Vorbemerkung:
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Nachdem uns jahrelang erzählt wurde, Deutschland sei BSE-sicher führte der angeblich erste BSE-Fall im November zu einem großen Vertrauensverlust unter den Verbrauchern.
Tatsächlich wurden aber schon früher Fälle von BSE gemeldet, so beispielsweise der Fall einer Galloway-Kuh, die Ende 1996 starb. Der BSE-Verdacht wurde damals von der
Bundesforschungs- anstalt für Viruskrankheiten der Tiere bestätigt1. Die Tierärztin Dr. Margrit Herbst warnte bereits 1990 vor BSE.
Der offensichtlich laxe Umgang mit der potentiellen Gefahr ist kaum entschuldbar. Sicher, die jetzige Regierung kann nicht für die Machenschaften der CDU/FDP-Regierung
zur Verantwortung gezogen werden, aber mit dem Ruhm umfassender Aufklärung hat sie sich auch nicht gerade bekleckert. Im Gegenteil: zwei Minister mußten zwischenzeitlich den
Hut nehmen. Die Gefahr an anderen Erkrankungen zu sterben, als ausgerechnet an der Creutzfeld-Jakob-Krankheit ist groß, kann aber nicht die
Entschuldigung für das Restrisiko
politischer Entscheidungen sein. Führt man sich nämlich die enormen Summen vor Augen (die Badische Zeitung v. 22.01.01 bezifferte die Kosten allein für die Maßnahmen zur
Eindämmung der BSE auf 1,6 Milliarden Mark), die jetzt aufgebracht werden müssen, um Schadensbegrenzung zu betreiben, die Krankheit zu erforschen, um eventuell Gegenmittel oder
Impfstoffe zu finden, dann wird einem sehr schnell klar, dass die angeblich so günstige Fleischproduktion nur eine Verschiebung der tatsächlichen Kosten war. Die Gewinne wurden
schon lange gemacht, die Zeche bezahlt jetzt die Allgemeinheit - auch mit der real existierenden Bedrohung der Gesundheit.
1. Rückblick
BSE entstand in England durch die Verfütterung von ungenügend inaktiviertem Fleisch- und Knochenmehl, welches Abfälle von Scrapie-infizierten
Schafen enthielt. 1986 wurden die ersten BSE-Fälle gemeldet. 1992/93 wurde der Gipfel der Epidemie mit 3.500 Fällen pro Monat erreicht2.
Mit dem Auftreten von BSE in Großbritannien rückte die Creutzfeld-Jakob-Krankheit in den Blick der Öffentlichkeit. Wußte man bis dahin nur von dem sporadischen Auftreten
der Krankheit und familiärer Häufung, sowie einer Übertragung durch ungenügend aufbereitete Operations-Instrumente und Spendermaterial, registrierte man Mitte der 90er eine neue
Variante dieser Krankheit in Großbritannien und man konnte einen Zusammenhang mit BSE nicht ausschließen. Da sich der Verlauf der Krankheit anders darstellte, die Patienten
insgesamt jünger waren und auch das neuropathologische Syndrom ein anderes war, sprach man von einer neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit kurz
vCJD.
2. Ist BSE tatsächlich auf den Menschen übertragbar?
Erreger sind im allgemeinen an eine bestimmte Spezies angepasst, d.h. speziesspezifisch. Dies trifft für den Erreger der TSE in unterschiedlichem
Maße zu. So ist z.B. die Speziesbarriere bei Schaf und Ziege gering, hier kommen horizontale Übertragungen (Tiere, die gemeinsam weiden und sich beispielsweise durch die Aufnahme
von Plazentaresten infizieren) vor. Eine hohe Speziesbarriere besteht hingegen zwischen Rind und Hamster: Hier konnte der BSE-Erreger auch durch injizierte hohe Dosen nicht auf den
Hamster übertragen werden3.
