13.04.2001

Artikel

El Salvador
Zwei deutsche Frauen
erlebten das Erdbeben

Susanne Weiblen und Sigrid Kraft aus Metzingen waren während des Erdbebens in El Salvador - Ganze Dörfer zerstört

»Vielleicht hat das nur Sekunden gedauert«, vermutet Susanne Weiblen, und Sigrid Kraft ergänzt: »Bis wir verstanden haben, was das ist, geht einem vieles durch den Kopf. Da verliert man völlig das Zeitgefühl«. Als die Erde am Samstag, 13. Januar, in El Salvador bebte, saßen die beiden Frauen, die im Metzinger Weltladen ehrenamtlich arbeiten, auf Einladung des Geschäftsführers einer Kaffee-Kooperative im Department Morazan im Nordosten des mittelamerikanischen Landes, beim Tee. »Wir haben uns sofort ins Freie geflüchtet«, schildert Susanne Weiblen.

Eine Informationsreise in das bettelarme Land, dessen zweitgrößter Kaffeekunde die Bundesrepublik Deutschland ist, sollte es sein. Der dreiwöchige Trip, organisiert von der Kaffeekampagne El Salvador mit Sitz in Köln, für Mitglieder der Weltläden und Solidaritätsgruppen, führte die siebenköpfige Gruppe zu den Entstehungsorten der wichtigsten Exportprodukte des Landes: Kaffee und Textilien. Vor allem zu den Kaffee-Kooperativen, von denen die 600 Weltläden in Deutschland die koffeinhaltigen Bohnen beziehen, die im Hochland auf über tausend Meter wachsen.

»Nur ein Teil der Kaffee-Produktion geht an die Weltläden«, erklärt Susanne Weiblen. - Der von den ehrenamtlichen Mitarbeitern durch den Verkauf sogenannter Dritte-Welt-Waren erwirtschaftete Überschuss fließt in die Selbsthilfegruppen und Genossenschaften aus denen die Produkte stammen. - »Der größte Teil der Kaffee-Ernte wird konventionell gehandelt«. Trotz Agrarreform nach dem Ende des Bürgerkrieges 1992 ist das Kaffee-Geschäft immer noch größtenteils in Großgrundbesitzerhand.

Seit dieser Zeit arbeiten die Weltläden mit den Genossen- schaften zusammen. »Damit sind die Anfänge gemacht«, hat Sigrid Kraft bei ihren Besuchen festgestellt. »Doch es wird noch lange dauern, bis sich das Land von den Folgen des Bürgerkrieges erholt«. Obwohl dem Bericht der beiden Frauen zufolge viel europäische Entwicklungshilfe nach El Salvador, das nur etwa so groß wie Hessen ist, und sechs Millionen Bewohner hat, fließt.

Umso dramatischer sei das Erdbeben für die Menschen gewesen, die trotz mühseligem Kaffee-Anbau und Vermarktungshilfe über die Weltläden mit dem Existenz- minimum leben müssen. »Nach den vorläufigen Schätzungen des zuständigen Ministeriums belaufen sich die Erdbebenschäden in der salvadorianischen Landwirtschaft auf hundert Millionen US-Dollar«, berichtete Ulf Baumgärtner von der Kaffee-Kampagne El Salvador mit Sitz in Köln Susanne Weiblen in dieser Woche per E-Mail. Baumgärtner hatte die Gruppe als Reiseleiter begleitet und war nach der Naturkatastrophe im Land geblieben, um für einen Spendenaufruf für die betroffenen Kaffee-Kooperativen zu berichten.

»In Morazan haben wir die gewaltigen Stöße des Erdbebens zwar gespürt, dennoch kam der Osten des Landes glimpflich davon«, berichtet Susanne Weiblen. »Die meisten Toten gab es bei einem von dem Beben verursachten Erdrutsch in den Siedlungen Las Colinas und Santa Tecla.« Westlich der Hauptstadt San Salvador. War in ersten Meldungen, von 200 Häusern die Rede, die unter den bis fünf Meter hohen Erdmassen begraben wurden, sei Zahl mit dem Beginn der Bergungsarbeiten rasch gestiegen. »Schätzungen zufolge muss mit über tausend Toten allein in diesen Siedlungen gerechnet werden«, sagt Susanne Weiblen.

Von zerstörten Bewässerungsanlagen, gebrochenen Dämmen und 400 Hektar verschütteten Kaffeeplantagen, auf denen die Kaffeepflückerinnen bei der Arbeit ums Leben kamen, berichtet Ulf Baumgärtner. Viele der Kooperativen in den Bergregionen seien vom Erdbeben schwer betroffen. In etlichen Dörfern seien die Häuser zum großen Teil zerstört, die anderen beschädigt. Immer wieder hätte es Nachbeben gegeben. »Da sind die Häuser, eigentlich sind es Lehmhütten, wie Streichhölzer zerbrochen«, erzählt Susanne Weiblen. »Wie die Leute ihren Hausrat da rausgeschafft haben, war das Schlimmste, was wir gesehen haben«. »Wir sind gar nicht in die zerstörten Dörfer reingefahren und haben keine Fotos gemacht«, ergänzt Sigrid Kraft leise.

Kurz vor dem Abflug am 18. Januar, in der Hauptstadt San Salvador haben die beiden Metzingerinnen, wie andere Hotelgäste auch, die Nacht in der Eingangshalle des Hotels verbracht. »Damit wir bei der kleinsten Erschütterung raus konnten«, erklärt Weiblen.

Für 2 000 Familien in den betroffenen Genossenschaften hat der Agrarreform-Kooperativen-Verband »Fesacora«, mit dem die Kaffee-Kampagne El Salvador seit acht Jahren zusammenarbeitet, um internationale Unterstützung gebeten. Pro Familie rechnet der Verband für den Bau provisorischer Hütten, Matratzen, Leintücher und Grundnahrungsmittel für 14 Tage umgerechnet 600 Mark. Der Weltladen, der Kontakte zu den Kaffee-Kooperativen unterhält, bittet um Spenden auf das folgende Konto: »Förderkreis Solidarische Welt e.V. Bei der Volksbank Metzingen, BLZ 640 912 00. Konto-Nummer: 262 042 002. Stichwort: El Salvador. Spendenquittungen können ausgestellt werden.

 

Julie-Sabine Geiger

 

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