(Der Redetext ist um die Passagen gekürzt, die sich inhaltlich bereits
an anderer Stelle auf den Seiten von NETZWERK REGENBOGEN in Texten von
Jürgen Grässlin finden.)
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe
Friedensfreundinnen und -freunde,
Die US-Army wird in diesen Tagen die Restbestände
derjenigen Waffen im Irak einsammelt, die sie und ihre Verbündeten, gerade auch
Deutschland, in den Jahrzehnten zuvor geliefert haben.
Eine der maßgeblichen Ursachen von Gewalteskalation und Kriegen sind
Waffenlieferungen. Laut dem irakischen Abrüstungsbericht an die UNO haben sich seit
Ende der Siebziger Jahre 80 deutsche Firmen an den atomaren, biologischen,
chemischen und konventionellen Waffenprogrammen des Irak beteiligt. Auf der
Liste von Husseins Helfern stehen solch klangvolle Namen wie Siemens und
Daimler-Benz.
Die eigentlichen Massenvernichtungswaffen aber sind die so genannten
"Kleinwaffen". Von zehn Opfern auf den Schlachtfeldern in aller Welt kommen neun
durch "Kleinwaffen" ums Leben - allein sechs durch Gewehrschüsse.
Auf Grund von Direktexporten und Lizenzvergaben, der Vergabe von
Nachbaurechten, steht Deutschland in der Verbreitung von "Kleinwaffen" weltweit auf
dem unrühmlichen dritten Platz. Mit Unterstützung aller Bundesregierungen ist
die Oberndorfer Waffenfirma Heckler&Koch zum "Weltmeister bei
Lizenzvergaben" aufgestiegen.
In fast allen Staaten der Golfregion befinden sich Waffen von Heckler&Koch
oder den 15 G3-Lizenzstätten im tödlichen Einsatz. Sobald der Bodenkrieg
ausbricht, werden dort auch H&K-Waffen eingesetzt.
Die irakische Armee verfügt über mehrere 10.000 G3-Gewehre, die im zweiten
Golfkrieg als Beutewaffen von den iranischen Streitkräften erbeutet worden
sind.
Die britische Armee verfügt über eine überarbeitete Version des
SA-80-Gewehrs. Die SA-80-Gewehre werden in Großbritannien gefertigt, wobei Bauteile aus
Oberndorf stammen. In Oberndorf werden diese Gewehre modernisiert.
Türkische Militäreinheiten sind mit G3-Gewehren und MP5-Maschinenpistolen in
den Nordirak einmarschiert und bedrohen dort die kurdische Bevölkerung.
Dabei ist bekannt, dass die türkische Armee nicht vor Massakern mit den
H&K-Waffen zurückschreckt.
Und die US-Spezialeinheiten der Vereinigten Staaten verfügen über
MP5-Maschinenpistolen und USP-Pistolen für ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.
Gestern sind die ersten Flüchtlinge an den Grenzen des Irak eingetroffen. In
den kommenden Wochen befürchten die Vereinten Nationen eine Massenflucht aus
dem Irak. Dort werden die Not leidenden Flüchtlinge von iranischen und
saudi-arabischen Militäreinheiten mit G3-Gewehren und MP5-Maschinenpistolen aus
eigener Lizenzfabrikation am Betreten des Landes gehindert.
Heckler&Koch verschweigt, dass das Unternehmen zu den Profiteuren des
Irak-Kriegs zählt. Die Geschäftsführung dieses Unternehmens kennt keine Moral und
Skrupel, wie nicht zuletzt auch der beantragte Export von G36-Gewehren in
das Bürgerkriegsland Nepal beweist.
Wir verurteilen diese Exportpolitik der H&K-Geschäftsführung! Und wir sagen
hier in Oberndorf entschieden NEIN zu den skrupellosen Waffenexporten
und Lizenzvergaben von Heckler&Koch und den mitverantwortlichen
Bundesregierungen.