Der Scrapie-Erreger steht wahrscheinlich im Mittelpunkt des Geschehens. Dies ist bei der TME der Nerze und der
CWS der Hirsche mit Sicherheit und bei der BSE wahrscheinlich auf Infektionen mit dem Scrapie-Erreger zurückzuführen. Als man den infektiösen
Charakter der Creutzfeld-Jakob-Krankheit Anfang der 70er Jahre erkannte, dachte man an einen Zusammenhang mit dem Scrapie-Erreger. Die sporadische Form der
Creutzfeld-Jakob-Krankheit gibt allerdings keinen Hinweis darauf. Ein indirekter Weg des Scrapie-Erregers über das Rind (durch unerkannte Fälle der TSE) ist aber im Bereich des
Möglichen. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass es bei gemeinsam auf der Weide grasenden Schafen, Ziegen und Rindern zu Übertragungen kam. Solchermaßen infizierte Rinder
gelangten in die Nahrungskette und könnten als eine Ursache für die sporadisch auftretende CJD angesehen werden. Auch in einem Info des Robert-Koch-Instituts3 ist
zu lesen, dass die sporadische CJD ihren Ursprung in tierischen Nahrungsmitteln haben könnte. Sie habe den Charakter einer Primärinfektion durch einen "nicht an den Menschen
adaptierten Erreger". Sie unterscheidet sich im Verlauf und in den pathologischen Läsionen deutlich von Sekundärinfektionen mit an den Menschen adaptierten Erregern wie
Kuru und die iatrogene (durch medizinische Eingriffe) verursachte Creutzfeld-Jakob-Krankheit.
3. Welche Formen der Creutzfeld-Jakob-Krankheit unterscheidet man?
(a) Sporadisches Auftreten der CJD
ein Fall auf eine Million Einwohner pro Jahr weltweit.
Diese Form macht ca. 80 - 90 % aller Fälle aus.
(b) Familiäre Häufung durch dominante Vererbung,
d.h. dass nur ein Elternteil krank sein oder die
Erbinformation haben muss um die Krankheit
auf einen Teil der Kinder zu übertragen.
Diese macht ca. 10 - 15% der Krankheitsfälle aus.
Diese beiden Formen der Creutzfeld-Jakob-Krankheit sind gekennzeichnet durch:
- Das Erkrankungsalter 55 - 70 Jahre
- Die ersten Krankheitszeichen sind: Bewegungsstörungen, Vergesslichkeit und Muskelzittern
- Im weiteren Verlauf verschlimmert sich die Krankheit rasch und führt schnell zum Tod.
- Das klinische Bild zeigt typische EEG-Veränderungen, sog. sharp waves.
(c) Übertragung durch medizinische Eingriffe:
dies ist in ca. 1-5 % aller Fälle die Ursache für eine
CJD-Erkrankung.
In den 80er Jahren erkrankten (laut Paul-Ehrlich-Institut) über 100 Patienten an CJD, nachdem sie mit Hormonen, die aus den Hirnanhangdrüsen Verstorbener hergestellt worden waren,
behandelt oder nachdem ihnen harte Hirnhaut (Dura mater), ebenfalls von Verstorbenen gewonnen, transplantiert worden war. Durch die gentechnologische Herstellung beispielsweise des
Wachstumshormons, spielt dieser Übertragungsweg inzwischen eine untergeordnete Rolle. Übertragen werden kann die Krankheit aber auch über medizinische Eingriffe mit nicht
ausreichend sterilisierten chirurgischen Instrumenten, vor allem bei Eingriffen am Gehirn und durch Hornhauttransplantationen am Auge.
(d) Kuru: Übertragung durch Totenkult
wahrscheinlich aufgrund eines sporadischen CJD-Falles.
(s. Anhang)
(e) Die neue Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (vCJD):
Im März 1996 wurden in Großbritannien 10 Fälle der Creutzfeld-Jakob-Krankheit innerhalb von sechs Monaten (1995/96) dokumentiert, die alle einen atypischen,
untereinander jedoch einheitlichen Verlauf aufwiesen. Das klinische Bild weist auf eine nicht-klassische CJD-Erkrankung hin.
- Erkrankungsalter 19 - 39 Jahre
- Verhaltensstörungen
- Gangunsicherheit
- Ängstlichkeit
- Depressionen
- Apathie und Schlafstörungen
- Bewegungs- und Sensibilitätsstörungen.
Erst später setzen Muskelzuckungen und ein fortschreitender Verlust der intellektuellen Fähigkeiten ein. Es fehlen die typischen Veränderungen im EEG (sharp waves).
Die Krankheit schreitet langsamer fort und führt nach 6 bis 12 Monaten zum Tode. In der grauen Substanz des Gehirns finden sich blumenartige Ablagerungen ( sog. floride Plaques).
Es ist kaum ein Zweifel möglich, dass es sich um eine BSE-Infektion des Menschen handelt. Wie sich diese weiterhin entwickeln wird, ist unklar. Es ist möglich, dass sie auf wenige
Fälle beschränkt bleibt. Sollte es zu einer größeren Zahl von Creutzfeld-Jakob-Erkrankungen durch BSE Ansteckung kommen - und niemand kann das ausschließen, so steht uns der
Gipfel einer solchen Epidemie wegen der langen Latenz erst noch bevor3, s. a. Abschnitt 8a.
