Redebeitrag auf der Kundgebung des Hamburger Forums zum 2. Jahrestag des
Beginns des NATO-Angriffs auf Jugoslawien am 24.3.2001
Uranmunition und CASTOR - zur Vertuschung der Gesundheitsgefährdung durch
Niedrig- und Hintergrund- strahlung
Mein Name ist Ralf Cüppers. Ich bin Arzt und aktiv in der Deutschen
Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienst- gegnerInnen. Mein Thema zu
dieser Kundgebung ist die Gesundheitsgefährdung durch Uranmunition, die
die NATO im Krieg gegen Jugoslawien angewendet hat. In einem Redebeitrag
kann ich nicht alle die medizinischen Fakten nennen, die könnt Ihr in
der Broschüre nachlesen, von denen wir hier auch Exemplare mitgebracht
haben. Ich konzentriere mich hier auf die Argumentationslinien, die erst
nach Veröffentlichung der Fakten über die Gesundheitsgefährdung eine
Rolle spielten, nämlich wie mit halben Wahrheiten und ganzen Lügen
Minister Scharping und bezahlte Journalisten, die Gesundheitsgefährdung
durch Uranvergiftung zu bagatellisieren versuchen. Die stehen in dieser
Auflage der Urangeschosse-Broschüre noch nicht drin, kommen aber in die
nächste mit rein. In der Zeitung die Welt konnte man z.B. lesen:
"Im Kriegseinsatz können Soldaten durchaus auch mit anderen toxischen
Substanzen in Berührung kommen - zum Beispiel mit Lösungsmitteln wie
Benzol."
Diese Aussage ist sicherlich wahr. Aber sie wurde hier benutzt in der
Absicht, die Gesundheitsgefährdung durch Uranmunition kleinzureden. Wir
sollen denken: wenn es auch andere toxische Substanzen gibt, kommt es da
auf eine mehr oder weniger an? Benzol ist den meisten Menschen bekannt.
Hingegen ist Uranmunition ein Stoff, mit denen Menschen normalerweise
nicht in Kontakt kommen. Richtig ist die Aussage deshalb nur in
folgendem Zusammenhang, der aber in der "Welt" nicht genannt wurde:
Im Kriegseinsatz kommen Soldaten mit vielen toxischen und tödlichen
Substanzen in Berührung, an denen sie auch massenhaft sterben. Auch die
Zivilbevölkerung stirbt daran: Benzol, Uranmunition, chemische
Vernichtungsmittel wie das von den Amerikanern im Vietnamkrieg
eingesetzte dioxinhaltige "Agent Orange", Bleiprojektile aus
Maschinengewehren, Landminen, Atombomben von Hiroshima und Nagasaki.
Weil das alles bekannt ist, gehören die Mittel der Kriegführung - hier
bei uns ist das die Bundeswehr - geächtet und abgeschafft, Soldaten als
Mörder geächtet und ins Zivilleben resozialisiert, die Politiker aller
kriegführenden Staaten - nicht nur die der Serben sondern jetzt vor
allem auch die der NATO - als Kriegsverbrecher verurteilt. Der Einsatz
von Uranmunition ist ein Kriegsverbrechen, daß aufgrund der
langfristigen Verseuchung als außergewöhnlich schweres Kriegs- verbrechen
verurteilt werden muß.
Um die Folgen der Uranmunition zu vertuschen, werden unterschiedliche
Strahlungsarten verglichen, ohne darauf hinzuweisen, daß Uran als
Alpha-Strahler bei gleicher Dosis eine zwanzigfach höhere biologische
Schädlichkeit hat, als Gamma-Strahlen. Obwohl Uran ein Alpha-Strahler
ist, wird eine Meßmethode angewendet, die für Gamma-Strahlen gemacht
ist. Da wird die Strahlung aus 1 m Entfernung gemessen, obwohl die
Alpha-Strahlung in Luft wenige cm und in Knochengewebe etwa 1 mm weit
reicht. So eine kurze Reichweite darf uns keinesfalls beruhigen: Da wir
das Uran als Aerosol in unseren Körper aufnehmen und es dort weiter
strahlt, reicht die kurze Reichweite aus, um Immunschwäche oder Krebs
auszulösen. Obwohl Uran schwer wasserlöslich ist, deshalb in den Knochen
eingelagert bleibt und nur sehr schwer ausgeschwemmt werden kann, wurde
bei den Reihenuntersuchungen der Soldaten die Urankonzentration im Urin
gemessen.
Da kann man sich wundern, daß mit diesen Methoden überhaupt eine erhöhte
Radioaktivität festgestellt wurde. Mit Hinweis auf die sogenannte
„natürliche“ Hintergrund- strahlung, der wir alle ausgesetzt sind, wurde
dennoch behauptet, daß eine statistisch meßbare Erhöhung der Gefährdung
nicht vorläge.
