23.11.2007

Neonazis schneiden 17-Jähriger
Hakenkreuz in die Haut

Übergriff im sächsischen Mittweida

Wie erst heute, Freitag, durch die Staatsanwaltschaft bekannt wurde, haben am 3. November vier Neonazis eine 17-Jährige angegriffen, verletzt und ihr ein Hakenkreuz im Hüftbereich in die Haut geschnitten. Die junge Frau war dazugekommen als die Neonazis im sächsischen Mittweida ein sechs Jahre altes Mädchen belästigten und hatte versucht, das Kind zu schützen.

Die 17-Jährige hatte die Tat erst neun Tage später angezeigt. Die Polizei erachtet die Aussagen für glaubwürdig. Durch eine rechtsmedizinische Untersuchung habe ausgeschlossen werden können, daß sich die junge Frau das etwa fünf Zentimeter große Hakenkreuz selbst zugefügt hat. Mittlerweile hat die Polizei das ursprüngliche Opfer der Männer ausfindig machen können, das die Angaben der 17-Jährigen bestätigte.

Das sechs Jahre altes Mädchen wurde - laut dem nun veröffentlichten Ermittlungsstand der Staatsanwaltschaft - von vier glatzköpfigen jungen Männer vor einem Supermarkt in Mittweida herumgeschubst. Das Kind habe laut geweint als die junge Frau den Männern zugerufen habe, sie mögen das Kind in Ruhe lassen. Die vier Männer hätten darauf von ihrem Opfer abgelassen. Drei von ihnen hätten dann die 17-Jährige zu Boden gerissen und sie festgehalten, während der vierte ihr mit einem scharfen Gegenstand ein Hakenkreuz in die Hüfte ritzte.

Als die Neonazis versuchten, der jungen Frau auch noch eine Rune in die Wange zu ritzen, habe diese sich losreißen und flüchten können. Mittlerweile hat die Polizei einen 19 Jahre alten Tatverdächtigen aus dem Raum Burgstädt ermittelt. In dessen Zimmer in der Wohnung seiner Eltern stellten die Beamten Datenträger, mit Sand gefüllte Handschuhe und einen Anstecker der Neonazi-Kameradschaft "Sturm 34" sicher. Die Staatsanwaltschaft stellte jedoch keinen Haftbefehl aus und setzte den Verdächtigen auf freien Fuß. Mittweidas Bürgermeister Matthias Damm kritisierte das gemächliche Vorgehen der Justiz in diesem und in ähnlichen Verfahren.

Die Neonazi-Organisation "Sturm 34", die in der Vergangenheit für viele rechtsextreme und ausländerfeindliche Übergriffe verantwortlich gewesen sein soll, war erst im April vom sächsischen Innenminister Buttolo verboten worden. Gegen den mutmaßlichen Anführer von "Sturm 34" läuft derzeit vor dem Amtsgericht Chemnitz ein Prozeß. Gegen zehn weitere Mitglieder liegen Anklagen bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden vor.

Mittweidas Bürgermeister Matthias Damm reagierte geschockt auf den nun erst öffentlich gewordenen Übergriff. Damm hofft, daß sich nach Bekanntwerden jetzt Zeugen der Tat von Anfang November melden. Laut Aussage der jungen Frau beobachteten AnwohnerInnen das Geschehen von ihren Balkonen aus. Bislang hat sich aber niemand zu einer Zeugenaussage durchgerungen. Dies sei eine Schade, meint Damm. "Ich habe dafür kein Verständnis."

Damm sagte, er erwarte von seinen BürgerInnen die Zivilcourage, die die 17-Jährige bei ihrem Einsatz für das kleine Mädchen bewiesen habe. "Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen." Zudem kritisierte Damm den schleppenden Fortgang der Ermittlungen gegen die verbotene Neonazi-Organisation "Sturm 34": "Stadt, Landkreis, Polizei und Innenministerium sehen Rechtsextremismus als das große Problem bei uns an - nur die Justiz setzt keine Prioritäten." In der Kreisstadt Mittweida fanden seit Jahresbeginn zahlreiche Übergriffe mit rechtsextremem und ausländerfeindlichem Hintergrund statt. Die Stadt liegt im Bundesland Sachsen, in dem die NPD bei den Landtagswahlen 2004 neun Prozent1 der Stimmen erhielt.

Der Bürgermeister verwies als Beispiel auf den laufenden Prozeß vor dem Amtsgericht Chemnitz, wo sich der mutmaßliche Anführer der Organisation wegen Körperverletzung verantworten muß. "Da reiht sich eine Panne an die andere", sagte Damm. Zunächst sei die Ladung des Angeklagten im Gefängnis verschlampt worden. Dann habe sich herausgestellt, daß ein Großteil der Taten am falschen Gericht angeklagt worden sei. "Solche Fehler dürfen in einem solchen Fall einfach nicht passieren."

 

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Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel:

      Volksfront von Rechts?
      Sozialabbau - Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen?
      (31.10.04)

      Nach Anschlag auf jüdischen Friedhof Ihringen
      Vier Verdächtige aus Neo-Nazi-Szene gefaßt (18.08.07)

 

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