4. Welche Übertragungsmöglichkeiten gibt es bei der Creutzfeld-Jakob-Krankheit?
Die mögliche Übertragung der Creutzfeld-Jakob-Krankheit durch medizinische Eingriffe hat zu großen Verunsicherungen auch innerhalb von Kliniken geführt. Im Zeitalter
zunehmend laparoskopischer- und endoskopischer Operationen stellt sich die Frage, wie diese hitzeempfindlichen Instrumente wieder so
aufbereitet werden können, dass eine Übertragung der Creutzfeld-Jakob-Krankheit von erkrankten Patienten auf nicht infizierte Patienten ausgeschlossen werden kann (s. a. 8b)
Laut Paul-Ehrlich-Institut4 gibt es bisher keinen Hinweis, dass die klassische Form der CJD durch Blut oder Blutprodukte übertragen werden kann. Klinische Studien,
sog. Fall-Kontrollstudien zeigen bisher keinen Zusammenhang. Dies lässt sich laut Paul-Ehrlich-Institut aber nicht unbesehen für die vCJD übernehmen. Da es keine Testverfahren
für Blutprodukte auf vCJD gibt, werden in einigen europäische Staaten, darunter auch Deutschland, Spender zurückgewiesen, die nachweislich im Zeitraum 1980 - 1996 länger als
insgesamt sechs Monate in Großbritannien waren. Produkte, die aus Blutplasma hergestellt werden, besitzen ein besonders hohes Potential Infektionen zu verbreiten. Sie werden
aus zahlreichen Spenden hergestellt und an viele Empfänger verabreicht. Eine einzige infizierte Spende kann so eine Infektion an zahlreiche Empfänger weiter geben.
Die WHO5 empfiehlt darüber hinaus, dass die Pharmazeutische Industrie auf Material von Rindern verzichtet und wenn es notwendig ist, soll es von solchen
Ländern bezogen werden, die ein Erfassungssystem für BSE vorweisen können und die nachweislich keine oder nur sporadische Fälle von BSE haben. Diese Empfehlung betrifft
sowohl die Herstellung von Impf- und Arzneistoffen, wie auch von Kosmetika.
5. Liegen Zahlen über die Häufigkeit der Creutzfeld-Jakob-Krankheit in Deutschland vor und wie sind diese im internationalen Vergleich zu bewerten?
In den USA wurde das gehäufte Auftreten der neuen Variante der CJD in Großbritannien zum Anlass genommen, alle CJD-Sterbefälle im Zeitraum zwischen 1979 und 1994
genauer zu untersuchen. Wegen der theoretischen Möglichkeit der Übertragung der Krankheit durch Blutprodukte, wurde auch überprüft, ob einzelne aus der Gruppe durch
mögliche Blutübertragungen besonders exponiert waren6.
Insgesamt wurden 3.642 Fälle untersucht und zeigten folgende Resultate:
- Das mittlere Alter der CJD-Verstorbenen lag bei 68 Jahren.
- 98% der Toten waren älter als 45 - 80% älter als 60 Jahre
- 52,9% der Toten waren Frauen
- 95,2% der Toten waren weiß
- Der Süden und der Mittelwesten der USA zeigen eine geringfügig höhere Anzahl von CJD-Toten.
- Nur fünf der untersuchten Personen waren jünger als 30 Jahre.
- Keine der untersuchten Personen war bluterkrank. Darüber hinaus wurde unter den Bluterkranken kein CJD-Fall registriert.
- Es wurden keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass bei einem der untersuchten Fälle die vCJD vorlag.
Seit dem 1.Juni 1993 werden in Deutschland durch eine Göttinger Arbeitsgruppe CJD-Verdachtsfälle nach einem einheitlichen Schema untersucht. Unter anderem soll geklärt
werden, ob es seit Auftreten der BSE zu einem Anstieg der Häufigkeit der CJD-Fälle kam7.
Laut den WHO-Vergleichszahlen8 wurden im Zeitraum vom 1.Juni 1993 bis zum 30. Juni 2000 aus Deutschland 607 Fälle der Creutzfeld-Jakob- Krankheit gemeldet.
