Argumente gegen Behauptungen angeblicher Energie-Experten
Von angeblichen Experten der Energiewirtschaft wird häufig
behauptet, Windanlagen seien ökologisch wertlos, weil ihre Leistung
nicht gesichert sei. Deshalb müssten aus Gründen der
Versorgungs- sicherheit ständig Kohlekraftwerke gleicher Leistung
unter Dampf gehalten werden, ohne daß ihr Strom benötigt wird.
Somit werde Brennstoff vergeudet.
Diese Behauptung ist in mehrfacher Hinsicht falsch.
Leistungsschwankungen der Windenergie?
Es ist nicht sachgerecht, mit den Leistungsschwankungen einzelner
Windräder zu argumentieren. Sturmfronten oder einzelne Windböen
kommen nicht gleichzeitig bei allen Windrädern eines Landes an.
Dazwischen liegen Stunden! Die Leistungsschwankungen glätten sich
bei ihrer Summierung. Die Summen-Leistung aller Windräder ändert
sich nur gemächlich und ist mit Hilfe des Wetterdienstes gut zu
prognostizieren. Die prognostizierte Leistung der Windräder wird
deshalb bereits im "Fahrplan" für die Mittellastkraftwerke
berücksichtigt. Dieser Fahrplan wird jeweils am Tag zuvor erstellt
und berücksichtigt das voraussichtliche Verhalten der Verbraucher
genauso wie die zu erwartenden Erträge der Windanlagen.
Bei Prognosefehlern kann es entweder zu einem unerwarteten
Überangebot an Windstrom oder zu einem unerwarteten Mangel kommen.
Weil die Gesamtleistung landesweit sich aber nur langsam ändert,
bleibt ausreichend Zeit für eine energiesparende Korrektur.
Insofern sind die Verhältnisse erheblich günstiger als beim
schlagartigen ungeplanten Abschalten eines konventionellen
Großkraftwerks.
Unerwarteter Rückgang der Windleistung
Anklagend weisen die angeblichen Experten der Stromwirtschaft
darauf hin, daß ständig einige Regelkraftwerke im angedrosselten
Betrieb bei voller Brennstoffzufuhr und voller Dampferzeugung
mitlaufen und dabei einen großen Teil ihrer thermischen Energie
verschenken müssen, damit sie im Notfall innerhalb von Sekunden
durch Öffnen der Drossel zusätzliche Energie liefern können. Hier
handelt es sich um eine tendenziöse Übertreibung. Der
"angedrosselte Betrieb" beteht darin, daß das Kraftwerk nach
vertraglicher Vereinbarung mit dem regelverantwortlichen
Übertragungsnetzbetreiber nicht mit voller Brennstoffzufuhr
gefahren wird, etwa wie ein Auto, bei welchem das Gaspedal nicht
voll durchgetreten ist. und welches deshalb nicht mit
Höchstgeschwindigkeit fährt. Der Brennstoffverbrauch ist dann
entsprechend geringer. Durch weiteres Öffnen der Dampfventile und
gleichzeitiges Erhöhen der Brennstoffzufuhr kann die Leistung
schlagartig erhöht werden.
Ein sehr, sehr kleiner energetischer Verlust tritt insofern ein,
als im Teil-Lastbetrieb der Gesamt-Wirkungsgrad des Kraftwerks ein
klein wenig absinkt, aber zwischen 100 Prozent Vollastbetrieb und 70
Prozent
Teil-Lastbetrieb verringert sich der Wirkungsgrad im Mittel nur um
einen halben Prozentpunkt, von 39 Prozent (Vollast) auf etwa 38,5
Prozent
(Teillast). Der angeblich hohe Verlust an Brennstoff schrumpft
somit auf einen halben Prozentpunkt - und dies auch nur für den
Fall, daß ein Prognosefehler vorliegt. (Nach Angaben von Alex
Sorokin, der als ehemaliger Projektierer von Dampfturbinen auf
einschlägige Erfahrungen zurückgreifen kann.)
Für den Kraftwerksbetreiber ergibt sich aus der angedrosselten
Betriebsweise kein energetischer, sondern ein finanzieller
Nachteil, weil die Kraftwerksleistung (und damit die Investition)
nicht voll ausgenutzt wird, und somit, im Vergleich zur
Voll-Ausnutzung, ein wirtschaftlicher Verlust eintritt. Um diesen
Verlust auszugleichen, ist es üblich, daß der Stromnetzbetrieber
den Kraftwerksbetreiber für diese nicht ausgenutzte Regelleistung
bezahlen muss.
Ein Rückgang der Windleistung, der in der Summe nur langsam erfolgt
- kann also völlig unspektakulär von ganz normalen Kohlekraftwerken
ausgeglichen werden, die bis dahin noch nicht mit voller Leistung
Strom erzeugt haben und deren Brennstoffzufuhr im Bedarfsfall rasch
erhöht werden kann; vorher verbrauchten sie entsprechend weniger
Brennstoff.
Ungeplanter Stromüberschuß
Ungeplanter Stromüberschuß (wenn mehr Wind weht als vorausgesagt)
geht ebenfalls nicht verloren. Er wird zum Auffüllen der
Pumpspeicherkraftwerke verwendet. Es wird dann Wasser vom unteren
ins obere Becken hochgepumpt und steht dort zur Erzeugung
wertvollen Spitzenlaststroms bereit. Gerade vor wenigen Monaten
wurde von Vattenfall ein neues großes Pumpspeicherkraftwerk von
über 1000 MW in Goldistal im Thüringer Wald in Betrieb genommen.
Außerdem werden dann Mittellastkraftwerke durch Verminderung der
Brennstoffzufuhr in ihrer Leistung zurückgenommen, und damit wird
direkt Brennstoff gespart.
Abwehrkampf gegen die Erneuerbaren Energien
Die Elektrizitätswirtschaft vergeudet keine Energie, nicht einmal
bei Windstrom. Aber Jammern über die Erneuerbaren Energien gehört
zur Öffentlichkeitsarbeit.
Ausblick
Derzeit gibt es genügend Kohle- und Gaskraftwerke, die ihre
Leistung erhöhen können, wenn Wind- und Sonnenenergie aufgrund
ungünstiger Wetterlagen in ganz Europa nachlassen.
Bei weiterem Ausbau der Erneuerbaren Energien müssen jedoch
Kraftwerke der Bioenergie und eine weiter zunehmende Zahl von
Speicherkraftwerken diese Aufgabe übernehmen. Derzeit sind sie dazu
noch nicht in der Lage. Dies liegt nicht an fehlenden technischen
Möglichkeiten, sondern an den höheren Kosten für zeitlich
gesteuertes Einspeisen und für Speichern von Strom. Der Gesetzgeber
muß deshalb Anreize zum bedarfsorientierten Einspeisen und
zeitgerechten Speichern von Strom bieten. Hier besteht politischer
Handlungsbedarf!
Wolf von Fabeck