29.07.2004

Artikel

Erfolg für
CASTOR-DemonstrantInnen
vor Gericht

Urteil gegen Polizei-Willkür

Wer zur Anti-Atom-Kundgebung will, darf im Zweifel kontrolliert werden, aber Dauerkontrollen und Knast, bis die Kundgebung vorbei ist, sind rechtswidrig und ein "unerhörter" Eingriff in Grundrechte.

Fahrzeug- und Personenkontrollen von DemonstrantInnen durch die Polizei sind üblich. Das ist aus Sicht von CASTOR-GegnerInnen zwar ärgerlich und wird oft als Schikane empfunden, aber das Polizeirecht legitimiert die Beamten zu derartigen Maßnahmen. Wenn aber ein Bus gestoppt, die Identität der Reisenden zweifelsfrei festgestellt ist und das Gepäck durchsucht wurde, ohne daß etwas Auffälliges entdeckt wurde, müsste die Reise nicht in die Gefangenensammelstelle (GeSa) nach Neu Tramm, sondern zum Ort der Demonstration führen.

In einem solchen konkreten Fall, der jetzt vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg verhandelt wurde, ging es um Festnahmen vor der Auftakt-Demonstration am 10. November in Lüneburg anlässlich des 5. CASTOR-Transports nach Gorleben. Der Kläger, ein Mann aus Berlin, sei an der Wahrnehmung seines Grundrechts auf Versammlungsfreiheit gehindert worden, urteilte jetzt Verwaltungsrichter Malinowski (Aktenzeichen 3 A 116/02). Denn er kam am fraglichen Tag nicht an seinem Reiseziel an. Der Zweck der Fahrt, nämlich die Teilnahme an der Kundgebung, war gezielt verhindert worden.

Warum, das macht die detaillierte Schilderung der Ereignisse in der Darlegung des Tatbestands deutlich: Der Bus, in dem der Berliner saß, wurde schon auf der A 24 von Beamten der Autobahnpolizei Sachsen-Anhalt erstmals gestoppt und dann gegen 8.35 Uhr nach der Überquerung der Elbe bei Lauenburg auf einen Parkplatz geleitet, wo Einsatzkräfte der Polizei aus verschiedenen Bundesländern zwecks Durchsuchung bereit standen. Diese ersten unfreiwilligen Stops seien durch die Vorfeldarbeit des Verfassungsschutzes legitimiert gewesen, befand das VG Lüneburg: "Gewaltbereite Demonstranten" hatten die VerfassungsschützerInnen wie bei jedem CASTOR-Transport auf dem Weg ins Wendland in tendenziöser Vorberichterstattung vorhergesehen, derartige Kontrollen müssten folglich akzeptiert werden.

Die Verwaltungsrichter hielten - im Gegensatz zum Kläger - das polizeiliche Vorgehen in beschränktem Umfang für rechtskonform. Auch wenn bei der Durchsuchung des Gepäcks am Ende nichts herauskam und der Verdacht sich nicht erhärten ließ, denn die Businsassen waren - wie zu erwarten war - einfach nur DemonstrantInnen, müssten sie hinnehmen, einzeln gefilmt zu werden. Außerhalb des Busses wurden sie dann - gleich zweimal - von Polizisten aus verschiedenen Bundesländern durchsucht. Ferner wurden die Personalien der BusinsassInnen aufgenommen und Kurzberichte gefertigt. Statt nun zur Kundgebung weiter fahren zu können, wurden jedoch alle BerlinerInnen mit Polizeibussen zur GeSa Neu Tramm verbracht, die Durchsuchungen setzten sich fort, weitere Lichtbilder wurden gefertigt und gegen 16.00 Uhr wurde der Kläger wie auch die Mitreisenden aus dem Gewahrsam entlassen - da war die Kundgebung in Lüneburg bereits beendet.

Damit war das Maß für die Verwaltungsrichter dann allerdings voll: Der Zugang zu einer Demonstration dürfe nicht unzumutbar erschwert oder gar verhindert werden. Das Urteil unterstreicht den hohen Stellenwert von Grundrechten, zum Beispiel durch die aktive Teilnahme an der Meinungs- und Willensbildung in einem demokratischen Gemeinwesen. Die Polizei hätte durch organisatorische Vorkehrungen bei der Parkplatzkontrolle dafür sorgen müssen, daß einer der Weiterfahrt nach Lüneburg nichts entgegen steht. Vor allem der mehrstündige polizeiliche Gewahrsam in der Gefangenensammelstelle sei nicht zu rechtfertigen und unverhältnismäßig. So heißt es im Urteilstext wörtlich: "Es wird festgestellt, dass die zweite Identitätsfeststellung, die zweite und dritte Durchsuchung, die Anfertigung eines Lichtbildes vom dem Kläger und die Speicherung der Daten der im Bus gefertigten Filmaufnahmen, der Identitätsfeststellungen und des Lichtbildes rechtswidrig gewesen sind."

Flankiert wird dieses Urteil der Verwaltungsrichter noch durch Beschlüsse des Amtsgerichts Lüneburg vom 11.2.2003 (21 A XIV 7/02) und des Landgerichts Lüneburg vom 31.10.2003 (10 T 26/03), die die Ingewahrsamnahme in der Gefangenensammelstelle Neu Tramm als rechtswidrig eingestuft haben, allerdings ist eine Beschwerde der Bezirksregierung Lüneburg zur Zeit beim Oberlandesgericht Celle anhängig. "Es kristallisiert sich immer deutlicher heraus, daß die Polizei im Gegensatz zum Image, für Recht und Gesetz zu sorgen, bei der Durchsetzung von CASTOR-Transporten, rechtswidrig handelt und Grundrechte aushebelt", resümiert Wolfgang Ehmke, einer der Sprecher BI Umweltschutz Lüchow Dannenberg. "Ein politische Kontrolle des Polizeiverhaltens samt der skandalösen Demo-Verbote findet nicht mehr statt."

 

Ute Daniels

 

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