Dies entspricht auf 1 Million Einwohner berechnet einer Rate von 0,99. Australien (1,12), Österreich (1,06), Frankreich (1,37), die Niederlande (1,01), und Schweiz (1,34) haben eine
höhere Rate, Großbritannien liegt mit einer Rate von 0,97 sogar knapp darunter. In Deutschland waren 75 Erkrankte bei Ausbruch der Krankheit jünger als 50 Jahre, aber keiner
der Betroffenen litt laut Arbeitsgruppe an der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit. In vier Fällen lag eine iatrogene Übertragung vor (in drei Fällen handelte es sich um
Dura mater - und in einem Fall um eine Erkrankung nach Hornhauttransplantation am Auge). Großbritannien hatte im selben Zeitraum 198 Erkrankte, die jünger als 50 Jahre waren, 70 von
diesen litten an der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit. Allerdings konnte keine signifikante Erhöhung der CJD-Rate in Deutschland in den Jahren festgestellt
werden. In 1997 erhöhte sich die Rate auf 1,23 (107 Fälle), in 1998 auf 1,28 (111 Fälle) und sank im Jahr 1999 wieder auf 0,99 (86 Fälle). Dies ist in anderen europäischen Staaten
ähnlich. Hingegen hatte die Schweiz in den Jahren 1993 (1,44), 1994 (1,42) und 1996 und 1997 (jeweils 1,41) einen "vorläufigen Krankheitshöhepunkt". Aufgrund der langen
Inkubationszeiten der CJD kann man aber noch keine Entwarnung geben. Die europäischen Vergleichsdaten sagen auch nichts über die Verteilung der Fallzahlen in den einzelnen
Bundesländern oder bezogen auf Geschlecht und Alter der Betroffenen im einzelnen aus, wie dies vergleichsweise für die amerikanischen Daten der Fall ist.
6. Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um Übertragungen zu vermeiden?
Da es weder Therapien noch Impfmöglichkeiten gibt, muss sichergestellt werden, dass jeglicher Kontakt des Menschen mit dem Erreger vermieden wird. Das heißt zum einen, dass
BSE-verseuchte Lebensmittel nicht in den Handel kommen dürfen, aber auch, dass die Art und Weise der Lebensmittelproduktion grundsätzlich überdacht wird. Es ist zu
hinterfragen, ob weiterhin auf Kosten der Gesundheit eine Tierhaltung unter dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung zu verantworten ist.
Aber nicht nur Lebensmittel können den gefürchteten Erreger übertragen, auch über Impfstoffe, Kosmetika u. ä. können mit dem Erreger in Kontakt kommen.
Folgende Maßnahmen sind zu ergreifen:
Im Nahrungsmittelbereich:
- Umdenken in der Lebensmittelproduktion (s. a. 8b)
- Verbot der Vermarktung der Risikoorganen,
- Verbot des Inverkehrbringens von Milch BSE-verdächtiger oder BSE-verseuchter Kühe. Dies genau dürfte in der Vergangenheit kaum gewährleistet worden sein.
- Entwicklung von Diagnoseverfahren zur frühzeitigen Erkennung der BSE
Im medizinischen Bereich:
- Verzicht von Blut- und Organspenden CJD-infizierter Spender: Die Arbeitsgemeinschaft Blut und die WHO empfehlen vorsorglich die Entfernung der Leukozyten
(weiße Blutkörperchen) aus den Blutspenden (Leukozytendepletion). Es gibt eine Reihe Hinweise darauf, das die Leukozyten die Träger der vCJD-Erreger sind, der direkte
Beweis, dass mit der Entfernung der Leukozyten auch die Menge der vCJD-Erreger wesentlich verringert wird, steht aber noch aus.
- Zur Herstellung von Arzneimittel, Nahtmaterial für Operationen und Kosmetika sollen keine Ausgangsstoffe (Rinderprodukte) verwendet werden, die aus Regionen stammen,
in denen BSE in den letzten Jahren aufgetreten ist. Laut Paul-Ehrlich-Institut kommen somit nur die Länder USA, Australien und Neuseeland für die Lieferung der
Ausgangsprodukte für die Herstellung von Arzneien und Impfstoffen in Frage.
- Zur Vermeidung der Übertragung durch medizinische Eingriffe wird in Großbritannien diskutiert, Tonsillektomien (Entfernung der Rachenmandeln) zukünftig mit
Einmalinstrumenten durchzuführen. Zu den Operationen, die ein hohes Risiko einer Übertragung bedeuten, gehören alle Eingriffe am Gehirn,
ZNS, Auge und in lymphatischem
Gewebe, zu dem auch die Tonsillen gehören.
7. In welchen Bereichen wird geforscht?
Bis zum Haushaltsjahr 2000 gab es im Bundesministerium für Gesundheit keine BSE-Forschungsvorhaben! Für das Haushaltsjahr 2000 sind 8,30 Millionen Mark und für 2001
8,55 Millionen Mark eingestellt.
Zur CJD-Forschung laufen derzeit drei Projekte, die mit insgesamt 8,67 Millionen Mark gefördert werden.
