10.09.2003

Die US-"Endlager"-Pläne
und die Schoschonen

Nahezu 80.000 Tonnen Atommüll sind in den USA bisher allein durch den Betrieb von AKWs angefallen - über den Atommüll des US-Militärs sind kaum Zahlen zu erlangen - und dies ohne Rücksicht darauf, daß es für die Tausende von Generationen lang strahlenden Spaltprodukte bislang nirgendwo auf der Erde einen sicheren Platz gibt.

Die US-Regierung ist nun - gerade im Hinblick auf den unrühmlichen historischen Umgang mit den Indianervölkern Nordamerikas - auf eine besonders perfide Idee verfallen, wie sie den Atommüll der Energiekonzerne "entsorgen" könnte: im Basalt-Gestein des Yucca Mountain auf dem Territorium des Volks der Westlichen Schoschonen1. Diese wehren sich gegen die "Endlager"-Pläne und richteten nun u.a. eine Petition an die OSZE.

Für Physiker mag die Einlagerung von rund 80.000 Tonnen strahlendem und Hitze entwickelndem Material in Basalt-Gestein ein spannendes Experiment darstellen. Käme es zu einer Freisetzung wie bei den Experimenten mit dem Atomreaktor von Tschernobyl, würde es die damalige Katastrophe noch weit in den Schatten stellen. Erst im letzten Jahr ereignete sich nur 12 Kilometer vom Yucca Mountain entfernt ein Erdbeben der Stärke 4,4 auf der Richter-Skala.

Das vom Volk der Westlichen Schoschonen begründete Shundahai-Netzwerk versucht die internationale Öffentlichkeit auf dieses geplante Verbrechen, das nicht nur von regionaler, sondern auch von globaler Bedeutung ist, aufmerksam zu machen. Nach der Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) kam nun auch 'ai' (amnesty international) in einem Bericht vom 14. Mai dieses Jahres zum Ergebnis, daß die Rechte des Volkes der Westlichen Schoschonen auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Eigentum durch den Umgang der US-Regierung mit deren Landrechten verletzt werden.

Ein im Jahre 1863 geschlossener "Vertrag von Ruby Valley" gewährt der US-Regierung zwar weitgehende Landnutzungsrechte, darunter unstreitig auch die wirtschaftliche Nutzung aller Bodenschätze im Gebiet der Westlichen Schoschonen, wobei der Staat durch Goldfunde reichlich profitierte, überträgt das Eigentum am Land aber nicht auf die USA. Damit sind die Westlichen Schoschonen neben den Sioux und den Hopi die einzigen Indianer Nordamerikas, die heute noch Rechtsansprüche auf Landbesitz geltend machen können. Der immer nur zu Ungunsten der Indianer interpretierte Vertrag enthält allerdings keinesfalls eine Klausel, Müll - und dazu derart gefährlichen - auf Schoschonen-Territorium deponieren zu dürfen. Im "Vertrag von Ruby Valley" wird den Westlichen Schoschonen zumal ausdrücklich garantiert, innerhalb von Reservationen Landwirtschaft zu betreiben.

Dennoch wurden Atombomben-Tests durchgeführt, unbezahlbare Weide-Gebühren gefordert als Gold-Firmen Interesse an Gelände fanden und Vieh der Indianer beschlagnahmt, wenn sie nicht in der Lage waren, geforderte Gebühren zu bezahlen. Zum Unglück der Indianer befinden sich unter ihrem Land die zweitgrößten Goldvorkommen der Welt. Gold-Firmen arbeiteten im Bundesstaat Nevada, über das sich das Territorium der Westlichen Schoschonen größtenteils ersteckt, bis heute rücksichtslos mit grundwassergefährdender Zyanidlaugungstechnik. Die fünftgrößte Gold-Bergbaufirma 'Placer Dome' meldet gegenüber Investoren für das Gold unter dem Reservations-Gebiet Crescent Valley eine Umsatz-Erwartung von über einer Milliarde Dollar.

Beim Deal mit dem "Endlager" im Yucca Mountain soll übrigens die gerade aktuell als Kriegsgewinnlerin im Irak zu unrühmlicher Bekanntheit gekommene Firma Bechtel an vorderster Front mitmischen. Dabei ist allein die Sicherheit für den Transport des bisher dezentral gelagerten Atommülls nach Ansicht von Experten unbezahlbar.

Lois Whitney, Aktivistin des in der Kleinstadt Elko im Norden Nevadas ansässigen "Western Shoshone Defense Project" (WSDP) freut sich ganz offenkundig, daß den Weißen nicht ganz Amerika gehört: "Sie konnten ihren Landraub nicht beenden, denn für unser Land besitzen sie keine Grundbucheintragung." Das WSDP kämpft politisch und juristisch für das Recht der West-Schoschonen auf ihren Grund und Boden, obwohl die Vorstellung, Grund und Boden zu besitzen, den Indianern traditionell völlig fremd ist. Sie haben dieses Recht jedoch als mächtigen Hebel zur Verteidigung ihres Überlebens erkannt.

Bei diesem Rechtsstreit, der sich nun schon seit über 50 Jahren hinzieht und Berge von Aktenordner füllt, geht es auch für die US-Regierung um sehr viel: Neben dem Gold um eine Vielzahl von Militär-Stützpunkten und nicht zuletzt um das "Endlager" für den Atommüll. Aktenkundig wurde der Rechtsstreit um 1950 als die US-Regierung den Westlichen Schoschonen plötzlich Entschädigungen für ihr Land anbot. Bis auf wenige Ausnahmen lehnten die Indianer das Angebot ab. Daraufhin beschloß Washington 1962 einseitig, daß die Eingeborenen ihr Land aufgrund "allmählicher Anmaßung durch Weiße, Siedler und andere" verloren hätten. Es wurde ein fiktives Datum für diesen Verlust erfunden, der 1. Juli 1872, und spärliche 15 Cents pro Acre (4000 Quadratmeter) als "Entschädigung" festgelegt. Der Gesamtbetrag von 26 Millionen Dollar wurde auf ein Sperrkonto des Innenministeriums gebucht, wo er noch heute - mit Zinsen auf inzwischen 140 Millionen Dollar angewachsen - liegt.

Als die Schoschonen das Geld auch weiterhin nicht wollten, entschied "der weiße Vater in Washington" und das Innenministerium als Vormund akzeptierte das Geld im Namen der Schoschonen. 1985 schloß sich zwar auch der Oberste Gerichtshof der USA dieser Auffassung an und nun soll pro Kopf der etwa 6.500 Berechtigten gut 20.000 Dollar ausbezahlt werden. Der Witz ist jedoch: Ein Rechtstitel auf das Land läßt sich daraus nicht ableiten: Raymond Yowell, seit 15 Jahren Häuptling der Westlichen Schoschonen weist auf die entscheidende Frage hin: "Wie habt ihr das Land gekriegt? Zeigt mir die Eintragung im Grundbuch." Eine solche gibt es nach wie vor nicht und so hegen viele US-Amerikaner Zweifel über den Rechtsstatus.

 

Petra Willaredt

 

Anmerkung:
1 Sehr empfehlenswert und informativ auch zu anderen
nord-amerikanischen Indianervölkern ist die Internet-Seite
www.indianer-scout.de. Sehr gut recherchiert ist die Geschichte
der einzelnen Völker, ihre Verdrängung, Abwehrkämpfe, Kriege,
die teilweise Vernichtung...

 

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