Der sudanesische Rebellensprecher Suleiman Mohammed Jammus aus Darfur über die Ziele seiner
Organisation, brüchige Waffenstillstände und die Erwartung an die Vereinten Nationen, die
Regierungsmilizen zu entwaffnen
taz: Herr Jammus, immer wieder werden Friedensgespräche zwischen Sudans Regierung
und den Darfur-Rebellenbewegungen SLA (Sudanesische Befreiungsarmee) und JEM
(Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) geführt. Doch im Dezember weigerte sich
Ihre Bewegung, die Gespräche fortzuführen. Warum?
Suleiman Mohammed Jammus: Ich kann nur für die SLA und nicht für die JEM sprechen. Wir
wollen Frieden und einen Waffenstillstand. Doch die Waffenstillstände werden von der Regierung immer wieder gebrochen - deswegen verweigern wir im Augenblick weitere Gespräche, bis die Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Darfur eingestellt werden. Mit den Friedensgesprächen wollte die Regierung ohnehin nur Zeit schinden, bis die Probleme im Südsudan gelöst sind und sie ihre Truppen voll und ganz auf den Krieg gegen uns und gegen Darfur konzentrieren kann. Das Schlimmste steht uns noch bevor. Wir erwarten heftige Angriffe in den nächsten Wochen und Monaten.
Die Regierung behauptet ihrerseits, dass die Rebellen den Waffenstillstand brechen.
Wir versuchen den Waffenstillstand nicht zu brechen. Jedem Angriff geht eine Provokation der
Regierung oder der Janjaweed-Milizen voraus. Wir reagieren nur, um uns zu verteidigen.
Es hat sich also nichts verändert? Alles läuft nach dem bekannten Muster: Arabische
Milizen provozieren Rebellen, Rebellen greifen Regierungsstellungen an, Regierung
reagiert mit Bomben- und Hubschrauberangriffen auf Zivilisten, brennt Dörfer nieder und
zwingt die Zivilbevölkerung zur Flucht?
So ist es - leider. Aber ich betone: Wir verteidigen uns nur.
Welche Ziele verfolgt die SLA?
Wir wollen überleben, wir wollen unser Recht einfordern, in unserem eigenen Land in Frieden leben zu dürfen; und wir wollen freie Wahlen für ganz Sudan. Wenn dies nicht geschieht, werden wir so lange kämpfen, bis wir in Khartum einmarschieren und die Regierung stürzen.
Die SLA will also den Sudan regieren?
Nein, wir wollen freie Wahlen. Oder die internationale Gemeinschaft, allen voran die UNO und die Afrikanische Union (AU), sorgt dafür, dass der Waffenstillstand eingehalten wird, die Armee sich in ihre Stützpunkte zurückzieht, die Janjaweed-Milizen entwaffnet und freie Wahlen organisiert werden. Das wäre das Ende der Beshir-Regierung und somit das Ende des Genozids.
Wie viele Mann hat die SLA unter Waffen?
35.000. Wenn nötig, mobilisieren wir 200.000. Jeder Mann, jeder Junge in Darfur ist bereit, sein Leben zu geben.
Wie will die SLA 200.000 Mann bewaffnen? Bekommen Sie Unterstützung aus dem Ausland?
Wir erhalten keinerlei Unterstützung. Alle unsere Waffen haben wir in der Schlacht erobert.
Unterstützung erhalten wir nur von der Bevölkerung in Darfur. Viele Soldaten der Regierung laufen zu uns über - sie wollen nicht gegen unschuldige Zivilisten kämpfen.
Und so wollen Sie in Khartum einmarschieren?
So Gott will.
Was wünschen Sie sich von der internationalen Gemeinschaft, besonders von der UNO und der AU?
Von der UNO wünsche ich mir, dass sie endlich Truppen schickt, um die Janjaweed zu entwaffnen. Wenn sie schon nicht unsere Soldaten unterstützt, so sollte sie doch den Menschen in Darfur helfen, die jeden Tag getötet oder vertrieben werden. Die AU kann diesen Konflikt auf keinen Fall lösen - noch nicht. Sie ist zu schwach und zu unerfahren. Bisher kann sie nur Beobachter schicken.
INTERVIEW: CARSTEN STORMER
taz Nr. 7559 vom 8.1.2005