- Epidemiologie und molekulare Pathologie humaner transmissibler Enzephalopathien (vom Mai 93 bis April 04)
- Labordiagnostik zur Früherkennung von TSE (Mai 97 bis Juli 04)
- Entwicklung von Verfahren zur schnellen Diagnose von TSE (November 99 bis November 02)
Das BMBF - Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat seit Januar 1993 bis heute 15,17 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Geforscht wird
in den Bereichen Diagnostik, Epidemiologie, Übertragbarkeit, Erregerprinzip, Erregerstruktur, Funktion des Prionproteins, Pathogenese, sowie Therapie- forschung.
8. Diskussion
(a) Hätte man BSE vermeiden können?
Es gab möglicherweise schon immer eine Form der TSE bei Rindern, die sich evtl. auf gemeinsam genutzten Weiden mit dem Scrapie-Erreger infizierten. Eine These geht davon aus,
dass diese in die Nahrungskette gelangten Rinder, die Ursache für die sporadisch auftretende CJD beim Menschen sind1. Hinweise, dass der Erreger dieser Form
der CJD nicht an den Menschen adaptiert ist, unterstützen diese Theorie.
Im Krankheitsbild und -verlauf unterscheidet sich die sporadisch auftretende CJD von der vCJD.
Die Patienten, die bisher an der vCJD erkrankten und starben, waren deutlich jünger als die Opfer der sporadisch auftretenden CJD. Thesen, die bisherigen Opfer der vCJD wären
genetisch disponiert, stellen uns vor die ernstzunehmende Frage, ob die 40 Prozent der Bevölkerung, die ähnlich disponiert sind, in den nächsten Jahren noch erkranken werden. Aber
auch die Frage, warum vorwiegend junge Leute an der vCJD erkranken, während die sporadisch auftretende CJD vorwiegend 60- bis 70-Jährige betrifft ist ungeklärt. Hängt es damit
zusammen, dass in den 80er Jahren die britischen "Hamburger" noch bis zu 2 g Gehirn enthalten durften, und waren Jugendliche - als Anhänger des fast-food - dadurch besonders
exponiert? Oder wurden infektiöse Materialien (Fleischreste, die mit rabiaten Mitteln von den Knochen bereits ausgeweideter Rinder gelöst wurden) auch in Baby- und
Kindernahrung verarbeitet und die Jugendlichen sind dadurch besonders betroffen? Der Leiter des nationalen britischen Creutzfeld-Jakob-Überwachungszentrums wurde
mit dieser Mutmaßung zitiert9 und die britischen Hersteller für Babynahrung haben dies vehement dementiert10. Eine alternative Erklärung für das
gehäufte Auftreten der vCJD bei jungen Menschen könnte aber auch sein, dass der intensivere Stoffwechsel bei Kindern bewirkt, dass sich die Krankheit schneller als bei
Erwachsenen ausbreitet. Sicherlich spielt es auch eine Rolle in welchem Ausmaß und wie lange jemand exponiert war.
Sind auch die Rinder durch das Tiermehl - es avancierte ja zum Hauptnahrungsmittel - "infektiöser" geworden? Ist auszuschließen, dass Schweine oder Hühner,
die ja auch mit Tiermehl gefüttert werden, Überträger der Krankheit sind? Um krank zu werden, müssen infizierte Tiere eine bestimmte Menge infektiösen Materials aufgenommen
haben. Schweine und Hühner leben vielleicht einfach nicht lange genug, um krank und damit auffällig werden zu können, dies schließt aber eine Infektionsgefahr nicht unbedingt aus!
Wenn auch der Ausbruch der Krankheit in Großbritannien nicht vorhergesagt werden konnte, als man darauf verzichtete, bei der Aufbereitung die bis dahin gängige
Sorgfalt walten zu lassen, hätten spätestens aber seit Ausbruch der Krankheit in Großbritannien die übrigen europäischen Staaten zu entsprechenden Maßnahmen der
Vorbeugung greifen müssen. Selbst die bestätigten Fälle der neuen Variante der Creutzfeld- Jakob-Krankheit konnten Europa nicht dazu veranlassen in der Lebensmittelproduktion
einen menschen-, umwelt- und tierverträglichen Weg einzuschlagen. Dies hat übrigens auch die (damalige) deutsche Regierung verhindert.
Auffallend ist auch, wie wenig Forschung auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahren betrieben wurde. Das ist kein Versagen der Wissenschaft, sondern Ausdruck einer Politik
der Verharmlosung und Verdrängung. Ganz offensichtlich wurde eine Lobby-Politik betrieben, die ausschließlich die Interessen der Agrar-Industrie, genauer: der Fleisch-Industrie schützte.
(b) Sind die getroffenen Maßnahmen ausreichend?
