Rede der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy auf dem 4. Weltsozialforum (17.-21. Januar 2004) in Bombay
(leicht gekürzt)
Eine erste schriftliche Fassung erschien in der indischen Zeitung "The Hindu" am 18. Januar 2004. Die hierauf
basierende Übersetzung besorgte der Südasien-Korrespondent Hilmar König.
In großen Städten Europas und Amerikas, wo solche Dinge noch vor ein paar Jahren nur geflüstert worden wären, sprechen
Menschen nun offen von den guten Seiten des Imperialismus und von der Notwendigkeit eines starken Imperiums, um
eine aufsässige Welt zu überwachen. Die neuen Missionare wollen Ordnung auf Kosten von Gerechtigkeit. Disziplin auf
Kosten von Würde. Und Überlegenheit um jeden Preis. Gelegentlich werden einige von uns eingeladen, das Problem
auf "neutralen Plattformen zu debattieren", die von Medienkonzernen gestellt werden. Imperialismus debattieren ist ein
bißchen wie das Für und Wider von Vergewaltigung abzuwägen. Was können wir dazu sagen? Daß wir so was wirklich
vermissen?
Im Krieg gegen den Terror wird Armut mit Terrorismus vermischt
Jedenfalls ist neuer Imperialismus bereits über uns gekommen. Es ist eine remodellierte, modernisierte Fassung dessen,
was wir einst kannten. Erstmals in der Geschichte hat ein einziges Imperium mit einem Waffenarsenal, das die Welt an
einem Nachmittag auslöschen kann, komplette, unipolare wirtschaftliche und militärische Hegemonie. Es wendet
verschiedene Waffen an, um unterschiedliche Märkte aufzubrechen. Es gibt kein Land auf Gottes Erden, das sich nicht
im Fadenkreuz amerikanischer Marschflugkörper und IWF-Scheckbücher befindet. Argentinien ist das Modell für die
Titelfigur des neoliberalen Kapitalismus, Irak hingegen das schwarze Schaf.
Arme Länder, die geopolitisch von strategischem Wert für das Imperium sind oder einen "Markt" haben, der privatisiert
werden kann, oder um Gottes Willen wertvolle natürliche Ressourcen wie Öl, Gold, Diamanten, Kobalt, Kohle besitzen,
müssen sich wie angeordnet verhalten, oder sie werden zu militärischen Zielen. Jene mit den größten natürlichen
Reichtümern sind am meisten gefährdet. Sollten sie nicht bereitwillig ihre Ressourcen der Konzernmaschinerie ausliefern,
werden zivile Unruhen initiiert oder Kriege vom Zaun gebrochen. In diesem neuen Zeitalter des Imperiums, da nichts mehr
so ist wie es scheint, dürfen Manager interessierter Unternehmen außenpolitische Entscheidungen beeinflussen. Das
Zentrum für Öffentliche Integrität in Washington fand heraus, daß neun von 30 Mitgliedern des Ausschusses für
Verteidigungspolitik der US-Regierung mit Unternehmen verbandelt waren, denen zwischen 2001 und 2002 Aufträge im
Verteidigungssektor in Höhe von 76 Milliarden Dollar zugeschanzt wurden.
George Shultz, der frühere US-Außenminister, war Vorsitzender des Komitees für die Befreiung Iraks. Er sitzt auch im
Aufsichtsrat der Bechtel-Gruppe. Über einen Interessenkonflikt im Kriegsfall gegen Irak befragt, sagte er: "Ich weiß nicht,
ob Bechtel daraus besonderen Nutzen ziehen würde. Aber wenn dort Arbeit verrichtet werden muß, dann ist Bechtel der
Firmentyp, der das machen könnte. Aber niemand betrachtet das als etwas, von dem man profitiert." Nach dem Krieg
schloß Bechtel einen Vertrag über 680 Millionen Dollar für die Rekonstruktion im Irak ab.
Diese brutale Blaupause ist immer wieder verwendet worden - quer durch Lateinamerika, Afrika, Mittel- und Südostasien.