Im Rahmen meines neuen Buchprojektes "Versteck dich, wenn sie schießen"
über die Opfer deutscher Rüstungsexporte bin ich in den vergangenen zwei Jahren
mehrfach nach Türkisch-Kurdistan und nach Somalia gereist. Mit eigenen Augen
habe ich die Massengräber gesehen, in denen oftmals Opfer liegen, die mit
Waffen von Heckler&Koch oder einer der Lizenznehmer der H&K-Waffen erschossen
worden sind.
In Behindertenwerkstätten und Rehabilitationszentren habe ich mit einer
Vielzahl von Verwundeten gesprochen, die ihre Arme oder Beine verloren haben oder
Jahre nach dem Krieg noch immer Granatsplitter und Gewehrkugeln im Körper
tragen. In den Wohnungen habe ich mit den Angehörigen der Getöteten gesprochen.
Eines habe ich dabei schmerzlich erfahren: Kriege enden nicht in dem Moment,
an dem die Bombardements eingestellt werden. Die Angehörigen der Opfer
können niemals den Tag vergessen, an dem ihre Oma oder Opa, Mutter oder Vater,
Schwester oder Bruder oder eines ihrer Kinder gestorben sind. Auch Jahre und
Jahrzehnte nach Kriegsende leiden sie unter den Verstümmelungen oder unter
Traumata. Wenn der Krieg gegen den Irak vorüber sein sollte, werden wieder
Abertausende ihre nächsten Verwandten verloren haben, oft durch den Einsatz
deutscher Waffen.
In Somaliland habe ich Abdirahman Dahir Mohamed getroffen. Er saß in einem
Rehabilitationszentrum des Roten Kreuzes. Sein erster Satz lautete: "Ich habe
mein rechtes Bein durch die Kugel eines G3 verloren." Ausführlich hat
Abdirahman erzählt, wie er von einer G3-Kugel getroffen und verletzt worden ist.
Seit mehr als einem Jahrzehnt humpelt der Familienvater auf Holzkrücken durch
die Gegend. Sein Bein musste inzwischen bis zum Stumpf amputiert werden. Der
Knochen wuchert weiter, die Schmerzen sind unerträglich.
Abdirahman ist einer von unzähligen Menschen, die durch G3-Gewehre
verstümmelt worden sind. Auch in Türkisch-Kurdistan habe ich viele G3-Opfer kennen
gelernt, die bis heute unter den Folgen des G3-Einsatzes leiden.
Deshalb demonstrieren wir heute mit Krücken gegen die Gewehrexporte von
Heckler&Koch. Denn die H&K-Geschäftspolitik führt zur Verstümmelung unzähliger
Menschen!
Rund 11 Millionen H&K-Waffen befinden sich derzeit in Kriegen und
Bürgerkriegen im Einsatz. Wie die Pest wütete der Heckler-Waffenvirus in den
vergangenen Jahrzehnten und mordet bis heute auf den Schlachtfeldern in Afrika,
Lateinamerika, dem Nahen Osten und Südostasien. Anders als früher sind es weit
überwiegend Zivilisten, die von den in Oberndorf entwickelten Maschinenpistolen
und Gewehren durchsiebt und zerfetzt werden. Noch im ersten Weltkrieg waren
lediglich 5 Prozent der Opfer Zivilisten, so hat sich das Verhältnis nahezu
umgekehrt: Heute sind unschuldige Kinder, Frauen und Männer zu rund 85 Prozent
die Opfer. In Folge der Lizenzvergaben von H&K-Waffen und durch Direktexporte
aus Oberndorf starben im Zeitraum von 1961 bis heute mehr als 1,5 Millionen
Menschen. Für jeden Arbeitsplatz bei Heckler & Koch mussten seit der
Firmengründung rund 151 Menschen sterben.
Deshalb lasst uns hier in Oberndorf entschieden NEIN sagen zur
Geschäftspolitik von Heckler&Koch - denn diese ist Beihilfe zum Massenmord!
Völlig unstrittig hat das Regime von Saddam Hussein schwerste
Menschenrechtsverletzungen begangen. Das irakische Regime ging und geht brutal gegen
politische Oppositionelle und Kurden vor.