In der Vergangenheit waren sie es offensichtlich nicht! Ob und in welchem Umfang sich dadurch die vCJD in Deutschland ausbreiten wird, kann derzeit nicht beantwortet werden.
Vielleicht haben wir Glück, und die Krankheit verläuft im Sande ähnlich der FSE bei Katzen. Davon darf man in der augenblicklichen Situation
aber nicht ausgehen. Das bedeutet
dann aber zum einen auch, alle möglichen Übertragungswege auf den Menschen zu versperren: dies umfasst
- das Verbot der Massentierhaltung
- die gesetzlich verankerte Umstellung auf biologische Wirtschaftsweise
- gesetzlich zu verhindern, dass infizierte Lebensmittel durch illegale Schlachtungen im Ausland und anschließende Reimporte in die Regale kommen.
Gesundheitliche Konsequenzen kann auch die Entscheidung tragen, ab sofort auf Blut- und Plasmaspenden von Menschen zu verzichten, die in den letzten 20 Jahren
nachweislich länger als ein halbes Jahr in Großbritannien waren. Laut Paul-Ehrlich-Institut, sei die Zahl der Spender, die dies betrifft gering und nicht mit großen Einbußen in
der Versorgung zu rechnen. Diese Maßnahme kennzeichnet aber auch die Hilflosigkeit. Sie schließt das Restrisiko, dass trotzdem Blutspenden mit dem Erreger im Umlauf
sind oder kommen können, nicht aus. Denn aufgrund der BSE- und vCJD-Fälle und in mehreren europäischen Ländern können auch solche Blutspender infiziert sein,
die nachweislich nie in England waren.
Die Empfehlung aus England, Einmalinstrumente für bestimmte Operationen zu verwenden, um mögliche Übertragungswege auszuschließen, läßt erahnen, welche enormen
Kosten auf unser Gesundheitssystem zukommen können, sowohl für die Anschaffung, wie auch für die Entsorgung solcher Instrumente. Allein Großbritannien rechnet mit
jährlichen Kosten von 25 Millionen Pfund.
Ein vollständiges Abtöten der Erreger ist mit den heute üblichen chemischen oder physikalischen Desinfektions- und Sterilisationsverfahren kaum möglich.
Durch Behandlungen mit Natronlauge, 134° heißem Wasserdampf oder bei 360 °C trockener Hitze11 ist die Infektiosität nicht sicher beseitigt.
(c) Ist der Aussage, es gäbe keine vCJD-Fälle in Deutschland, zu trauen ?
Der Fall des jungen Mannes, den die damalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag von Bayern anlässlich einer Pressekonferrenz vorstellte, sorgte Ende November
vergangenen Jahres für Aufregung. Wie weit darf man im Rahmen der Aufklärung gehen? Ab wann werden Persönlichkeitsrechte von Kranken, die sich nicht mehr zur Wehr setzen
können, verletzt? Ist es unverantwortliche Panikmache, wenn man versucht, Tatsachen auf den Grund zu gehen. Die Ärzte schließen jedenfalls eine vCJD, als Erkrankung bei
jenem jungen Mann aus, denn offiziellen Angaben zufolge gibt es diese nicht in Deutschland. (Parallelen zu der Behauptung, Deutschland sei BSE-frei sind auffallend.)
Dabei steht die Frage im Raum, wie die genaue Verteilung des Alters jener CJD-Erkrankten in Deutschland aussieht, die (lt. WHO) jünger als 50 Jahre bei Ausbruch der Krankheit
waren, und welche Ursachen dafür in Frage kommen. Sicherlich können diese auch durch die iatrogene Übertragungsmöglichkeit mit CJD infiziert worden sein. Wenn aber
zutreffen sollte, was Wissenschaftler vorsichtig andeuten, ohne sich festzulegen, dann können viele Menschen, aufgrund der verleugneten BSE-Exposition in den vergangenen Jahren,
inzwischen Überträger der vCJD sein, ohne selbst Anzeichen der Krankheit zu äußern! Dann ist die Creutzfeld-Jakob-Krankheit durch Leichtsinn, Ignoranz und Gewinnsucht zu
einer ernsten Bedrohung der Gesundheit für uns alle geworden!
