Nach Einschätzung der CASTOR-Blockierer war der Polizeieinsatz unter Landespolizeipräsident Erwin Hetger
bemerkenswert. Im Gegensatz zu provokativen Gewalttätigkeiten und unbegründeten Knüppeleinsätzen bei anderen
CASTOR-Blockaden, agierte die Polizei nach überwiegender Einschätzung ohne unnötige Härten gegenüber den
ausnahmslos gewaltfreien Blockierern. Heidi Lindstedt, Pressesprecherin des Aktionsbündnisses Castor-
Widerstand Neckarwestheim, bescheinigte der Polizei einen
"verhältnismäßigen Einsatz", wobei sie jedoch gleichzeitig das zahlenmäßige Polizeiaufgebot von etlichen
Tausenden als "unverhältnismäßig" bezeichnete.
Der Reporter Michael Isenberg von den Stuttgarter Nachrichten beschreibt die CASTOR-Blockaden unter der
Überschrift "Fast wie eine x-beliebige Verkehrskontrolle" als "unspektakulär": "Wer einen heißen Tanz
erwartet hat, sieht sich getäuscht." Und weiter:
"Nach der dritten Aufforderung der Polizei, die
Straße zu räumen, geht es schnell. Zwei Beamte treten vor den
Blockierer hin, fassen ihn unter den Armen und tragen ihn
beiseite. Hände über den Kopf, Taschen ausleeren, Polaroidfoto.
Ruhig geht das vonstatten, mit >>Bitte<< und >>Danke<< und einem
weißen Din-A4-Formular: Bericht über Freiheitsentzug. >>Astreine
Behandlung hier<<, lobt der Demonstrant."
Manche Journalisten gehen über eine solche neutrale Betrachtung hinaus und bringen mit der Wortwahl
eine abschätzige Note in ihren Artikel hinein: "Mehr als eine harmlose Sitzblockade war freilich für die
Protestler nicht drin gestern Morgen." Als "Protestler" und "Störer" werden die AKW-Gegner in diesem
Artikel bezeichnet. Da stellt sich die Frage, ob diese Art von Journalisten wohl lieber Gewalt
gesehen hätten - diese würde sich zweifellos besser verkaufen...
Bemerkenswert ist auch der Umgang einiger Journalisten mit den Zahlen. Die (geringere) Zahl derer,
die in Gewahrsam genommen wurden wird genannt, die Gesamtzahl der anwesenden AKW-Gegner jedoch
verschwiegen - auch eine Methode, den Widerstand herunterzuspielen.
Andere wiederum manipulieren mit ihren Artikeln, indem sie lediglich erwähnen, der CASTOR-Konvoi
habe die ersten 5 Kilometer vom AKW Neckarwestheim zum Walheimer Dampfkraftwerk in der "Rekordzeit"
von 45 Minuten zurückgelegt, während sie übergehen, daß der Transport durch eine die Polizei völlig
überraschende Straßenblockade für mehrere Stunden verzögert wurde.
Es wird wiederholt die Zahl 1,5 Millionen genannt, die der Polizeieinsatz in D-Mark gekostet habe. In einem
Artikel wird erwähnt, daß Polizeichef Hetger bei Berücksichtigung der Personalkosten die dreifache Summe ansetze.
Auf welcher rechnerischen Grundlage auch immer wird der Betrag von 25.000 Mark präsentiert, die
jedeR einzelne DemonstrantIn den Staat gekostet habe. Auch so wird Stimmung gemacht, während
dieser fiktive Pro-Kopf-Betrag auch einmal andersherum aus der Perspektive der AKW-Gegner
betrachtet werden könnte. Nämlich als weit unzureichendes materielles Äquivalent für verantwortungs- bewußtes
Handeln - zukünftige Generationen könnten sich einmal als dankbar dafür erweisen, daß durch die
Aktivitäten der CASTOR-Blockierer Millionen und Abermillionen an Kosten für hunderttausende Jahre
lange Atommüll-Lagerung vermieden werden konnten, weil sie - vielleicht - einen rechtzeitigen
Atom-Ausstieg bewirkten....
Wenn manche Journalisten schreiben: "Die Atomkraftgegner hatten keine Chance", übersehen sie
völlig, daß diese ihr Hauptziel erreicht haben: Die CASTOR-Transporte werden so teuer, daß
sie nicht mehr tragbar sind und für die Polizei so arbeitszeit-intensiv, daß sie nicht oft wiederholt werden können.
Der Journalist Helmut Buchholz schreibt hierzu:
"Wer die Atommüllkarawane an sich vorbeiziehen sah, fühlte sich an
eine barocke Prozession erinnert - mit dem Excellox-Behälter als
Monstranz. Der Landespolizeipräsident mag auf diese >>Waffenschau<<
stolz sein und mit geschwellter Brust verkünden, dass der Staat
sein Ziel weitgehend erreicht hat, die Atomkraftgegner von der
Strecke fern zu halten. Die Selbstzufriedenheit ist nicht
angebracht.
Er müsste im gleichen Atemzug zugeben, dass auch die
Kernkraftgegner ihrem Ziel nahe sind: Die Atommülltransporte
unbezahlbar zu machen."
Und an anderer Stelle ist über Landespolizeipräsident Erwin Hetger zu lesen:
"Allerdings warnte er mit Blick auf einen ähnlichen Einsatz kurz vor
Ostern im badischen Philippsburg Politiker und
Kernkraftwerk-Betreiber. Mit der Sicherung der CASTOR-Transporte aus La Hague und in Philippsburg
sei eine Einsatzgröße erreicht worden, die die Polizei überfordere: >>In diesem engen Zeitfenster kann das nur
einmal gemacht werden.<<"
Klaus Schramm