1.03.2005

Dokumentation

'taz' erklärt das Ende
von "Rot-Grün"

...immer wieder für Überraschungen gut

Auf Seite 1 erklärt 'taz'-Kommentatorin Ulrike Herrmann das Ende von "Rot-Grün". Daß weder mit Investitions-Programmen noch mit weiteren Steuersenkungen für die Konzerne das Problem zunehmender Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann, vermag sie zwar nicht zu erkennen. Die im Kapitalismus mit der unaufhörlichen Steigerung der Produktivität unabwendbare Verringerung der Gesamt-Arbeitszeit, meint Herrmann, hätte durch eine Ausweitung der Stellen im Dienstleistungsbereich durchbrochen werden können - können! Denn immerhin erkennt sie, daß dem Staat in seiner selbstverschuldeten Verarmung die Mittel fehlen, um in "diese beschäftigungsintensiven Wachstumsfelder zu investieren."

Aber ihre Diagnose der Symptome ist korrekt: "Rot-Grün" hat mit dem fröhlich-optimistischen Konzept einer neoliberalen Wirtschaftspolitik der Steuersenkungen nur eines erreicht: Der Staat ist pleite.

Für diese Diagnose werden andere deutsche Medien vermutlich noch Wochen und Monate benötigen. Wir dokumentieren hier den heutigen Kommentar der 'taz':

Rot-Grün hat sich selbst entmachtet

Zu Jahresbeginn noch hatte Kanzler Schröder die neue Ära der ruhigen Hand ausgerufen. Niemand regte sich mehr öffentlich über Hartz IV auf - da wollte die Regierung entspannt abwarten, ob und wie die Arbeitsmarktreformen wirken.

Kommentar von Ulrike Herrmann

Von dieser geplanten Gelassenheit ist nichts mehr geblieben. Die Realität hat die Regierung, aber auch die Bevölkerung eingeholt: Durch Hartz IV werden die Arbeitslosenzahlen real nicht sinken; Bewegungen nach oben oder unten sind nur statistische Effekte. In Wahrheit fehlen etwa 6,5 Millionen Stellen.

Daran soll sich nun etwas ändern - und möglichst schnell bitte. Jeder nutzt die Arbeitslosenzahlen für seinen Lieblingsdiskurs. Die Unternehmen fordern weitere Steuersenkungen und die Gewerkschaften ein öffentliches Investitionsprogramm. Noch vor zwei Jahren hätte sich die Regierung recht bald für eine oder auch beide Maßnahmen entschieden, um rasches Handeln zu demonstrieren.

Diesmal jedoch wird es wirklich spannend, was dem rot-grünen Kabinett noch einfallen kann. Denn Deutschland erlebt momentan eine Epochenwende. Was seit den frühen 80ern prognostiziert wurde, tritt jetzt in aller Wucht ein: Der Staat ist komplett pleite. Selbst bei einem normalen Wachstum von 1,6 Prozent sind die Steuern oder Rentenbeiträge im letzten Jahr nicht gestiegen. Es braucht wenig Fantasie, sich vorzustellen, welche Löcher in den öffentlichen Haushalten klaffen, falls das Wachstum nur gering ausfällt. Und genau das, eine nachlassende Konjunktur, prognostizieren die meisten Forscher für dieses Jahr.

Die Staatspleite war ein langer Prozess, aber die jüngsten Steuerreformen haben ihn nochmals kräftig beschleunigt. Rot-Grün hat es geschafft, sich selbst zu entmachten - und die Arbeitslosigkeit noch zu verschärfen.

Denn wenn überhaupt noch Stellen entstehen können, dann bei den Dienstleistungsberufen in Bildung und Pflege. Niemand bestreitet, nach Pisa schon gar nicht, dass dort eine immense Nachfrage herrscht. Gleichzeitig lassen sich diese Tätigkeiten - anders als in der Industrie - nicht rationalisieren.

Es gäbe also viel zu tun. Leider fehlen dem Staat die Mittel, um in diese beschäftigungsintensiven Wachstumsfelder zu investieren. Es wird noch interessant werden, zu sehen, wie lange die Parteien benötigen, um zu begreifen, dass das Versprechen lauten muss: Steuererhöhungen für Begüterte statt Steuersenkungen für alle.

 

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