(d) Persönliche Einschätzung
Viele Fragen bleiben offen. Der Versuch an genauere Daten zu gelangen, gestaltet sich, trotz der web-weiten Informationsflut, schwierig. Anfragen bei Behörden und Instituten
wurden, wenn überhaupt, nur ungenügend beantwortet. Auch PolitikerInnen hüllen sich in Schweigen. Anfragen an VertreterInnen der Grünen blieben ohne Reaktion! Eine
Vertreterin der SPD behauptete nach Rücksprache mit den zuständigen Referenten, dass weder Fallzahlen noch eine Beschreibung der Krankheit vorlägen. Das muss nichts
bedeuten, lässt mich aber mißtrauisch werden. Nur rückhaltlose Offenheit seitens der Verantwortlichen kann dieses Mißtrauen ausräumen. Solange aber weiter verschwiegen
und gemauert wird, dann muss ich mit Blick auf die Überschrift zu dem Schluss kommen:
Creutzfeld-Jakob-Krankheit - ein Schicksal aber HAUSGEMACHT!
Barbara Schroeren-Boersch
Interessante Links zum Thema:
Semesterarbeit von Sämi Ackermann
www.vetvir.unizh.ch/bse99/text.html
Bundesgesundheitsministerium:
www.bmgesundheit.de/themen/ressort/forschungsvorhaben.htm
www.bmgesundheit.de/themen/ressort/1999/45/ubersich.htm#oben
Robert Koch Institut
www.rki.de/GESUND/GESUND/HTM
Centers for disease control and prevention USA:
www.cdc.gov
www.cdc.gov/travel/diseases.htm#BSE
WHO
www.CJK.ed.ac.uk
www.euroCJK.ed.ac.uk/euroindex.htm
Paul-Ehrlich-Institut
www.pei.de
Stern
www.stern.de/magazin/bse
Süddeutsche Zeitung
www.sueddeutsche-zeitung.de/wissenschaft/
(Hier gibt es weitere interessante Links.)
Anhang:
Begriffserklärungen:
BSE
|
Bovine spongiforme Enzephalopathie
TSE der Rinder
|
Creutzfeld-Jakob-Erkrankung
oder Creutzfeld-Jakob-Disease (CJD)
|
ist die am weitesten verbreitete der beim Menschen vorkommenden
spongiformen Enzephalophathien, d.h. schwammartigen Gehirnerkrankungen.
|
CWD
|
Chronic wasting disease (chronische Auszehrung der Hirsche). Diese Form der TSE wurde bislang nur bei den Maultierhirschen und den Rocky-Mountains-Elchen in den
USA beobachtet. Allerdings trat diese Krankheit nur bei gefangenen Tieren und nie in freier Wildbahn auf.
|
Fatale Familiäre Insomnie
(FFI)
|
1986 wurde FFI erstmals beschrieben. Sie wird ebenfalls autosomal dominant vererbt. Von FFI betroffen sind Patienten im Alter von 20 bis 71 Jahren. Sie werden von einer nicht
therapierbaren Schlaflosigkeit befallen. Es kommt zu Verhaltensänderungen, sowie Störungen der vom Stammhirn gesteuerten Bereiche und der kognitiven Fähigkeiten.
Die Krankheit verläuft nach sieben bis 32 Monaten tödlich.
|
FSE
|
Feline spongiforme Enzephalopathie, die TSE der Katzen: 1990 trat der erste Fall in Großbritannien auf. Aufgrund des zeitlichen und geographischen Auftretens der
FSE liegt die Ursache für diese Erkrankungen höchstwahrscheinlich in der Verfütterung von BSE-kontaminierten Material. Betroffen waren auch Großkatzen in Zoos, sowie Hauskatzen.
|
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-
Erkrankung
(GSS)
|
Diese Variante wurde zum ersten Mal in Österreich 1936 beschrieben. Die Krankheit tritt vor allem familiär gehäuft auf und betrifft meistens Menschen im Alter von 35 bis 55 Jahren.
Sie wird autosomal dominant vererbt, wobei "autosomal" bedeutet, dass die Erbanlage nicht auf dem Geschlechtschromosom liegt und "dominant", dass ein Elternteil mit einem
schadhaften Chromosom die Krankheit vererben kann.
|
iatrogen
|
Durch medizinische Eingriffe verursacht
|
Kuru
|
Erstmals beobachtet wurde Kuru beim Fore-Volk in Neuguinea. Im Jahr 1957 wurde diese Krankheit erstmals beschrieben.
Aus rituellen Gründen wurden Teile des Körpers Verstorbener verzehrt; u.a. auch das Gehirn. (Dies wurde fälschlich auch
als Kannibalismus bezeichnet.) Das Wort Kuru stammt aus der Sprache der Eingeborenen und bedeutet Muskelzittern.