Diese Hintergrundstrahlung ist seit den 50er Jahren durch die von
Menschen verursachte Freisetzung von zusätzlichen Strahlungsquellen etwa
um ein Drittel stetig angestiegen. Die Menschen haben das Uran durch den
Bergbau aus dem Gestein heraus und in unseren Lebensraum hineingeholt.
Der atomare Fallout der in den fünfziger und sechziger Jahren
durchgeführten überirdischen Atomwaffentests trägt noch heute mit etwa 8
% zu unserer Gesamtstrahlenbelastung bei. Alle Strahlung, die sich durch
Wind und Wetter so verteilt hat, daß sie nicht mehr eindeutig zuzuordnen
ist, wird zur Hintergrundstrahlung, nach 15 Jahren ist auch
„Tschernobyl“ dabei. Radioaktives Radongas, Zerfallsprodukt des Urans,
ist neben dem Passivrauchen häufigster Grund, weshalb auch Nichtraucher
Lungenkrebs bekommen können (mit einer Häufigkeit von 1:20000). Zum
Zwecke der Bagatellisierung wurde zitiert, daß die Anzahl der zu
erwartenden Todesfälle durch Uranmunition „nur“ halb so groß sei. In
ganzen Zahlen wären das etwa je 50 Menschen in Hamburg und im Kosovo.
Dies ist eine Schätzung für Lungenkrebstote, die Schätzungen für
Leukämie, Knochenkrebs, Immunschwäche und vor allem die durch Uran
verursachte toxische Schwermetallvergiftung mit Leber und Nierenversagen
(nach dem Erstbeschreiber: Morbus Günther) liegen jeweils höher.
Wir können uns nicht darauf verlassen, daß das verschossene Uranoxid im
Irak, Bosnien oder Kosovo bleibt. Uranpartikel von nur 2,5 mm Größe
werden über den ganzen Erdball verteilt. Wenn man nur lang genug wartet,
wird man mangels unbelasteter Vergleichsgruppen keinerlei statistische
Häufungen feststellen können.
In der Friedensbewegung standen Atomwaffen lange im Mittelpunkt des
Protestes. Nie wieder Hiroshima. Die Hiroshimabombe hatte ein
Gesamtgewicht von 4 bis 4,5 Tonnen. Darin waren aber „nur“ 60 kg Uran
enthalten. Die Gesamtmenge der Materie, die radioaktive Strahlung
aussenden kann, war um ein 140faches geringer als die Gesamtmenge des
abgereicherten Urans, das nach Angaben der NATO in 31.000 Geschossen im
Kosovo abgeschossen wurde: achteinhalb bis zehn Tonnen Uran. Während der
größte Teil der Radioaktivität der Hiroshimabombe mit der
Kernspaltungsreaktion auf einen Schlag ausgestrahlt wurde, verteilt sich
das bei Uran 238 über eine Halbwertszeit von etwa 4,5 Milliarden Jahre.
Gero von Randow hatte in der „Zeit“ das abgereicherte Uran „weitaus
harmloser“ als das natürlich vorkommende Uran genannt. Aus dem
prozentualen Gehalt an Uran 238 und Uran 235 und aus deren spezifischer
Aktivität (U238: 12450 Bq/g und für U 235: 80010 Bq/g) können wir leicht
nachrechnen: Die Radioaktivität des abgereicherten Urans beträgt demnach
97,4% der gleichen Menge des natürlichen Urans. Ob diese Reduzierung um
nur 2,6% die Bewertung „weitaus harmloser“ rechtfertigt, darf bezweifelt
werden.
In der Uranmunition hatte das Schweizer AC-Institut auch Uran 236
gefunden, das nicht natürlich vorkommt. Es entsteht erst nach der
Verwendung eines atomaren Brennelementes in einem Atomkraftwerk.
Folglich handelt es sich bei dem Ausgangsprodukt entweder um abgebrannte
Brennelemente, wie sie in einer atomaren Wiederaufarbeitungsanlage (La
Hague oder Windscale/Sellafield) erneut verwertet werden, oder um
Abfälle bei der Herstellung atomarer Sprengköpfe. Hier bleibt als
Atommüll ein abgereichertes Uran übrig, das eben auch das nicht
natürlich vorkommende Isotop Uran 236 enthält.
Es gibt folglich zweierlei Sorten von abgereichertem Uran,
- zum einen, das aus der primären Brennelemente- produktion,
- zum anderen, das aus Wiederaufarbeitungsanlagen oder
Atomsprengkopffabriken.
Wenn bei letzterem das Ausgangsprodukt aus abgebrannten Brennelementen
besteht, so müssen diese folglich auch Plutonium enthalten, was
ebenfalls im Atomreaktor entsteht. Dieses Plutonium ist folglich auch in
dem abgereicherten Uran enthalten.
