26.04.2001

CASTOR-Transport aus Neckarwestheim:
Die Bilanz

Nach Einschätzung der CASTOR-Blockierer war der Polizeieinsatz unter Landespolizeipräsident Erwin Hetger bemerkenswert. Im Gegensatz zu provokativen Gewalttätigkeiten und unbegründeten Knüppeleinsätzen bei anderen CASTOR-Blockaden, agierte die Polizei nach überwiegender Einschätzung ohne unnötige Härten gegenüber den ausnahmslos gewaltfreien Blockierern. Heidi Lindstedt, Pressesprecherin des Aktionsbündnisses Castor- Widerstand Neckarwestheim, bescheinigte der Polizei einen "verhältnismäßigen Einsatz", wobei sie jedoch gleichzeitig das zahlenmäßige Polizeiaufgebot von etlichen Tausenden als "unverhältnismäßig" bezeichnete.

Der Reporter Michael Isenberg von den Stuttgarter Nachrichten beschreibt die CASTOR-Blockaden unter der Überschrift "Fast wie eine x-beliebige Verkehrskontrolle" als "unspektakulär": "Wer einen heißen Tanz erwartet hat, sieht sich getäuscht." Und weiter: "Nach der dritten Aufforderung der Polizei, die Straße zu räumen, geht es schnell. Zwei Beamte treten vor den Blockierer hin, fassen ihn unter den Armen und tragen ihn beiseite. Hände über den Kopf, Taschen ausleeren, Polaroidfoto. Ruhig geht das vonstatten, mit >>Bitte<< und >>Danke<< und einem weißen Din-A4-Formular: Bericht über Freiheitsentzug. >>Astreine Behandlung hier<<, lobt der Demonstrant."

Manche Journalisten gehen über eine solche neutrale Betrachtung hinaus und bringen mit der Wortwahl eine abschätzige Note in ihren Artikel hinein: "Mehr als eine harmlose Sitzblockade war freilich für die Protestler nicht drin gestern Morgen." Als "Protestler" und "Störer" werden die AKW-Gegner in diesem Artikel bezeichnet. Da stellt sich die Frage, ob diese Art von Journalisten wohl lieber Gewalt gesehen hätten - diese würde sich zweifellos besser verkaufen...

Bemerkenswert ist auch der Umgang einiger Journalisten mit den Zahlen. Die (geringere) Zahl derer, die in Gewahrsam genommen wurden wird genannt, die Gesamtzahl der anwesenden AKW-Gegner jedoch verschwiegen - auch eine Methode, den Widerstand herunterzuspielen.
Andere wiederum manipulieren mit ihren Artikeln, indem sie lediglich erwähnen, der CASTOR-Konvoi habe die ersten 5 Kilometer vom AKW Neckarwestheim zum Walheimer Dampfkraftwerk in der "Rekordzeit" von 45 Minuten zurückgelegt, während sie übergehen, daß der Transport durch eine die Polizei völlig überraschende Straßenblockade für mehrere Stunden verzögert wurde.
Es wird wiederholt die Zahl 1,5 Millionen genannt, die der Polizeieinsatz in D-Mark gekostet habe. In einem Artikel wird erwähnt, daß Polizeichef Hetger bei Berücksichtigung der Personalkosten die dreifache Summe ansetze.

Auf welcher rechnerischen Grundlage auch immer wird der Betrag von 25.000 Mark präsentiert, die jedeR einzelne DemonstrantIn den Staat gekostet habe. Auch so wird Stimmung gemacht, während dieser fiktive Pro-Kopf-Betrag auch einmal andersherum aus der Perspektive der AKW-Gegner betrachtet werden könnte. Nämlich als weit unzureichendes materielles Äquivalent für verantwortungs- bewußtes Handeln - zukünftige Generationen könnten sich einmal als dankbar dafür erweisen, daß durch die Aktivitäten der CASTOR-Blockierer Millionen und Abermillionen an Kosten für hunderttausende Jahre lange Atommüll-Lagerung vermieden werden konnten, weil sie - vielleicht - einen rechtzeitigen Atom-Ausstieg bewirkten....

Wenn manche Journalisten schreiben: "Die Atomkraftgegner hatten keine Chance", übersehen sie völlig, daß diese ihr Hauptziel erreicht haben: Die CASTOR-Transporte werden so teuer, daß sie nicht mehr tragbar sind und für die Polizei so arbeitszeit-intensiv, daß sie nicht oft wiederholt werden können.
Der Journalist Helmut Buchholz schreibt hierzu:
"Wer die Atommüllkarawane an sich vorbeiziehen sah, fühlte sich an eine barocke Prozession erinnert - mit dem Excellox-Behälter als Monstranz. Der Landespolizeipräsident mag auf diese >>Waffenschau<< stolz sein und mit geschwellter Brust verkünden, dass der Staat sein Ziel weitgehend erreicht hat, die Atomkraftgegner von der Strecke fern zu halten. Die Selbstzufriedenheit ist nicht angebracht.

Er müsste im gleichen Atemzug zugeben, dass auch die Kernkraftgegner ihrem Ziel nahe sind: Die Atommülltransporte unbezahlbar zu machen."

Und an anderer Stelle ist über Landespolizeipräsident Erwin Hetger zu lesen:
"Allerdings warnte er mit Blick auf einen ähnlichen Einsatz kurz vor Ostern im badischen Philippsburg Politiker und Kernkraftwerk-Betreiber. Mit der Sicherung der CASTOR-Transporte aus La Hague und in Philippsburg sei eine Einsatzgröße erreicht worden, die die Polizei überfordere: >>In diesem engen Zeitfenster kann das nur einmal gemacht werden.<<"

 

Klaus Schramm

 

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