Es ist schon seltsam, daß manche linke Blätter mit dem schlichten Hinweis, bei der Visa-Affäre handele es sich lediglich um eine rechte "Kampagne" gegen den deutschen Außenminister, jegliche Berichterstattung ausblenden.
Grund für diese linke Zensur ist ein oberflächliches Schwarz-Weiß- Denken in linken Redaktionsstuben. Bei der Visa-Affäre orientiert es sich am Strickmuster, Außenminister Joseph Fischer werde wegen seiner "liberalen" Ausländer-Politik von Rechts angegriffen und da gelte es die Reihen zu schließen.
An dreierlei muß dabei offenbar erinnert werden:
Erstens ist Joseph Fischer kein linker Politiker mit dem es irgendwelche Reihen zu schließen gäbe. Nicht erst in den letzten sechs Jahren und durch seine Mitverantwortung für die ersten Kriegsbeteiligungen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, durch seine Mitverantwortung an der Bestandsgarantie für deutsche Atomkraftwerke und für den schärfsten Sozialabbau seit Bestehen der Bundesrepublik erwies sich der Herr als Reaktionär.
Zweitens läßt die oberflächliche Betrachtung der "liberalen" Visa-Praxis die Frage nach den zu Grunde liegenden Motiven außer acht. Bereits unter seinem Lehrmeister Helmut Kohl diente die erleichtere Visa-Vergabe neben einer Vielzahl weiterer Instrumente zur "Werbung für eine West-Orientierung" in den GUS-Staaten. Fischer humanitäre Gründe zu unterstellen ist nach seiner Auschwitz-Relativierung zum Zwecke der Kriegshetze und Vorbereitung des Kosovo-Kriegs von schreiender Naivität. Eine tatsächliche historische Parallele ist hingegen mit dem Stichwort "Raum im Osten" aufzuzeigen. Die Osterweiterung der EU dient in erster Linie der deutschen (und internationalen) Wirtschaft als erweitertes Absatzgebiet und zur Rekrutierung von Billig-Lohn-Arbeitskräften (Beispiele: WAZ, E.on, Opel).
Drittens: Alamsirenen müßten doch eigentlich aufheulen, wenn sich Fischer und KonsortInnen nicht schämen, die alte, längst vergessene Vision einer multikulturellen Gesellschaft aus der Mottenkiste hervorholen. Mittlerweile wurde Europa zur Festung ausgebaut und die Zahlen der Asyl-Anträge sinken von Jahr zu Jahr auf neue historische Tiefststände. Haben sich diese Heuchlerinnen und Heuchler je für die massenweise im Mittelmeer ertrinkenden Flüchtlinge aus Afrika interessiert?
Klaus Schramm