Nach dem Verbot des "Kannibalismus" 1957 ging die Anzahl der Fälle stark zurück. Einzelne Fälle (weniger als zehn
Neuerkrankungen pro Jahr) treten aufgrund der langen Inkubationszeit (5 bis 35 Jahre) immer noch auf.
|
Laparoskopie
|
Bauchspiegelung; Inspektion der Bauchhöhle mit ei-nem starren Spezialendoskop
|
Endoskopie
|
Ausleuchtung und Inspektion von Körperhohlräumen und Hohlorganen mit Hilfe eines Endoskops:
Als diagnostischer Eingriff mit der Möglichkeit zur Ent-nahme einer Gewebeprobe, sowie zur Durchführung kleinerer operativer Eingriffe.
|
Latenz
|
Verstecktheit, zeitweiliges Verborgensein z. B. von Krankheiten i. S. einer symptomfreien Zeit.
|
Prion
|
- Proteinmoleküle, die bestimmte degenerative Er-krankungen des ZNS verursachen
- Auslöser der Prionkrankheiten
- Sie bestehen aus einem zellkodierten Protein (PrP: Prion-Protein), welches konformationell und durch Punktmutation verändert ist. Sie sind
infektiös und können normales, zelluläre PrP in die pathologische Konfiguration überführen.
- Er ruft im infizierten Organismus keine Immunantwort hervor
- Sehr resistent gegen Hitze, UV- und gamma-Strahlen
- Unempfindlich gegen gängige Desinfektionsmittel
- Erregernachweis bisher nur in Tierversuchen
|
Prionkrankheiten
|
Subakute spongiforme Enzephalopathien - Erkrankun-gen des ZNS die sporadisch auftreten, ererbt oder übertragbar sind. Sie sind gekennzeichnet durch die
schwammige (spongiforme) Degeneration des Gehirns (ausgedehnter Nervenzellverlust) und durch langsam fortschreitenden, immer tödlichen Verlauf.
Folgende Krankheitsbilder kann man unterscheiden:
Bei Tieren:
BSE bei Rindern
Scrapie bei Schafen und Ziegen
TME bei Nerzen
Chronic wasting disease bei Hirschen
FSE bei Katzen
Beim Menschen:
Kuru
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS)
Fatale Familiäre Insomnie FFI (nicht therapierbare Schlaflosigkeit)
Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CJK)
|
Scrapie
|
Oder Traberkrankheit: TSE der Schafe und (seltener) der Ziegen. Sie ist in Europa seit über 200 Jahren bekannt und weltweit verbreitet. In Australien und Neuseeland konnte
sie mit radikalen Maßnahmen ausgerottet werden.
|
TME
|
Transmissible mink encephalopathie: TSE der Nerze.
Sie trat das erste Mal in den USA auf, 1965 folgte die wissenschaftliche Beschreibung der Krankheit. Da die Tiere mit Schlachtabfällen gefüttert wurden, schien Scrapie-verseuchtes
Futter die Infektionsquelle zu sein.
|
TSE
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Transmissible (übertragbare) spongiforme Enzephalopathie
|
vCJD
|
Neue Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit
vermutlich als Folge der BSE-Epidemie
|
ZNS
|
Zentrales Nervensystem
|
Literaturliste:
Andrew F. Hill et al: Species-barrier-independent prion replication in apparently resistant species
PNAS August 2000
Lancet 1996; 347: 921 - 25
Spiegel 1/2001
Verlorenes Vertrauen
Anmerkungen:
1 R. Heynckes: BSE-Fall von Brakel
www.heynckes.de/brakel.htm
2 Süddeutsche Zeitung Online:
Chronic einer Seuche Dez. 2000
3 Robert Koch Institut
Zusammenhänge zwischen menschlichen und tierischen übertragbaren spongiformen Enzephalopathien (Info 1/97)
4 Paul-Ehrlich Institut:
Übersichtsartikel zur BSE-Sicherheit von Blut und anderen Geweben
5 WHO:
Fact-sheet N° 180
6 Centers for Disease Control and Prevention (CDC)
Creutzfeld-Jakob-Disease in the United States, 1979 - 1994
BSE in the United Kingdom and Creutzfeld-Jakob-Krankheit in the United States
7 Universität Göttingen
Untersuchungen zur Epidemiologie, Frühdiagnose und molekularen Pathologie humaner spongiformer Enzephalopathien
8 WHO
Total Cases of Creutzfeld-Jakob-Disease ff.
9 Die Häufung von Todesfällen aufgrund der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit in Leicestershire
R. Heynckes, August 2000
www.heynckes.de/cluster.htm
10 BBC News Online
Montag, 17. Juli 2000
11 Brown,P.; Liberski,P.P.; Wolff,A.; Gajdusek,D.C. -
Resistance of scrapie infectivity to steam autoclaving after formaldehyde
fixation and limited
survival after ashing at 360 degrees C: practical and theoretical implications. -
Journal of Infectious Diseases 1990 Mar; 161(3): 467-72