Das hat Millionen Menschenleben gekostet. Natürlich wird jeder Krieg des Imperiums zum gerechten Krieg erklärt. Das
hängt zum großen Teil von der Rolle der Medienkonzerne ab. Es ist wichtig zu verstehen, daß Medienkonzerne nicht
lediglich das neoliberale Projekt unterstützen. Sie sind das neoliberale Projekt. Das ist keine moralische Position, die
sie sich ausgewählt haben, sondern strukturell bedingt. Es ist wesentlich für die Ökonomien, wie die Massenmedien
arbeiten. Viele Nationen haben - ähnlich wie Familien - entsetzliche Geheimnisse. Deshalb haben es die
Medien oft gar nicht nötig, zu lügen. Was betont und was weggelassen wird, zählt.
Nehmen wir zum Beispiel an, Indien wäre als Ziel für einen gerechten Krieg ausgewählt worden. Der Fakt, daß 80.000
Menschen seit 1989 in Kaschmir getötet worden sind, die meisten von ihnen Muslime, und die meisten von ihnen durch
indische Sicherheitskräfte (was einen Jahresdurchschnitt von ungefähr 6.000 ergibt); der Fakt, daß im März 2003 über
2000 Muslime auf den Straßen in Gujarat ermordet, daß Frauen von Gruppen vergewaltigt und Kinder bei lebendigem Leibe
verbrannt und 150.000 Menschen aus ihren Heimen vertrieben wurden, während die Polizei und die Behörden
zuschauten und sich mitunter aktiv beteiligten; der Fakt, daß niemand für diese Verbrechen bestraft und die Regierung, die
das überblickte, wieder gewählt wurde - all das würde perfekte Schlagzeilen liefern für internationale Zeitungen im Zulauf
auf einen Krieg. Weiter wissen wir, daß unsere Städte von Marschflugkörpern dem Erdboden gleichgemacht würden,
unsere Dörfer mit Stacheldraht umzäunt, US-Soldaten durch unsere Straßen patrouillieren würden und Narendra Modi,
Pravin Togadia oder irgendein anderer populärer Eiferer zu besten TV-Sendezeiten sich - wie Saddam Hussein im
US-Gewahrsam - ihr Haar nach Läusen durchsuchen und ihre Zahnfüllungen überprüfen lassen müßten.
Aber solange unsere "Märkte" offen sind, solange Enron, Bechtel, Halliburton, Arthur Andersen freie Hand gelassen wird,
können unsere "demokratisch gewählten" Führer sorglos die Linien zwischen Demokratie und Faschismus verwischen.
Die feige Bereitschaft unserer Regierung, die stolze Tradition der Blockfreiheit aufzugeben, ihr Drang an die Spitze der
komplett Gebundenen (die Modephrase lautet "natürliche Verbündete", zu denen Indien, Israel und die USA zählen) haben
ihr Beinfreiheit gegeben, sich in ein repressives Regime zu verwandeln ohne Verlust ihrer Legitimität. Die Opfer einer
Regierung sind nicht nur jene, die sie tötet und einkerkert. Auch jene müssen zu ihnen gerechnet werden, die enteignet,
vertrieben und zu einem Leben in Hunger und Entbehrung verurteilt sind. Millionen Menschen sind durch
"Entwicklungsprojekte" enteignet worden. In den vergangenen 55 Jahren haben in Indien durch Großdämme zwischen 33
und 55 Millionen Bürger ihre Siedlungsgebiete verloren. Sie haben keine Chance auf Gerechtigkeit.
In den letzten beiden Jahren gab es eine Serie von Zwischenfällen, bei denen die Polizei das Feuer auf friedlich
Protestierende, meistens Dalits und Adivasi, eröffnete. Die Armen und besonders die Dalits und Adivasi-Gemeinschaften
werden getötet, weil sie Forstland nutzen, und sie werden getötet, wenn sie die Nutzung von Forstland für Dämme, den
Bergbau, Stahlwerke und andere "Entwicklungsprojekte" zu verhindern suchen. In nahezu jedem Fall, in dem die Polizei
schoß, behauptete die Regierung, die Polizei sei durch Gewaltakte provoziert worden. Jene, auf die geschossen wurde,
werden sofort als Militante abgestempelt.
Quer durchs Land hat man unschuldige Menschen, inklusive Minderjährige, nach dem Gesetz zur Verhinderung von
Terrorismus eingesperrt und hält sie ohne Prozeß endlos fest. In der Ära des Krieges gegen Terror wird Armut hinterhältig
mit Terrorismus vermischt. In der Ära von korporativer Globalisierung ist Armut ein Verbrechen. Protest gegen weitere
Verarmung ist Terrorismus. Und nun sagt unser höchstes Gericht sogar, streiken ist ein Verbrechen. Kritik an den
Gerichten ist selbstverständlich auch ein Verbrechen.
