Sind AKWs von Siemens ebenso unsicher wie der Combino?
Niederflurstraßenbahnen vom Typ Combino wurden aus dem Verkehr gezogen
|
Ob in Amsterdam, Augsburg, Düsseldorf, Melbourne, Erfurt, Potsdam, Ulm, Bern, Hiroshima oder Freiburg, überall wurden die weltweit meistverkauften Straßen- bahnen in Niederflurtechnik aus Siemens-Produktion vorüber- gehend stillgelegt.
Grund: Das Dach könnte den Passagieren bei einer Notbremsung auf den Kopf fallen.
|
Die Beschwichtigungen und Beruhigungsversuche des Siemens-Konzerns: "Die Wagenkästen wurden nach deutscher Norm gebaut. Es habe keinen einzigen Fall von Gefährdung in der Praxis gegeben. Man könne lediglich nicht einwandfrei voraussagen, wie bei Kollisionen betroffene Wagen reagieren." Ob dies auch für von Siemens gebaute Atomkraftwerke gilt, ließ eine Sprecherin von Siemens offen.
Weltweit mußten im März diesen Jahres mehr als 475 Trams des Typ Combino vom Gleis genommen werden. Berechnungen hatten ergeben, daß Teile des Dachs auf die Fahrgäste stürzen könnten, wenn die Tram heftig bremsen müßte, da die gesamte tonnenschwere Elektrik und die Transformatoren auf dem Dach montiert wurden. Noch im vergangenen September hatte das Siemens-Management behauptet, bei den Aluminium-Wagenkästen seien keine Materialermüdungen festgestellt worden.
Am 8. April teilte Ulrich Ritter von Siemens der Basler Zeitung mit, daß bei den Combinos die Wagenkästen nach einer falschen Norm berechnet worden waren. Es war nach einer Norm für Drehgestelle geprüft worden, obwohl die Tram mit festen Fahrgestellen ausgestattet ist. Bei Kurvenfahrten wirken doppelt so starke Kräfte wie bei Drehgestellen. Daran hätten die Ingenieure des Konzerns nicht gedacht. Auch den TÜV-Technikern war dies nicht aufgefallen. In Verbindung mit der Dachlast wirken bei Kurvenfahrten, bei Bremsungen und beim Anfahren starke Kräfte auf die senkrechten Stützen zwischen Türen und Fenstern, welche die Bodenplatte mit dem Dach verbinden. Die Gefahr eines Dachschadens wird somit enorm erhöht.
Da nach falscher Norm geprüft wurde, potenzieren sich die damit verbundenen Fehlerquellen und Gefahren. Ende 2003 wurde ein Combino mit dem Kilometerstand 216.000 von Freiburg in ein Siemens-Prüfzentrum nach Prag überführt. Dort wurde die Tram einem künstlichen Alterungsprozeß unterworfen. In einer Klimakammer wurde das Material versprödet. Nach Fahrten auf der Teststrecke wurde sechs Wochen später offenkundig, daß das Dach des Combinos immer instabiler wurde und teilweise einstürzte. Der Versuch wurde bei Kilometerstand 230.000 abgebrochen. Seit Anfang des Jahres war also bekannt, daß die Stadtbahnen dieses Typs unsicher sind. Siemens möchte nun alle 475 Combinos zurückrufen und in Siemens- Werkstätten zerlegen, sie mit Verstärkungen stabilisieren und wieder neu zusammensetzen.
Der Gesamtschaden dürfte sich im Millionenbereich belaufen. Und es werden vor allem die Beschäftigten sein, die das Tram-Desaster ausbaden müssen. Nicht nur bei Siemens werden Köpfe rollen, auch bei den Verkehrsbetrieben ist mit Entlassung von Verantwortlichen zu rechnen.
Bernd Kirchhoff