriegsgründe gehen wird. "Dies ist eine schwere Regierungskrise" meinte bereits der Chefkommentator des britischen
Nachrichten- senders 'Sky News', Adam Boulton. Kelly sei das Opfer eines "politischen Spiels" geworden,
kommentierte der Chefredakteur des Magazins 'The Spectator', Peter Osborne.
Britische Journalisten spekulieren bereits darüber, ob sich Blair noch einmal herauswinden kann, indem er ein
Bauernopfer vorschiebt. Genügen würde da wohl nur Blairs momentan wichtigster Berater, sein Kommunikationsdirektor
Alastair Campbell. Klar ist auf jeden Fall, daß das britische Unterhaus aus der Sommerpause zurückgerufen werden muß.
Die britische Justiz ist im gesamten Europa immer noch die am wenigsten abhängige. Es bestehen also gute
Chancen, daß nach und nach aufgedeckt wird, was hinter all den Dossiers über Massenvernichtungswaffen steckte.
Daß jener Text eines Studenten kein kleiner Fehler war, sondern daß der Fehler System hatte. Daß rein gar nichts an
Fakten zugrunde lag. Wenn dies zu Tage kommt, wird es Blair das Amt kosten. Und wie das Beispiel der italienischen
DC zeigt, hat schon mancher politische Sturz ins Bodenlose mit dem Auffinden der Leichen von Regierungsbeamten
begonnen.
Harry Weber