Wie der alte Imperialismus beruht auch der neue Imperialismus auf einem Netzwerk von Agenten, korrupten lokalen
Eliten, die dem Imperium dienen. Wir alle kennen die schlimme Geschichte von Enron in Indien. Die damalige Regierung
von Maharashtra schloß ein Abkommen über Stromlieferungen, die Enron Profite sicherten, die 60 Prozent des gesamten
indischen Budgets für die landwirtschaftliche Entwicklung ausmachten. Einem einzigen amerikanischen Unternehmen
wurde ein Profit garantiert im Äquivalent von Fonds zur Entwicklung der Infrastruktur für etwa 500 Millionen Menschen!
Cancun lehrte uns, internationale Allianzen zu schmieden
Anders als zu alten Zeiten muß der neue Imperialist sich nicht durch die Tropen schleppen, Malaria, Durchfälle und einen
frühen Tod riskierend. Neuer Imerialismus kann über E-Mail ausgeführt werden. Die vulgären, klassischen Rassisten des
alten Imperialismus sind überholt. Der Eckstein des neuen Imperialismus ist neuer Rassismus. (...)
Teil des Projekts eines neuen Rassismus ist ein neuer Genozid. In dieser Ära neuer wirtschaftlicher Interdependenz
kann neuer Genozid durch ökonomische Sanktionen gefördert werden. Das heißt, Bedingungen zu schaffen, die zum
Massensterben führen, ohne daß man Menschen direkt töten muß. Dennis Halliday, von 1997 bis 1998 UN-Koordinator
für humanitäre Angelegenheiten in Irak (danach trat er angeekelt zurück), verwendete den Begriff Völkermord, um die
Sanktionen gegen Irak zu beschreiben. Die Sanktionen, denen eine halbe Million Kinder zum Opfer fielen, stellten alle
Bemühungen Saddam Husseins noch in den Schatten. In der neuen Ära ist Apartheid als formelle Politik antiquiert und
unnötig.
Internationale Instrumente von Handel und Finanz steuern ein komplexes System von Handelsgesetzen und Finanzabkommen,
die die Armen ohnehin in ihren Bantustans festhalten. Ihr ganzer Zweck besteht darin, Ungleichheit zu institutionalisieren.
Warum sonst würden die USA das Produkt eines Textilherstellers in Bangladesh zwanzigmal höher besteuern als eins
made in Großbritannien? Warum sonst produzieren Länder mit 90 Prozent des Weltkakaoanbaus nur fünf Prozent der
Schokolade in der Welt? Warum sonst werden Kakao anbauende Länder wie die Elfenbeinküste und Ghana mit
Besteuerung vom Markt gedrängt, wenn sie versuchen, ihren Rohkakao in Schokolade zu veredeln? Warum sonst fordern
reiche Länder, die täglich über eine Milliarde Dollar für Agrarzuschüsse ausgeben, daß arme Länder wie Indien alle
Agrarsubventionen, einschließlich der für Elektrizität, abbauen? Warum sonst stecken ehemalige Kolonien, die über mehr
als ein Jahrhundert lang von den Kolonialregimes ausgeplündert wurden, in der Schuldenfalle genau dieser Regimes und
zahlen ihnen 382 Milliarden Dollar pro Jahr zurück?
Aus all diesen Gründen war die Entgleisung der Handelsabkommen in Cancun so entscheidend für uns. Auch wenn unsere
Regierungen versuchen, sich damit zu rühmen, wissen wir doch, daß dies das Resultat des Kampfes von vielen Millionen
Menschen in sehr vielen Ländern über Jahre hinweg war. Was uns Cancun lehrte ist, daß, um wirklichen Schaden
anzurichten und radikalen Wandel zu erzwingen, es für lokale Widerstandorganisationen von vitaler Bedeutung ist,
internationale Allianzen zu schmieden. Von Cancun lernten wir die Bedeutung globalisierten Widerstands.
Keine einzelne Nation kann sich dem Projekt der korporativen Globalisierung aus eigener Kraft widersetzen. Immer
wieder haben wir erlebt, daß die Helden unserer Zeit schrumpfen, wenn es um das neoliberale Projekt geht.
