8.08.2004

Artikel

Windanlagen unökologisch?

Argumente gegen Behauptungen angeblicher Energie-Experten

Von angeblichen Experten der Energiewirtschaft wird häufig behauptet, Windanlagen seien ökologisch wertlos, weil ihre Leistung nicht gesichert sei. Deshalb müssten aus Gründen der Versorgungs- sicherheit ständig Kohlekraftwerke gleicher Leistung unter Dampf gehalten werden, ohne daß ihr Strom benötigt wird. Somit werde Brennstoff vergeudet.

Diese Behauptung ist in mehrfacher Hinsicht falsch.

Leistungsschwankungen der Windenergie?

Es ist nicht sachgerecht, mit den Leistungsschwankungen einzelner Windräder zu argumentieren. Sturmfronten oder einzelne Windböen kommen nicht gleichzeitig bei allen Windrädern eines Landes an. Dazwischen liegen Stunden! Die Leistungsschwankungen glätten sich bei ihrer Summierung. Die Summen-Leistung aller Windräder ändert sich nur gemächlich und ist mit Hilfe des Wetterdienstes gut zu prognostizieren. Die prognostizierte Leistung der Windräder wird deshalb bereits im "Fahrplan" für die Mittellastkraftwerke berücksichtigt. Dieser Fahrplan wird jeweils am Tag zuvor erstellt und berücksichtigt das voraussichtliche Verhalten der Verbraucher genauso wie die zu erwartenden Erträge der Windanlagen.

Bei Prognosefehlern kann es entweder zu einem unerwarteten Überangebot an Windstrom oder zu einem unerwarteten Mangel kommen. Weil die Gesamtleistung landesweit sich aber nur langsam ändert, bleibt ausreichend Zeit für eine energiesparende Korrektur. Insofern sind die Verhältnisse erheblich günstiger als beim schlagartigen ungeplanten Abschalten eines konventionellen Großkraftwerks.

Unerwarteter Rückgang der Windleistung

Anklagend weisen die angeblichen Experten der Stromwirtschaft darauf hin, daß ständig einige Regelkraftwerke im angedrosselten Betrieb bei voller Brennstoffzufuhr und voller Dampferzeugung mitlaufen und dabei einen großen Teil ihrer thermischen Energie verschenken müssen, damit sie im Notfall innerhalb von Sekunden durch Öffnen der Drossel zusätzliche Energie liefern können. Hier handelt es sich um eine tendenziöse Übertreibung. Der "angedrosselte Betrieb" beteht darin, daß das Kraftwerk nach vertraglicher Vereinbarung mit dem regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber nicht mit voller Brennstoffzufuhr gefahren wird, etwa wie ein Auto, bei welchem das Gaspedal nicht voll durchgetreten ist. und welches deshalb nicht mit Höchstgeschwindigkeit fährt. Der Brennstoffverbrauch ist dann entsprechend geringer. Durch weiteres Öffnen der Dampfventile und gleichzeitiges Erhöhen der Brennstoffzufuhr kann die Leistung schlagartig erhöht werden.

Ein sehr, sehr kleiner energetischer Verlust tritt insofern ein, als im Teil-Lastbetrieb der Gesamt-Wirkungsgrad des Kraftwerks ein klein wenig absinkt, aber zwischen 100 Prozent Vollastbetrieb und 70 Prozent Teil-Lastbetrieb verringert sich der Wirkungsgrad im Mittel nur um einen halben Prozentpunkt, von 39 Prozent (Vollast) auf etwa 38,5 Prozent (Teillast). Der angeblich hohe Verlust an Brennstoff schrumpft somit auf einen halben Prozentpunkt - und dies auch nur für den Fall, daß ein Prognosefehler vorliegt. (Nach Angaben von Alex Sorokin, der als ehemaliger Projektierer von Dampfturbinen auf einschlägige Erfahrungen zurückgreifen kann.)

Für den Kraftwerksbetreiber ergibt sich aus der angedrosselten Betriebsweise kein energetischer, sondern ein finanzieller Nachteil, weil die Kraftwerksleistung (und damit die Investition) nicht voll ausgenutzt wird, und somit, im Vergleich zur Voll-Ausnutzung, ein wirtschaftlicher Verlust eintritt. Um diesen Verlust auszugleichen, ist es üblich, daß der Stromnetzbetrieber den Kraftwerksbetreiber für diese nicht ausgenutzte Regelleistung bezahlen muss.

Ein Rückgang der Windleistung, der in der Summe nur langsam erfolgt - kann also völlig unspektakulär von ganz normalen Kohlekraftwerken ausgeglichen werden, die bis dahin noch nicht mit voller Leistung Strom erzeugt haben und deren Brennstoffzufuhr im Bedarfsfall rasch erhöht werden kann; vorher verbrauchten sie entsprechend weniger Brennstoff.

Ungeplanter Stromüberschuß

Ungeplanter Stromüberschuß (wenn mehr Wind weht als vorausgesagt) geht ebenfalls nicht verloren. Er wird zum Auffüllen der Pumpspeicherkraftwerke verwendet. Es wird dann Wasser vom unteren ins obere Becken hochgepumpt und steht dort zur Erzeugung wertvollen Spitzenlaststroms bereit. Gerade vor wenigen Monaten wurde von Vattenfall ein neues großes Pumpspeicherkraftwerk von über 1000 MW in Goldistal im Thüringer Wald in Betrieb genommen. Außerdem werden dann Mittellastkraftwerke durch Verminderung der Brennstoffzufuhr in ihrer Leistung zurückgenommen, und damit wird direkt Brennstoff gespart.

Abwehrkampf gegen die Erneuerbaren Energien

Die Elektrizitätswirtschaft vergeudet keine Energie, nicht einmal bei Windstrom. Aber Jammern über die Erneuerbaren Energien gehört zur Öffentlichkeitsarbeit.

Ausblick

Derzeit gibt es genügend Kohle- und Gaskraftwerke, die ihre Leistung erhöhen können, wenn Wind- und Sonnenenergie aufgrund ungünstiger Wetterlagen in ganz Europa nachlassen.

Bei weiterem Ausbau der Erneuerbaren Energien müssen jedoch Kraftwerke der Bioenergie und eine weiter zunehmende Zahl von Speicherkraftwerken diese Aufgabe übernehmen. Derzeit sind sie dazu noch nicht in der Lage. Dies liegt nicht an fehlenden technischen Möglichkeiten, sondern an den höheren Kosten für zeitlich gesteuertes Einspeisen und für Speichern von Strom. Der Gesetzgeber muß deshalb Anreize zum bedarfsorientierten Einspeisen und zeitgerechten Speichern von Strom bieten. Hier besteht politischer Handlungsbedarf!

 

Wolf von Fabeck

 

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