Wir sagen heute entschieden NEIN zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung
durch das Regime Hussein.
Doch soll der Krieg gegen den Irak tatsächlich dem Kampf gegen den Terror
dienen, so ist er das falscheste aller möglichen Mittel. Wer Krieg gegen den
Irak führt, gießt Öl ins Feuer des internationalen Terrorismus. Dabei ist
bekannt, dass gerade Terroristen über Heckler&Koch-Waffen verfügen. Schon die
RAF (Rote Armee Fraktion) hat mit H&K-Waffen gemordet. Palästinensische
Selbstmordattentäter verwenden H&K-Gewehre, vor wenigen Tagen soll der serbische
Ministerpräsident Zoran Djindjic mit einem G3-Scharfschützengewehr ermordet
worden sein.
Mit dem Irak-Krieg erwachsen neue Märtyrer, wird neuer Hass gesät, werden
neue Terroristen geschaffen. Militärisch gesehen ist der Irak eine schwache
Nation, die Niederlage auf dem Schlachtfeld eine Frage der Zeit. Seine Stärke
liegt allenfalls in einem Heer von Selbstmordattentätern, die in den Jahren
danach weltweit Attentate verüben und damit ihrerseits neuen Hass säen werden.
Aus dem Krieg gegen den Irak droht ein Flächenbrand zu werden, der sich nicht
löschen lassen wird. Die Eskalationsgefahr ist unkontrollierbar. Wer dem
international wachsenden Terrorismus den Boden entziehen will, muss den Hunger
und die Armut bekämpfen, muss Schulen, Krankenhäuser und Altenpflegeheime
bauen.
Deshalb sagen wir entschieden JA zu einem menschenwürdigen Leben für alle
Menschen in allen Ländern und zu einer gerechten Weltwirtschaftsordnung!
Erst eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, bislang von den Regierungen der
reichen Staaten und Multis mit Erfolg verhindert, würde den Wandel zum
Positiven bringen. Allein die auf 50 bis 200 Milliarden US-Dollar veranschlagten
Kriegskosten wären als Entwicklungshilfegelder eine entscheidende Investition in
den Frieden! Auch Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Flüchtlingsausgaben
dienen dem inneren und dem äußeren Frieden.
Wir sagen heute entschieden JA zur Aufstockung der Entwicklungshilfe und zu
Investitionen in den Frieden!
Lasst mich zum Schluss nochmals auf die aktuelle Entwicklung bei Heckler&Koch
zurückkommen. Mit dem G36 hat die Entwicklungsabteilung des Unternehmens
eine neue Waffe entwickelt. Noch präziser, noch treffgenauer und noch
mörderischer als das G3. Das G36 ist bereits bei der Bundeswehr eingeführt, eine
erste Lizenz nach Spanien vergeben.
Für die US-Army entwickelt H&K gerade das OICW-Gewehr (M29), das zukünftig
bei den Interventionen der US-Streitkräfte eingesetzt werden wird. Mit den
neuen Großaufträgen wird H&K auch zu den Profiteuren kommender Kriege zählen.
Wir müssen befürchten, dass die Waffenschmiede weltweit zur Nr. 1 der
Gewehrproduzenten und -exporteure aufsteigt.
Deshalb sagen wir heute entschieden NEIN zur Entwicklung einer neuen
Gewehrgeneration! NEIN zu weiteren Lizenzvergaben von H&K-Waffen!
Die einzig legitime Antwort auf die Rüstungsexporte und Kriegstreiberei sind
Rüstungskonversion und nichtmilitärische Konfliktlösung. Deshalb fordern wir
im Schulterschluss mit einer Vielzahl von Organisationen der Friedens- und
Menschenrechtsbewegung:
DEN SOFORTIGEN STOPP DES ANGRIFFSKRIEGS GEGEN DEN IRAK!
DIE VERSCHROTTUNG ALLER KLEINWAFFEN!
DIE UMSTELLUNG DER RÜSTUNGSPRODUKTION VON H&K AUF EINE SINNVOLLE ZIVILE
FERTIGUNG!