Außergewöhnliche, charismatische Männer, Giganten in Opposition, werden machtlos auf der globalen Bühne, wenn sie
Staatsoberhäupter werden. Ich denke hier an Präsident Lula von Brasilien. Lula war der Held des Weltsozialforums letztes
Jahr. In diesem Jahr verwirklicht er eifrig die IWF-Richtlinien, reduziert Renten und entschlackt seine Arbeiterpartei von
Radikalen. Ich denke auch an Südafrikas Expräsidenten Nelson Mandela. Innerhalb von zwei Jahren nach seinem
Machtantritt machte seine Regierung einen Kniefall vor dem Gott der Marktwirtschaft. Sie führte ein massives Programm
von Privatisierung und strukturellen Anpassungen ein, das Millionen Menschen ohne Heim, arbeitslos, ohne Wasser und
Eletrizität hinterläßt.
Warum passiert das? Es macht wenig Sinn, sich an die Brust zu klopfen und betrogen zu fühlen. Lula und Mandela sind
in jeder Beziehung großartige Menschen. Aber im Moment, da sie von der Opposition ins Regierungslager wechselten,
wurden sie zu Geiseln eines ganzen Spektrums von Bedrohungen, die übelste davon die Drohung mit Kapitalflucht, die
jede Regierung über Nacht zu Fall bringen kann. Anzunehmen, daß das persönliche Charisma und ein kampferfüllter
Lebenslauf das korporative Kartell anknackst, bedeutet nicht zu verstehen, wie der Kapitalismus funktioniert oder wie
Macht ausgeübt wird. Radikaler Wandel wird nicht durch Regierungen ausgehandelt, er kann nur durch Menschen
erzwungen werden.
Wir müssen unsere Strategie des Widerstands diskutieren
In dieser Woche werden auf dem Weltsozialforum einige der besten Köpfe der Welt Ideen darüber austauschen, was um
uns herum geschieht. Diese Konversationen schärfen unsere Vision über die Art von Welt, für die wir kämpfen. Das ist
ein vitaler Prozeß, der nicht untergraben werden darf.
Dennoch besteht das Risiko, wenn auf Kosten wirklicher Aktion alle unsere Energien auf diesen Prozeß gerichtet werden,
daß das WSF, das eine entscheidende Rolle in der Bewegung für globale Gerechtigkeit gespielt hat, zu einem Guthaben
unserer Feinde wird. Wir müssen dringend unsere Strategien des Widerstands diskutieren. Wir müssen reale Ziele ins
Visier nehmen und wirklichen Schaden anrichten. Gandhis Salzmarsch war nicht lediglich politisches Theater. Als in
einem simplen Akt von Ungehorsam Tausende Inder zum Meer marschierten und dort ihr Salz gewannen, brachen sie
das Gesetz der Salzsteuer. Das war ein direkter Schlag gegen den ökonomischen Unterbau des britischen
Empires. Er war real. Während unsere Bewegung einige wichtige Siege errungen hat, dürfen wir gewaltlosen Widerstand
nicht zu ineffektivem, wohlgefälligem politischen Theater verkümmern lassen. Er ist eine sehr kostbare Waffe, die
ständig geschärft und justiert werden muß. Es darf nicht erlaubt werden, daß sie lediglich zum Spektakel, zu einer
Fotomöglichkeit für die Medien wird.
Es war herrlich, als am 15. Februar vorigen Jahres zehn Millionen Menschen auf einer eindrucksvollen Demonstration
öffentlicher Moral, zehn Millionen Menschen auf fünf Kontinenten gegen den Krieg in Irak marschierten. Es war wunderbar,
aber es war nicht genug. Der 15. Februar war ein Wochenende. Niemand mußte einen Arbeitstag verpassen.
Feiertagsproteste stoppen keine Kriege. George Bush weiß das. Die Selbstsicherheit, mit der er die überwältigende
öffentliche Meinung mißachtete, sollte uns allen eine Lehre sein. Bush glaubt, der Irak kann okkupiert und kolonisiert
werden, wie es mit Afghanistan geschieht, mit Tibet geschieht, mit Tschetschenien geschieht, wie es in Osttimor der
Fall war und in Palästina noch der Fall ist. Er glaubt, daß alles, was er zu tun hat, ist, sich hinzuhocken und zu warten,
bis die über Krisen berichtenden Medien, die dieses Thema bis auf die Knochen ausgeschlachtet haben, es fallenlassen
und weiterziehen. Bald wird der Kadaver von den Bestseller-Charts rutschen, und wir, alle Empörten werden das Interesse
daran verlieren. So jedenfalls hofft er.
