Zu den letzten CASTOR-Blockaden
So stark war der Widerstand gegen
Castor-Transporte nach Frankreich noch nie
Manche Zeitungen schreiben jetzt, der Widerstand hätte gegenüber
Gorleben deutlich abgenommen. Aber das ist der falsche Maßstab.
Daß sich in einer Region wie dem Wendland, die zur Atommüllkippe Deutschlands
werden soll, und in der es eine Widerstandstradition von einem
viertel Jahrhundert gibt, mehr Menschen wehren, als an AKW-
Standorten, an denen normalerweise nur sehr kleine BIs den
Betrieb der laufenden Anlagen kritisch begleiten, das ist doch
klar. Wesentliche Bezugsgröße zur Einschätzung der Proteste in
Grafenrheinfeld, Philippsburg und Hagenbach ist das, was bisher
zu WAA-Transporten gelaufen ist. Da gab es zwar immer wieder
kleinere und auch mal größere Aktionen, aber so flächendeckend
und öffentlichkeitswirksam wie diesmal war der Widerstand noch
nie. Also: ein voller Erfolg.
Aus der Bilanz-Presseerklärung von X-tausendmal quer: "In der
Vergangenheit sind die Atommüllfuhren ins Ausland oft unter
Ausschluß der Öffentlichkeit gerollt, diesmal hat die ganze
Republik mitbekommen, daß die deutschen Atomkraftwerke auf Kosten
von Leben und Gesundheit der Menschen rund um die
Wiederaufarbeitungsanlage La Hague betrieben werden. Es ist mehr
als deutlich geworden: Eine wirkliche Entsorgung der Reaktoren
gibt es nicht, sondern nur ein Verschieben des Atommülls quer
durch Europa. Unsere Forderung nach einer sofortigen Stillegung
der AKWs hat so neue Nahrung erhalten."
Schön war auch zu sehen, wie sich die unterschiedlichen
Organisationen, Initiativen und Aktionsgruppen der Anti-Atom-
Bewegung in ihren verschiedenen Handlungsansätzen sehr gut
ergänzten und zusammenarbeiteten. Nicht nur in Grafenrheinfeld
und Gochsheim in Bayern, Philippsburg in Baden-Württemberg und
Hagenbach in Rheinland-Pfalz wurde demonstriert.
Solidaritätsaktionen fanden in mindestens auch in Stade,
Gorleben, Essen und Göttingen statt. Insgesamt waren in den Tagen
von Sonntag bis Dienstag bundesweit 3.000 Menschen an Aktionen
gegen den Transport beteiligt. Wann hat es soetwas schon mal
gegeben?
Vielleicht sind manche traurig oder frustriert, daß es nicht
öfter gelungen ist, auf die Schienen zu kommen und den Zug zu
stoppen. Die Übermacht der Polizei z.B. in Philippsburg war ja
riesig. Aber glücklicherweise ist es ja dann in Hagenbach doch
noch gelungen, den Zug aufzuhalten. Bei aller Freude über eine
gelungene Blockade, sind diese Aktionen ja nicht Selbstzweck,
sondern sollen öffentlich deutlich machen, daß wir den
europäischen Atommülltourismus ablehnen. Und das wird auch
deutlich, wenn wir mit vielen vor Ort sind, aber die Polizei mit
noch mehr Leuten Aktionen verhindert. Wichtig ist, daß öffentlich
wahrnehmbar ist, daß der Streit um die Atomkraft weitergeht. Und
das ist die letzten Tage uneingeschränkt gelungen.
Daß sich angesichts der schon terminierten nächsten Transporte
auch in Süddeutschland irgendwann die Frage stellt, wie viel die
Polizei verkraften kann, ist bei diesmal 5.000 eingesetzten
BeamtInnen schon absehbar. Schließlich waren viele schon vor zwei
Wochen beim Gorleben-Transport im Einsatz und schon in zwei
Wochen soll der nächste Transport - diesmal aus Neckarwestheim
nach Sellafield rollen.
'X-tausendmal quer' wird auch nach Neckarwestheim mobilisieren.
Deshalb schon jetzt an alle LeserInnen die Bitte: überlegt, ob
Ihr im Zeitraum 22. bis 24. April Zeit habt, um Euch an den
Aktionen auf der Straßenstrecke Neckarwestheim- Walheim und dann
nochmal bei der Abfahrt des Castor-Zuges von der Umladestation
Walheim zu beteiligen.
Aus der Presseerklärung: "Wir werden wieder vor Ort sein und
erneut demonstrieren, denn wir wollen, daß der gefährliche und
sinnlose Atommüll-Tourismus quer durch Europa endlich aufhört.
Einzig verantwortbare Lösung ist dabei der Stopp der Atommüll-
Produktion. Der derzeitige politische Streit darüber, ob nun mehr
strahlender Abfall in Gorleben, an den AKW-Standorten oder im
Ausland gelagert werden soll, zeigt nur, wie ratlos die Politik
angesichts des stetig wachsenden Atommüllberges ist. Nicht wer
sich gegenseitig die Verantwortung und den Atommüll in die Schuhe
schiebt, erreicht etwas für die kommenden Generationen, sondern
nur, wer Atomkraftwerke wirklich stillegt, und zwar jetzt und
nicht erst in einigen Jahrzehnten."
Abschließend auch an dieser Stelle nochmals herzlichen Dank
allen, die vor Ort oder auch in Gedanken dabei waren, allen die
finanziell oder mit guten Ratschlägen etwas beigetragen haben und
allen, die sich in ihrem Umfeld darum bemühen, die Diskussion um
Atomkraft am Laufen zu halten. Gemeinsam sind wir auf einem guten
Weg...
Jochen Stay