Plutonium ist pro Mengeneinheit etwa eine Million mal schädlicher, als
die selbe Menge Uran! Das heißt: selbst wenn die Verunreinigung des
Urangeschosses mit Plutonium nur ein Millionstel der Masse ausmacht, so
ist die radioaktive und toxische biologisch schädliche Wirkung
verdoppelt, bei einem Zehntausendstel verhundertfacht u.s.w.
Wundert sich jetzt noch jemand darüber, weshalb die Leukämiefälle bei
auf dem Balkan eingesetzten Soldaten (und Polizisten) schon nach so
kurzer Zeit offensichtlich werden?
Da der Staub aus den Urangeschossen durch Wind und Wetter im Laufe der
Zeit nicht nur über den gesamten Balkan, sondern über ganz Europa und
die ganze Welt mehr oder weniger gleichmäßig verteilt werden wird,
werden künftige Leukämiefälle statistisch verteilt überall auf der Welt
vorkommen. Die NATO kann dann nach genügend langer Schamfrist behaupten,
daß es ja auch anderswo vermehrt Leukämie gibt und nicht nur auf dem
Balkan oder im Irak. Sie braucht dabei noch nicht einmal zu lügen.
Atommüll, der mit Beihilfe von Minister Scharping als Uranmunition
„entsorgt“ wurde, ist nur eine von mehreren unnötigen
Strahlen- belastungen, denen wir ausgesetzt sind, Atommüll, den Minister
Trittin in Castor-Behältern durch die Lande fahren läßt, eine andere,
und beide Ausdruck einer Politik, die den Tod von Menschen akzeptiert.
Ich wünsche deshalb der jetzt zeitgleich in Lüneburg stattfindenden
Demonstration gegen die Castor-Transporte viel Kraft und Erfolg.
Für diese Politik ist die Bundesregierung verantwortlich.
Um die aktuelle Diskussion um die Urangeschosse zu bagatellisieren, wird
jetzt zugegeben, daß seit mehr als zwanzig Jahren (also sowohl unter der
sozialliberalen, der Kohl- oder der Rot-Grün-Regierung gleichermaßen)
auch auf Truppenübungsplätzen in Deutschland Uranmunition verschossen
wurde. Dies wurde erfolgreich geheim gehalten, war vor 20 Jahren in der
Friedensbewegung kein Thema und ist bis heute nicht voll bekannt. Nach
dem Absturz eines Kriegsflugzeuges über Remscheid kam heraus, daß dabei
Uran freigesetzt worden ist, bei vielen anderen Abstürzen wurde nicht
untersucht.
Nach Presseberichten eines Hamburger Friedensforschers, Götz Neuneck,
stammt die Technologie für die panzer- brechenden Uranprojektile aus
Deutschland. Der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern besitzt auch die
Lizenz für die amerikanische Kanonenfertigung. Nicht nur die
US-amerikanische Militärführung, Konzernchefs und Politiker sind
verantwortlich, sondern auch die deutschen. Auch die „rot-grüne“ Politik
ist Kriegspolitik. Sie hat den völkerrechts- widrigen Angriffskrieg der
NATO auf Jugoslawien aktiv unterstützt einschließlich des Einsatzes von
Uranmunition. Der Aufenthalt im Kosovo ist seit der Uranvergiftung mit
erhöhter Gesundheitsgefahr verbunden, auch jetzt, zwei Jahre danach,
(Halbwertszeit 4,5 Milliarden Jahre!). Trotzdem schiebt die
Bundesrepublik Menschen dorthin ab!
Militär vernichtet Leben - überall und in jedem Krieg. Ein Staat, der
Militär unterhält, hat dieses grundsätzlich akzeptiert. Von einem Staat,
der Militär akzeptiert, zu verlangen, daß er nur auf bestimmte, die
gefährlichsten oder effektivsten Waffen verzichtet, würde seiner Logik
widersprechen: wenn man Militär einsetzt, will man schließlich um jeden
Preis gewinnen. Folglich kommt es darauf an, zu verhindern, daß Militär
überhaupt zum Einsatz vorhanden ist. Dazu muß man die Bundeswehr
abschaffen. Die Bereitschaft zu allgemeiner und vollständiger Abrüstung
erreichen wir nur durch massiven gewaltfreien politischen Druck aus der
Bevölkerung.
Da wir hier am Gerhart Hauptmann Platz stehen, schließe ich mit einer
Erkenntnis dieses Dichters von vor 111 Jahren („vor Sonnenaufgang“
1889):
Es ist verkehrt, den Mord im Frieden zu bestrafen und den Mord im Kriege
zu belohnen. Es ist verkehrt, den Henker zu verachten und dabei selbst,
wie es die Soldaten tun, mit einem Menschenabschlachtungsinstrument, wie
es der Degen oder der Säbel ist, stolz herumzulaufen. Den Henker, der
dies mit dem Beile täte, würde man zweifelsohne steinigen. Verkehrt ist
es, die Religion Christi als Staatsreligion zu haben und dabei ganze
Völker zu vollendeten Menschenschlächtern heranzubilden.
Dr. med. Ralf Cüppers