Diese unsere Bewegung braucht einen großen, globalen Erfolg. Es ist nicht gut genug, Recht zu haben. Manchmal ist es
wichtig, etwas zu gewinnen, wenn auch nur, um unsere Entschlossenheit zu testen. Um etwas zu gewinnen, müssen
wir - alle, die sich hier und dort drüben bei Mumbai Resistance versammelt haben - in etwas übereinstimmen: daß es nicht
eine überlappende, vorherbestimmte Ideologie braucht, in die wir unsere geschätzten, aufrührerischen argumentativen
Selbsts hineinzwängen. Es bedarf keines bedingungslosen Untertanengehorsams gegenüber der einen oder anderen
Form von Widerstand, um alles andere auzuschließen. Es könnte eine Minimalagenda sein.
Laßt uns den Blick auf Irak werfen
Wenn alle von uns wirklich gegen Imperialismus und gegen das Projekt des Neoliberalismus sind, dann laßt uns den
Blick auf Irak werfen. Der Irak ist die unvermeidliche Kulmination von beidem. Zahlreiche Kriegsgegner haben sich seit
der Gefangennahme Saddam Husseins zurückgezogen. Ist die Welt nicht besser ohne Saddam Hussein? fragen sie
ängstlich.
Schauen wir der Sache ein für allemal ins Auge. Der Gefangennahme Saddam Husseins durch die US-Army zu
applaudieren und deshalb im Nachhinein ihre Invasion und Okkupation des Irak zu rechtfertigen, ist wie Jack the Ripper
(den Schlächter) anzubeten, weil er den Boston-Würger ausgeweidet hat. Und das nach einem Vierteljahrhundert
Partnerschaft, in der Schlächter und Würger ein gemeinsames Unternehmen betrieben. Es war ein innerbetrieblicher
Streit. Sie waren Geschäftspartner, die sich wegen eines schmutzigen Deals entzweiten. Jack war der CEO, der Chief
Exekutive Officer.
Wenn wir also gegen den Imperialismus sind, sollten wir dann darin übereinstimmen, daß wir gegen die US-Okkupation
sind und daß wir glauben, daß die USA sich aus Irak zurückziehen und dem irakischen Volk Reparationen für die
Kriegsschäden zahlen müssen? Wie beginnen wir mit unserem Widerstand? Beginnen wir mit etwas wirklich Kleinem.
Die Frage ist nicht, den Widerstand in Irak gegen die Besatzung zu unterstützen oder zu debattieren, wer genau zum
Widerstand in Irak gehört (Sind sie alte Baath-Killer? Sind sie islamische Fundamentalisten?) Wir müssen der globale
Widerstand gegen die Besatzung werden.
Unser Widerstand muß mit der Zurückweisung der Legitimität der US-Okkupation Iraks beginnen. Das bedeutet Handeln,
um es dem Imperium unmöglich zu machen, seine Ziele zu erreichen. Es bedeutet, Soldaten sollten sich weigern zu
kämpfen, Reservisten sich weigern, eingezogen zu werden. Arbeiter sollten es ablehnen, Schiffe und Flugzeuge mit
Waffen zu beladen. Es bedeutet auch, daß wir in Ländern wie Indien und Pakistan die Pläne der US-Regierung zum
Scheitern bringen müssen, indische und pakistanische Soldaten zum Saubermachen nach Irak zu
schicken.
Ich schlage vor, daß wir auf einer gemeinsamen Abschlußzeremonie von Weltsozialforum und Mumbai Resistance zwei
wichtige Unternehmen auswählen, die von der Zerstörung Iraks profitieren. Wir könnten jedes Projekt, in das sie involviert
sind, erfassen. Wir könnten ihre Büros in jeder Stadt und in jedem Land der Welt lokalisieren. Wir könnten sie jagen, zur
Schließung zwingen. Es ist eine Frage, unsere kollektive Weisheit und Erfahrung aus vergangenen Kämpfen für ein
einzelnes Ziel einzubringen. Es ist eine Frage des Wunsches zu siegen.
Das "Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert" strebt danach, Ungleichheit fortzusetzen und amerikanische
Hegemonie um jeden Preis, selbst wenn er apokalyptisch ist, zu errichten. Das Weltsozialforum verlangt Gerechtigkeit
und Überleben. Aus diesen Gründen müssen wir uns als im Krieg befindlich betrachten.
Arundhati Roy