22.05.2005

Fauler Zauber
- Eine Chronologie...

..."rot-grüner" Koalitionen und nicht gehaltener Versprechen

12. Dezember 1985

Erste "rot-grüne" Koalition in Hessen

Am 12. Dezember 1985 wurde Joseph Fischer, seit 1982 Mitglied der Grünen, als "Umweltminister" unter Ministerpräsident Holger "Dachlatten"-Börner vereidigt. Im Januar 1998 prahlte Fischer in der TV-Runde bei Sabine Christiansen, er habe als hessischer Umweltminister gegen die Atommafia gekämpft und: "Ich habe eine Koalition in Hessen beendet."

Schon im Juni 1984 waren die hessischen Grünen - bereits von Fischers "Spontis" dominiert - ein Tolerierungsbündnis mit der SPD eingegangen und hatten dafür entgegen Landes- und Bundes-Parteiprogramm den weiteren Betrieb des AKW Biblis in Kauf genommen. Millionen Mark flossen in "Sponti"-Projekte. Exakt entsprechend dem im Jahr 2000 als "Atom-Ausstieg" propagierten Vertrag mit den Atomkraftwerksbetreibern wurde lediglich ein Verzicht auf den Bau weiterer AKW vereinbart. Immerhin sollte auf die geplante Erweiterung der Nuklear-Fabriken Alkem und Nukem in Hanau laut Tolerierungs-Vertrag verzichtet werden. Doch bereits im November 1984 kündigte der hessische Wirtschaftsminister an, daß er den Ausbau von Nukem genehmigen werde. Fischer war gezwungen, die "rot-grüne" Tolerierung platzen zu lassen.

Doch bereits in die anstehenden hessischen Neuwahlen zogen Fischers "Spontis" mit der Forderung nach einer "rot-grünen" Koalition. Am 12. Dezember 1985 wurde Fischer erneut als Minister vereidigt. Am 26. April 1986 kommt es im AKW Tschernobyl zum Super-GAU. Börner hält unbeirrt am Atomkurs fest. Fischer unterwirft sich. Auf einer Bundesversammlung der Grünen im Mai wird Fischer die Zusage abgerungen, die Koalition mit Börner bis zum Jahresende aufzukündigen, wenn bis dahin nicht alle Atomanlagen in Hessen stillgelegt sind. Zwischenzeitlich hatte Fischer seinen ersten Skandal als "Umweltminister" produziert, indem er der Hoechst AG die Lieferung von Giftmüll in die DDR-Giftmülldeponie Schönberg genehmigte.

Im Oktober 1986 begann die Staatsanwaltschaft Hanau gegen die Nuklear-Fabriken Alkem und Nukem zu ermitteln. Sie erhob Anklage gegen die drei wichtigsten Atombeamten im Wirtschaftsministerium sowie gegen den Geschäftsführer von Alkem. "Umweltminister" Fischer drohten Ermittlungen "wegen Beihilfe zum illegalen Betrieb einer atomtechnischen Anlage durch Unterlassen". Das Bundesimmissionsschutzgesetz hätte Fischer eine Handhabe gegeben, die gefährlichen Plutonium-Fabriken in Hanau zu schließen.

Selbstverständlich blieb Fischer Ende 1986 im Amt und dachte nicht daran, Börner zumindest mit dem Bruch der Koalition zu drohen. Er blieb auch im Amt als entgegen der Koalitions-Vereinbarung der Nuklear-Fabrik Alkem von der "rot-grünen" hessischen Landesregierung eine nachträgliche Betriebserlaubnis für weitere zehn Jahre erteilt wurde.

Stattdessen verpulverte der hessische "Umweltminister" Gelder für Gutachten, mit denen er zuvor unabhängige Institute von Umwelt-WissenschaftlerInnen in die finanzielle Abhängigkeit von Staatsaufträgen brachte. Mit einem dieser Gutachten hatte er jedoch Pech: Es bewies, daß die Hanauer Atomanlagen illegal betrieben wurden und daß Fischer als Minister sehr wohl sein Einvernehmen gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz hätte verweigern können. Auch das Gewerberecht hätte ihm eine Handhabe gegeben. Selbst eine von der SPD in Auftrag gegebene Expertise kam später zum gleichen Ergebnis.

