Hintergründe
Wir wollen hier keine Illusionen verbreiten, bei einer Neuauflage von "Rot-Grün" mit der hessischen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti als Ministerpräsidentin seien in Hessen erträgliche Verhältnisse oder auch nur ein Ausstieg aus der Atomenergie zu erwarten. Dennoch scheinen reaktionäre Kräfte auf "Nummer Sicher" gehen zu wollen und etwaige Unwägbarkeiten von Vornherein lieber auszuschließen. Vieles deutet darauf hin, daß die hessische SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger nicht wie dargestellt wegen ihres Gewissens die Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidenten verhinderte, sondern daß im Auftrag handelte.
Daß eine Gewissensregung im Spiel sein könnte, ist angesichts ihres angfänglichen Verhaltens wenig plausibel: Zunächst zog es Dagmar Metzger nach der hessischen Landtagswahl vor, in Urlaub zu fahren und dafür eine entscheidende Sitzung des hessischen SPD-Landtagsfraktion zu schwänzen. Auf dieser ging es um die Entscheidung, ob sich eine mögliche "rot-grüne" Koalition von der "Linkspartei" tolerieren lassen - und damit ihr diesbezügliches Wahlversprechen brechen solle. Offenbar interessierte diese Frage Frau Metzger zum damaligen Zeitpunkt noch nicht.
In wessen Auftrag sie alsbald tätig werden sollte, beleuchten folgende Hintergründe:
Dagmar Metzger bekleidet einen Aufsichtsratposten bei der HEAG Südhessische Energie AG (HSE), die über eine Beteiligungsgesellschaft zu 40 Prozent von E.on kontrolliert wird. E.on ist AKW-Betreiber und einer der vier großen Energie-Konzerne, die den deutschen Strommarkt beherrschen.
Die HSE selbst ist zu 30 Prozent an einem geplanten und von einer Bürgerinitiative bekämpften Kohlekraftwerk in Mainz beteiligt. E.on plant zudem ein weiteres Kohlekraftwerk im hessischen Ort Staudinger. Und wenn Roland Koch (geschäftsführender) Ministerpräsident bleibt, spart sich E.on zumindest Schmiermittel. Roland Koch wird von den örtlichen Medien aufgrund offenkundiger Verbindungen - aber unter Verkennung der Hierarchie - gern schon mal als "heimlicher Geschäftsführer" der HEAG bezeichnet.
RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, stoßen mit ihrem Vorhaben, in Deutschland bis 2012 rund zwanzig Kohlekraftwerke zu bauen1, auf immer größeren Widerstand. Jedes Kohlekraftwerk, das vor 2012 ans Netz geht, bleibt von strengeren Umweltauflagen verschont und darf 30 Jahre lang ungestraft gigantische Mengen von Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen. RWE plant in Neurath ein neues Braunkohlekraftwerk, das als größter Einzelemittent Europas soviel Kohlendioxid ausstoßen würde wie ganz Neuseeland.
Dagmar Metzger ist die Schwiegertochter des ehemaligen Bundespolitikers und langjährigen Bürgermeisters von Darmstadt Günther Metzger. Dieser war Mitbegründer eben jenes Seeheimer Kreises, der darüber wacht, daß die SPD öffentlich angeprangert wird, sobald auch nur Gedanken an einen Kurs links der "Mitte" geäußert werden. Mit der Berufung aufs Gewissen und ein wenig medialer Verstärkung war die SPD schon in der Vergangenheit nicht selten preiswert auf den "rechten Weg" zu leiten, so daß ein tiefer Griff in schwarze Kassen nicht nötig wurde.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkung
1 Siehe auch unseren Artikel:
Klima-Protest in Karlsruhe
Robin-Wood-Aktion gegen Ausbau des EnBW-Kohlekraftwerks
incl. Deutschlandkarte mit geplanten Kohlekraftwerken (25.02.08)