Nahezu 80.000 Tonnen Atommüll sind in den USA bisher allein durch den Betrieb von AKWs angefallen - über den
Atommüll des US-Militärs sind kaum Zahlen zu erlangen - und dies ohne Rücksicht darauf, daß es für die Tausende
von Generationen lang strahlenden Spaltprodukte bislang nirgendwo auf der Erde einen sicheren Platz gibt.
Die US-Regierung ist nun - gerade im Hinblick auf den unrühmlichen historischen Umgang mit den Indianervölkern
Nordamerikas - auf eine besonders perfide Idee verfallen, wie sie den Atommüll der Energiekonzerne "entsorgen"
könnte: im Basalt-Gestein des Yucca Mountain auf dem Territorium des Volks der Westlichen Schoschonen1.
Diese wehren sich gegen die "Endlager"-Pläne und richteten nun u.a. eine Petition an die OSZE.
Für Physiker mag die Einlagerung von rund 80.000 Tonnen strahlendem und Hitze entwickelndem Material in
Basalt-Gestein ein spannendes Experiment darstellen. Käme es zu einer Freisetzung wie bei den Experimenten
mit dem Atomreaktor von Tschernobyl, würde es die damalige Katastrophe noch weit in den Schatten stellen. Erst
im letzten Jahr ereignete sich nur 12 Kilometer vom Yucca Mountain entfernt ein Erdbeben der Stärke 4,4 auf der
Richter-Skala.
Das vom Volk der Westlichen Schoschonen begründete Shundahai-Netzwerk versucht die internationale Öffentlichkeit
auf dieses geplante Verbrechen, das nicht nur von regionaler, sondern auch von globaler Bedeutung ist, aufmerksam
zu machen. Nach der Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) kam nun auch
'ai' (amnesty international) in einem Bericht vom 14. Mai dieses Jahres zum Ergebnis, daß die Rechte des Volkes
der Westlichen Schoschonen auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Eigentum
durch den Umgang der US-Regierung mit deren Landrechten verletzt werden.
Ein im Jahre 1863 geschlossener "Vertrag von Ruby Valley" gewährt der US-Regierung zwar weitgehende
Landnutzungsrechte, darunter unstreitig auch die wirtschaftliche Nutzung aller Bodenschätze im Gebiet der
Westlichen Schoschonen, wobei der Staat durch Goldfunde reichlich profitierte, überträgt das Eigentum am
Land aber nicht auf die USA. Damit sind die Westlichen Schoschonen neben den Sioux und den Hopi die
einzigen Indianer Nordamerikas, die heute noch Rechtsansprüche auf Landbesitz geltend machen können.
Der immer nur zu Ungunsten der Indianer interpretierte Vertrag enthält allerdings keinesfalls eine Klausel,
Müll - und dazu derart gefährlichen - auf Schoschonen-Territorium deponieren zu dürfen. Im "Vertrag von Ruby Valley"
wird den Westlichen Schoschonen zumal ausdrücklich garantiert, innerhalb von Reservationen Landwirtschaft zu betreiben.
Dennoch wurden Atombomben-Tests durchgeführt, unbezahlbare Weide-Gebühren gefordert als Gold-Firmen Interesse
an Gelände fanden und Vieh der Indianer beschlagnahmt, wenn sie nicht in der Lage waren, geforderte Gebühren zu
bezahlen. Zum Unglück der Indianer befinden sich unter ihrem Land die zweitgrößten Goldvorkommen der Welt.
Gold-Firmen arbeiteten im Bundesstaat Nevada, über das sich das Territorium der Westlichen Schoschonen
größtenteils ersteckt, bis heute rücksichtslos mit grundwassergefährdender Zyanidlaugungstechnik. Die fünftgrößte
Gold-Bergbaufirma 'Placer Dome' meldet gegenüber Investoren für das Gold unter dem Reservations-Gebiet Crescent
Valley eine Umsatz-Erwartung von über einer Milliarde Dollar.
Beim Deal mit dem "Endlager" im Yucca Mountain soll übrigens die gerade aktuell als Kriegsgewinnlerin im Irak zu
unrühmlicher Bekanntheit gekommene Firma Bechtel an vorderster Front mitmischen. Dabei ist allein die Sicherheit
für den Transport des bisher dezentral gelagerten Atommülls nach Ansicht von Experten unbezahlbar.
Lois Whitney, Aktivistin des in der Kleinstadt Elko im Norden Nevadas ansässigen "Western Shoshone Defense
Project" (WSDP) freut sich ganz offenkundig, daß den Weißen nicht ganz Amerika gehört: "Sie konnten ihren
Landraub nicht beenden, denn für unser Land besitzen sie keine Grundbucheintragung." Das WSDP kämpft politisch
und juristisch für das Recht der West-Schoschonen auf ihren Grund und Boden, obwohl die Vorstellung, Grund und
Boden zu besitzen, den Indianern traditionell völlig fremd ist. Sie haben dieses Recht jedoch als mächtigen Hebel zur
Verteidigung ihres Überlebens erkannt.
Bei diesem Rechtsstreit, der sich nun schon seit über 50 Jahren hinzieht und Berge von Aktenordner füllt, geht es
auch für die US-Regierung um sehr viel: Neben dem Gold um eine Vielzahl von Militär-Stützpunkten und nicht zuletzt
um das "Endlager" für den Atommüll. Aktenkundig wurde der Rechtsstreit um 1950 als die US-Regierung den
Westlichen Schoschonen plötzlich Entschädigungen für ihr Land anbot. Bis auf wenige Ausnahmen lehnten die
Indianer das Angebot ab. Daraufhin beschloß Washington 1962 einseitig, daß die Eingeborenen ihr Land aufgrund
"allmählicher Anmaßung durch Weiße, Siedler und andere" verloren hätten. Es wurde ein fiktives Datum für diesen
Verlust erfunden, der 1. Juli 1872, und spärliche 15 Cents pro Acre (4000 Quadratmeter) als "Entschädigung" festgelegt.
Der Gesamtbetrag von 26 Millionen Dollar wurde auf ein Sperrkonto des Innenministeriums gebucht, wo er noch
heute - mit Zinsen auf inzwischen 140 Millionen Dollar angewachsen - liegt.
Als die Schoschonen das Geld auch weiterhin nicht wollten, entschied "der weiße Vater in Washington" und das
Innenministerium als Vormund akzeptierte das Geld im Namen der Schoschonen. 1985 schloß sich zwar auch der
Oberste Gerichtshof der USA dieser Auffassung an und nun soll pro Kopf der etwa 6.500 Berechtigten gut 20.000
Dollar ausbezahlt werden. Der Witz ist jedoch: Ein Rechtstitel auf das Land läßt sich daraus nicht ableiten:
Raymond Yowell, seit 15 Jahren Häuptling der Westlichen Schoschonen weist auf die entscheidende Frage hin:
"Wie habt ihr das Land gekriegt? Zeigt mir die Eintragung im Grundbuch." Eine solche gibt es nach wie vor nicht
und so hegen viele US-Amerikaner Zweifel über den Rechtsstatus.
Petra Willaredt
Anmerkung:
1 Sehr empfehlenswert und informativ auch zu anderen
nord-amerikanischen
Indianervölkern ist die Internet-Seite
www.indianer-scout.de. Sehr gut recherchiert
ist die Geschichte
der einzelnen Völker, ihre Verdrängung, Abwehrkämpfe, Kriege,
die teilweise Vernichtung...