Auf einer Landesversammlung der hessischen Grünen am 8. Februar 1987 kam Fischer wegen des von ihm ignorierten Partei-Beschlusses und wegen der neuen Informationen zu Alkem unter erheblichen Druck. Er verkündete theatralisch, dies sei sein "letzter Rechenschaftsbericht als Minister", falls die SPD bei ihrer Alkem-Entscheidung bleibe.

Bereits am darauffolgenden Tag, dem 9. Februar 1987, entließ der hessische Ministerpräsident Börner überraschend seinen "Umweltminister". Börner beendete die erste "rot-grüne" Koalition - nicht Fischer. Noch heute heißt es in pseudo-historischen Rückblicken in etlichen Mainstream-Medien, die Koalition sei "am Streit über die Atompolitik" zerbrochen. Tatsächlich hatte Börner in keinem einzigen Punkt reale Zugeständnisse machen müssen und nur auf einen Vorwand gewartet, da er darauf spekulierte, bei Neuwahlen die absolute Mehrheit für die SPD zurück zu gewinnen.

 

März 1989

Erst im März 1989 kommt es zur nächsten "rot-grünen" Koalition in einem Bundesland: Die Berliner 'Alternative Liste' bildet einen gemeinsamen Senat mit der SPD. 1990 ist die Koalition wegen umstrittener Einsätze gegen HausbesetzerInnen am Ende.

 

Juni 1990

Der neue niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder koaliert mit den "Grünen". Jürgen Trittin darf den "Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten" mimen. In der Atompolitik wurde außer der Ankündigung eines Atom-Ausstiegs in Niedersachsen real nichts erreicht.

"Ausgerechnet im rot-grün regierten Niedersachsen werden Großprojekte genehmigt, denen man eigentlich höchstens noch im Freistaat Bayern eine Cance geben möchte", schrieb die 'Süddeutsche Zeitung'. Für die in Papenburg angesiedelte Meyer-Werft setzt Schröder gegen protestierende Umweltverbände eine Vertiefung der Ems durch. Vierzig Kilometer von der Küste entfernt können so im größten Trockendock der Welt Kreuzfahrtschiffe gebaut werden. Für Mercedes wird eine umstrittene Teststrecke im Emsland genehmigt.

Noch mehr Aufsehen erregt die Verlegung einer Erdgaspipeline von Norwegen an die niedersächsische Küste. Umweltverbände laufen Sturm. Die Pipeline wird über 2,5 Kilometer durch das Wattenmeer verlegt, einen Küstenabschnitt, der erst 1986 zum besonders schützenswerten Nationalpark erklärt worden war. Immerhin wurden 2.200 LehrerInnen neu eingestellt. Waltraut Schoppe als Frauenministerin darf einige Millionen Mark für Frauenbeauftragte und ein Existenzgründerinnen-Programm ausgeben.

Als die SPD 1994 allein eine knappe Mehrheit gewinnt, verzichtet Schröder auf den "grünen" Partner. Etliche der Programme aus der ersten Amtszeit Schröders werden wegen "leerer Kassen" rückgängig gemacht. Während seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident, seiner "Reifeprüfung" (Buchtitel Gerhard Schröders von 1993), wird so manches rückgängig gemacht: Hatte sich Schröder noch kurz zuvor gegen den Bau des neuen NATO-Kampfflugzeuges - damals noch: "Jäger 90", später umbenannt in: "Eurofighter" - ausgesprochen, warb er plötzlich dafür, daß dieses Flugzeug zumindest in Teilen in Niedersachsen gebaut würde.

Für großen Wirbel sorgte auch Schröders Vorstoß, auf den norddeutschen Werften den Bau von U-Booten für Taiwan zuzulassen. Schröder verstieß damit gegen Parteitagsbeschlüsse der SPD und der "Grünen" als auch gegen Kabinettsabsprachen. Auch im Falle der DASA (Deutsche Aerospace AG) betätigte sich Schröder als industriefreundlicher Politiker.

