12.08.2007

Artikel

DDR-Schießbefehl aufgefunden

Ersäufen oder Erschießen?

Die Magdeburger Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde (früher auch als "Gauck-Behörde", heute als "Birthler-Behörde" bezeichnet) hat eine schriftliche Fassung des "Schießbefehls" der DDR entdeckt. Einerseits war auch bislang klar, daß ein solcher Befehl zur Sicherung der zudem umfassend mit Selbstschuß-Anlagen ausgerüsteten Grenze zur BRD bestanden hatte, andererseits wurde in den letzten Jahren vermehrt von Verteidigern des "realexistierenden Sozialismus" behauptet, die DDR-BRD-Grenze sei niemals anders gesichert worden als andere Staatsgrenzen auch.

Die nun aufgefundene schriftliche Fassung des "Schießbefehls" belegt allerdings einen eklatanten Unterschied. Die deutsch-französischen Grenze wurden beispielsweise - bis zur Aufhebung der innereuropäischen Grenzkontrollen im Jahr 1995 - lediglich durch bewaffnete Patrouillen gesichert, die vor dem Schießen erst mal mit Zurufen und Warnschüssen versuchen mußten, "GrenzgängerInnen" zu stoppen. Doch wer ernsthaft wollte, konnte auch vor 1995 das ein oder andere Wäldchen auskundschaften, wo ein illegaler Grenzübertritt wenig riskant war.

Der Versuch, die DDR-Westgrenze zu überwinden, war dagegen ganz klar ein Selbstmord-Kommando. Sie war schließlich 1961 nicht zuletzt deswegen errichtet worden, weil der DDR die überlebensnotwendigen Fachkräfte vom Westen abgeworben wurden. Selbstverständlich ist dies keine moralische Rechtfertigung für den Bau der "Mauer". Der Mauerbau belegt nur, daß die Diktatur einer spießbürgerlichen Nomenklatura, die sich zur Freude des kapitalistischen Westens mit dem Etikett "sozialistisch" schmückte und damit ein ideales Feindbild abgab, für einen großen Teil der Menschen nicht attraktiv war. Denn zu Abwerbung und West-Propaganda kam hinzu, daß sie real wenig mit Sozialismus zu tun hatte, dafür aber Gängelung, Bespitzelung und Unfreiheit im Übermaß bot. Daß all dies bis 1961 mehr und mehr eine Fluchtbewegung verursacht hatte, will bei notorisch untertänigen Deutsch viel heißen...

"Der Befehl fordert zum rücksichtslosen Gebrauch der Schußwaffe ohne Vorwarnung an der Grenze auf - auch gegen Frauen und Kinder", erläutert der Sprecher der Stasi-Unterlagenbehörde, Andreas Schulze, und bestätigt damit einen Bericht der 'Magdeburger Volksstimme'. Die Zeitung hatte am Samstag Auszüge aus der siebenseitigen Dienstanweisung vom 1. Oktober 1973 veröffentlicht. Wer allerdings über die weitläufige Anlage und den Aufbau der Sperranlagen Bescheid weiß, erkennt im "Schießbefehl" lediglich das i-Tüpfelchen jener unmenschlichen "Einfriedung" der DDR.

Wenn in den Mainstream-Medien dennoch mit solcher Verve auf den "Schießbefehl" abgehoben wird, hat dies einerseits historische Gründe: Denn dieser "Schießbefehl" diente der westlichen "antikommunistischen" Propaganda vornehmlich zur Delegitimierung des DDR-Regimes. Andererseits sind eben diese Kräfte nun glücklich, den "Ewiggestigen", die immer noch die DDR als "Rechtsstaat" zu legitimieren versuchen, mit diesem Papier endlich das Maul stopfen zu können.

Wenn die DDR - durchaus zurecht - von diesen Medien als ein "menschenverachtendes System" bezeichnet wird, muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß unser heutiges nach denselben Kriterien kein besseres Urteil verdient. Allein im Mittelmeer sind inzwischen Dank der "Absicherung" der europäischen Außengrenze inzwischen mehr Flüchtlinge ertrunken als je an der Mauer erschossen wurden. Macht es einen Unterschied, ob es sich um Deutsche oder Afrikaner handelt? Macht es einen Unterschied, ob die Menschen raus oder rein wollen? Macht es einen Unterschied, ob ersäuft oder erschossen?

 

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Anmerkungen

Siehe hierzu auch unseren Artikel:

      Der "Sturm auf die Stasi-Zentrale" - eine Farce
      Ende 1989 war wochenlang Zeit... (15.01.05)

 

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