Leipzig: Buchmesse unterm Balkenkreuz
Messeleitung läßt Ausstellerproteste gegen
Bundeswehr- Präsenz gewaltsam unterdrücken und
Verleger fesseln
Zu einer bislang für Buchmessen beispiellosen Aktion gegen
die Meinungsfreiheit kam es am Sonnabend in Leipzig: Mit
Polizeigewalt wurde eine Protestaktion von Verlegern,
Autoren, Buchhändlern und Messebesuchern gegen die große
Präsenz der Bundeswehr auf der Ausstellung abgewürgt. Der
Sprecher der Protestierenden, Dietmar Koschmieder (Verlag 8.
Mai), "bewaffnet" mit einem Megafon, wurde von mehreren
Polizeibeamten zu Boden geworfen, an Händen und Füßen
gefesselt und aus der Halle geschleppt. Feldjäger in Zivil und
Polizisten hinderten dabei Journalisten an der Ausübung ihres
Berufes. "Zu keinem Zeitpunkt haben die Organisatoren des
Protestes eine Eskalation beabsichtigt. Es ist völlig
unverständlich, warum die Messeleitung nicht wie im
vergangenen Jahr die Proteste als Bestandteil einer
demokratischen Kultur auf der Buchmesse akzeptieren
konnte", erklärte Eckart Spoo als einer der Initiatoren
gegenüber der 'jungen welt'.
Der Geschäftsführer und damit Hausherr der Leipziger Messe,
Josef Rahmen, übernahm die Verantwortung für den
Polizeieinsatz. Nach seiner Darstellung hat es sich um eine
"Protestaktion der jungen Welt" gehandelt, die "die Sicherheit
der Messebesucher in Halle 2 erheblich gefährdet" habe und
"deshalb abgebrochen werden" mußte. "Herr Koschmieder
ignorierte (...) die Aufforderung der Polizei, weshalb er zur
Feststellung der Personalien aus der Halle geführt wurde",
heißt es in einer Presseinformation der Leipziger Messe GmbH
vom Sonntag.
Allerdings ist Herr Rahmen durchaus bekannt, daß die
Einzeltäter-These nicht haltbar ist. Tatsache ist, daß unter den
Ausstellern der Buchmesse ein großer Unmut über die starke
Präsenz der Bundeswehr herrscht und sich dagegen seit zwei
Jahren der Protest formiert. Die zunehmende Militarisierung
der Gesellschaft spiegele sich auch in der Militarisierung der
Buchmesse, so die Initiatoren - schon vor dem Zwischenfall.
Die Bundeswehr ist einer der größten Einzelaussteller der
Messe - stellt allerdings kein einziges Buch aus, sondern
agitiert im Kinderbuchbereich unter dem Motto "Der Weg zum
Frieden führt über den Schulhof".
Die Absicht der Messeleitung, Proteste auf diese Weise
unterbinden zu können, muß allerdings als gescheitert
betrachtet werden. Zahlreiche Aussteller verurteilten am
Sonntag das Verhalten der Messeleitung und unterzeichneten
eine Protesterklärung.
Redaktion 'junge welt'