Gekürzt werden mußte dann bei den Personalausgaben. Hatte Schröder zunächst 9000 neue Stellen für LehrerInnen, PolizistInnen und Verwaltungsbeamten geschaffen, beschloß er - per Richtlinienkompetenz und ohne Absprache mit dem Kabinett - bis 1998 8000 Stellen zu streichen.

Um die in den Landeshaushalt gerissenen Löcher zu stopfen, begann die Schröder-Regierung, niedersächsisches Tafelsilber zu verkaufen. So wurden die Harzwasserwerke für etwa 220 Millionen Mark verscherbelt. Durch den Verkauf der Öffentlichen Versicherungen Braunschweig und Oldenburg kamen 136 Millionen Mark in die Kassen und die Toto-Lotto-Gesellschaft brachte 398 Millonen Mark ein. Aus dem Verkauf von Liegenschaften flossen noch einmal 76 Millionen Mark in die Landeskasse.

Als das alles noch nicht reichte, ging Schröder daran, im Sozialbereich zu kürzen: Beim Neubau von Kindergärten, Krankenhäusern und Sozialwohnungen. Drastisch wurde auch ein einem Bereich gekürzt, den Schröder einmal als zentrales Anliegen seiner Politik bezeichnet hatte: bei der Bildung. So wurde die Lehrmittelfreiheit verfassungswidrig reduziert und auch die Arbeitsbedingungen für LehrerInnen durch ein ganzes Bündel an Maßnahmen verschlechtert. Zu jener Zeit flog Schröder, der mit dem VW-Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch als Ministerpräsident bereits zusammen im VW-Aufsichtsrat saß, mit diesem und Ehefrau Hiltrud zusammen im Firmenjet zum Opernball nach Wien. Erst als es wegen der 25.000 Mark teueren Loge zu einem Eklat kam, erklärte Schröder, alle Kosten (inklusive Eintritt) selbst zu zahlen.

Wer also bei der Bundestagswahl 1998 Gerhard Schröder mit dem Stimmzettel zur Kanzlerschaft verhalf, hätte nach dessen niedersächsischer "Reifeprüfung" wissen können, was kommen würde.

 

Ab Juni 1991

Acht Jahre dauert die Neuauflage der hessischen "rot-grünen" Koalition unter Hans Eichel. 1995 wird dort erstmals eine "rot-grüne" Koalition bei Landtagswahlen bestätigt. 1999 muß sie einer CDU/FDP-Regierung weichen.

 

Dezember 1991

Eine "Ampel-Koalition" von SPD, "Grünen" und FDP tritt in Bremen an. Ralf Fücks, früherer KBW-Kunktionär, heute langjähriger Chef der grünnahen 'Heinrich-Böll-Stiftung', hilft bei der Durchsetzung von Sozialabbau. Im Frühjahr 1995 bedeutet der Eklat um ein Vogelschutz-Gebiet ("Piepmatzaffäre") das Ende dieses ungewöhnlichen Bündnisses. Seither wird Bremen von einer großen Koalition reagiert.

 

Juli 1994

In Sachsen-Anhalt bildet Reinhard Höppner (SPD) eine Minderheitsregierung mit den "Grünen", die von der PDS toleriert wird. Trotz "Dauerstreits" über die Wirtschaftspolitik hält das "Magdeburger Modell" vier Jahre - danach kommt eine SPD-Alleinregierung mit PDS-Unterstützung.

 

Juli 1995

Nach dem Verlust der absoluten SPD-Mehrheit kommt unter Johannes Rau in NRW ein "rot-grünes" Bündnis zu Stande. Wolfgang Clement (SPD) veranstaltet bereits als Wirtschaftsminister und danach als Rau-Nachfolger (1998-2002) heftige Schaukämpfe mit den "Grünen" über Verkehr und Braunkohle. Mit Zustimmung der "Grünen" und deren "Umwelt"-Ministerin Bärbel Höhn (1995 - 2005) werden bei Garzweiler trotz massiven Widerstands von Bürgerinistitiven riesige Flächen für den Braunkohleabbau in Mondlandschaften verwandelt.

Bereits 2003 steht die "rot-grüne" NRW-Regierung unter Peer Steinbrück knapp vor dem Aus.

