Aktuelle Katastrophenmeldungen:
Produktionsrückgang, feindliche Übernahmen, Managergier
Der deutsche Kapitalismus, einst die zweitstärkste
Wirtschaftsmacht des Planeten, säuft ab. Für die
über- wiegende Mehrheit der Bevölkerung gibt es keine
Rettungsboote. Mit Sprüchen wie "Keine Panik auf der Titanic"
oder "Der Aufschwung kommt" werden wir bei Laune gehalten
- während die Profiteure des Untergangs sich längst mit allem,
was nicht niet- und nagelfest ist, aus dem Staub gemacht
haben.
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Einige Meldungen aus den letzten 48 Stunden
Kaufstreik: Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels
(HDE) klagt über schrumpfenden Absatz. Im
Weihnachtsgeschäft ist der Umsatz gegenüber dem Vorjahr
um ein Viertel eingebrochen, im Vergleich zu 1999 hat er sich
sogar mehr als halbiert. Auf das gesamte letzte Jahr bezogen
betrug der Rückgang 0,9 Prozent. Deswegen sind 50.000
Stellen abgebaut worden - mehr als je zuvor in der Geschichte
der Bundesrepublik. Weitere 30.000 Arbeitsplätze dürften
dieses Jahr folgen, so HDE-Präsident Hermann Franz. Ein
weiterer Verbandsfunktionär warnte vor einem
"Vernichtungs- wettbewerb" - immer mehr kleine Geschäfte
müßten aufgeben.
Produktionsrückgang: Die Industrie und das übrige
produzierende Gewerbe verzeichneten im Januar einen
Fertigungsrückgang gegenüber dem Vorjahresmonat um 2,0
Prozent. Auch Deutschlands (und Europas) größter Autobauer
Volkswagen ist in der Krise. Im vergangenen Jahr wurde der
Gewinn der Wolfsburger mit 1,1 Milliarden Euro im Vergleich
zum Vorjahr mehr als halbiert. Der eingebrochene Dollar
kostete den Konzern 1,6 Milliarden Euro.
Export-Suizid: Das Miniwachstum der deutschen
Gesamtwirtschaft (2003 bei gerade 0,4 Prozent) wird nur noch
vom Export getragen. Mit einer Warenausfuhr im Wert von 664
Milliarden Euro und einem Exportüberschuß von 135 Milliarden
Euro war das letzte Jahr das beste in der Geschichte des
deutschen Außenhandels - Deutschland ist mit diesen Zahlen
weltweit die Nummer eins. Doch der Preis dafür ist hoch: Die
Staaten, die deutsche Waren importieren, verschulden sich
zunehmend. So lag das Handelsdefizit Estlands im letzten Jahr
bei fast 15 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung,
meldete Financial Times Deutschland am Dienstag - "fünfmal
soviel wie in Argentinien, bevor dort 2001 die Finanzkrise
begann". Ab 1. Mai aber gehört Estland zur Europäischen
Union und erhält dann Ausgleichszahlungen der EU. Genauer
gesagt: Der Steuerzahler muß den Esten recht und schlecht
ersetzen, was deutsche Konzerne dort herausgeholt haben.
Managergier: Besonders aufschlußreich sind die Vorgänge bei
der Deutschen Bank. Deren Chef Josef Ackermann hat im
vergangenen Jahr fast 60 Prozent mehr verdient als 2002.
Nach Angaben aus Frankfurter Bankenkreisen kletterten seine
Bezüge für 2003 auf elf Millionen Euro. Im Zusammenhang mit
umstrittenen Millionen- zahlungen an Vorstände des früheren
Mannesmann-Konzerns steht Ackermann derzeit in Düsseldorf
vor Gericht. Mit dem Elf-Millionen-Euro-Paket steigt der
Deutsche-Bank-Chef zum Spitzenverdiener unter den
deutschen Managern auf. Gleichzeitig führte das Finanzinstitut
Fusionsgespräche mit der US- amerikanischen Citigroup, der
weltgrößten Bank. Vor allem ranghohe Investmentbanker, die
sich bei einem Zusammengehen der Institute üppige
Abfindungszahlungen versprechen, seien an dem Deal
interessiert, berichtete die Welt am Sonntag. Mit anderen
Worten: Dieselbe hochbezahlte Managerclique, die sich wegen
der Verscherbelung des Mannesmann-Konzernes derzeit
verantworten muß, plant nun mit der Deutschen Bank
dasselbe.
Damit spitzt sich der Widerspruch zwischen den klassischen
Kapitalisten und den postmodernen Managern zu. Die großen
deutschen Firmenimperien (Daimler, Henkel, ALDI-Albrecht,
BMW-Quandt, Porsche, Springer) setzen auf die Ausbeutung
der Arbeitskraft, was immerhin den Vorteil hat, daß sie an
altmodischen Dingen wie Produktion und indirekt auch an
Arbeitsplätzen ein gewisses Interesse haben. Aus diesen
Kreisen kommt mit die schärfste Kritik am Verhalten von
Ackermann. Dieser steht wie kein zweiter für die kurzfristige
Abzocke, die Ausschlachtung von Firmen und ganzer Branchen.
Das hat nichts mehr mit Mehrwertproduktion zu tun, sondern
ist Raub.
In diesem Machtkampf haben die klassischen Kapitalisten
schlechte Karten - und sie sind selber schuld: Je schlechter sie
ihre Arbeiter bezahlen und je mehr sie entlassen, umso
weniger können die sich die hergestellten Waren kaufen. Dann
schlägt die Stunde der Aasgeier. Sie eignen sich mit kriminellen
Mitteln die aufgehäuften Reichtümer an, die aufgrund der
Rezession nicht mehr investiert werden. So beraubten die
Ackermänner Mannesmann - und so beraubt die Bush-Regierung
den Irak.
Jürgen Elsässer