 

Mai 1996

In Schleswig-Holstein gehen die erstmals in den Landtag gewählten "Grünen" mit der SPD unter Heide Simonis ein Bündnis ein. Es behauptet sich bei der Wahl 2000, scheitert aber 2005. Simonis hatte mit aller Kraft die Aufklärung der erhöhten Leukämie-Rate in der Elbmarsch behindert. Eine von der Landesregierung beauftragte Arbeitsgruppe von WissenschaftlerInnen war unter Protest zurückgetreten.

 

November 1997

Die Hamburger "Grünen" (GAL) machen zu Beginn der Koalition erhebliche Zugeständnisse bei Industrieprojekten. 2001 muß "Rot-Grün" einem "schwarz-braunen" Bündnis Platz machen.

 

Oktober 1998

Machtwechsel im Bund mit Gerhard Schröder als Kanzler und Joseph Fischer als Vizekanzler und Außenminister.1

 

Februar 1999

Mit der Landtagswahl in Hessen verliert "Rot-Grün" die Mehrheit im Bundesrat.

 

März 1999

Kosovo-Krieg

"Rot-Grün" sendet als erste Nachkriegsregierung deutsche Soldaten in einen bewaffneten Konflikt.

 

Januar 2000

Mit dem "Atom-Ausstieg" gibt "Rot-Grün" eine Bestandsgarantie für den Weiterbetrieb der aktuell 19 deutschen Atomkraftwerke für eine durchschnittliche Laufzeit von über 35 Jahren.

 

Juni 2001

Nach dem Bruch der großen Koalition in Berlin wird Klaus Wowereit (SPD) Chef eines "rot-grünen" Minderheitssenats, der ein halbes Jahr von der PDS geduldet wird. Im Januar 2002 wird diese durch eine Koalition von SPD und PDS abgelöst.

 

August 2001

Das Gesetz über die "Homo-Ehe" tritt bundesweit in Kraft.

 

Oktober 2001

Beteiligung der "rot-grünen" Bundesregierung am Afghanistan-Krieg

 

November 2001

Ein "Grünen"-Parteitag in Rostock verhindert mit seinem Ja zum "Bundeswehreinsatz im Anti-Terror-Kampf" ein Scheitern der Koalition.

 

September 2002

"Rot-Grün" behauptet sich knapp bei der Bundestagswahl, nachdem Schröder verspricht, eine Teilnahme der Bundeswehr am Irak-Krieg abzulehnen. Die von den USA geforderte logistische Unterstützung wird dann aber dennoch verdeckt von "Rot-Grün" bewilligt.

 

März 2003

Mit der "Agenda 2010" kündigt Schröder eine Beschleunigung des Sozialabbaus an. Schröder gibt den Parteivorsitz ab. Die "Roten" verlieren seitdem bei allen größeren Wahlen Stimmen. Die "Grünen" bleiben unbehelligt.

 

Mai 2004

"Rot-Grün" unterliegt bei der Wahl des Bundespräsidenten: Die Opposition setzt den vormaligen Staatssekretär unter Kanzler Helmut Kohl und zeitweiligen IWF-Präsidenten Horst Köhler als Rau-Nachfolger durch.

 

Januar 2005

Das lange umstrittene "Zuwanderungsgesetz" tritt in Kraft. Forderungen nach Erleichterungen bei der Einwanderung scheitern an SPD-Innenminister Otto Schily und der Union.

 

Februar 2005

Erstmals werden offiziell mehr als fünf Millionen (real mehr als sieben Millionen) Arbeitslose gemeldet. Außenminister Fischer gerät wegen der "Visa-Affäre" unter Druck.

 

März 2005

"Rot-Grün" verliert bei Landtagswahlen in Schleswig-Holstein die Mehrheit. Simonis versucht in mehreren Anläufen vergeblich sich mit Hilfe des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) erneut zur Ministerpräsidenten wählen zu lassen. Ein "Abweichler" vereitelt die Wiederwahl - danach große Koalition unter CDU-Führung.

 

22. Mai 2005

In Nordrhein-Westfalen wird die letzte "rot-grüne" Landesregierung abgewählt. Schröder und Müntefering kündigen vorgezogene Neuwahlen an.

 

Harry Weber

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unseren Beitrag

      Bilanz von vier Jahren rot-grüner Politik (12.05.02)

 

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