Ein Skandal, den nur wenige bemerken
Der Enkel des berühmt-berüchtigten deutschen Konzern-Magnaten Friedrich Flick, Friedrich Christian Flick, kehrt aus dem Schweizer Familien-Exil in die offenen Arme der "rot-grünen" Republik zurück. Er hält zwar weiter seine Taschen zu und gedenkt offenkundig, die Tradition seiner Vorväter fortzusetzen, indem er den Stiftungs-Fonds für ehemalige Zwangsarbeiter ignoriert. Doch als "reuiger" Steuerflüchtling und vermeintlicher Kunstmäzen wird er bereits in skandalöser Weise hofiert.
Wer könnte sich in diesen "schnellebigen" Zeiten noch an den Flick-Skandal erinnern, wenn er nicht durch den Prozeß gegen den einstigen deutschen Innenminister unter Helmut Kohl und Meister der schwarzen Kassen, Manfred Kanther1, erneut ins Gespräch gekommen wäre. Die Union hatte sich mit komplizierten mafiösen Spendenwasch-Anlagen finanzielle Quellen erschlossen, die der Öffentlichkeit verborgen bleiben sollten. Eine zentrale Rolle spielte dabei Anfang der 1980er-Jahre der Flick-Konzern, dessen damaliger Manager Eberhard von Brauchitsch die Zahlungen an die Brauchbaren in allen etablierten Parteien als "Bonner Landschaftspflege" bezeichnete. (Da insbesondere Zahlungen an die Union nachgewiesen werden konnten, verstärkte der Partei-Spenden-Skandal letztlich den Mythos, CDU und CSU seien einzig oder vorrangig die "Parteien des Kapitals".)
Konzern-Gründer Friedrich Flick, der zum engsten Kreis jener Konzern-Magnaten gehörte, die schon die Nazis und Adolf Hitler an deren Spitze mit ihrem Geld an die Macht gebracht hatten, war zwar am 22.12.1947 von einem alliierten Tribunal zu sieben Jahren Gefängnis wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden. Doch schon 1950 kam Flick auf freien Fuß, hatte über Hintermännern längst seinen Konzern reorganisiert und verschaffte sich in der jungen Bonner Bundesrepublik schnell wieder die ihm "gebührende Geltung".
An der Ausbeutung der Zwangsarbeiter war die Friedrich Flick AG während der Nazi-Zeit auf besonders rücksichtslose Weise beteiligt. 40.000 mußten in Flicks Fabriken unter Bedingungen arbeiten, die selbst einem Untersuchungsausschuß der Nazis wegen dem hohen Bedarf an Nachschub als herausragend auffielen. Während nahezu alle der damals an der Ausbeutung von Zwangsarbeitern beteiligten deutschen Konzerne - teils nach erheblicher zeitlicher Verschleppung und erst auf gesteigerten internationalen Druck - sogenannte Wiedergutmachungs-Zahlungen leisteten, weigerte sich Friedrich Flick bis zu seinem Tod. Auch seine Erben hielten - mit Ausnahme der Enkelin Dagmar Ottmann und des Enkels Gert Rudolf Flick - ihre Taschen und Ohren verschlossen.
Einer der beiden Flick-Sohne, Friedrich Karl Flick, verkaufte den Konzern 1985 an die Deutsche Bank und die Familie ließ es sich in ihrer Schweizer Wahlheimat an nichts gebrechen. Nun wäre es zurecht als Sippenhaft zu bezeichnen, sollten die Verbrechen der Familie Flick dem Enkel Friedrich Christian, der nun nach Deutschland zurückgekehrt ist, aufgebürdet werden. Doch die ererbten Reichtümer sind zu großen Teilen auf dem Blut und den Knochen eben jener Zwangsarbeiter errichtet worden. Andere deutsche Konzerne und Erben aus Familien, die im "Wirtschaftswunder" Dank besserer Startbedingungen schnell wieder an die an die Spitze der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft gerückt waren, zeigten Einsicht oder reagierten doch zumindest auf den moralischen Druck. Nicht so "Mick" Flick, der "geistreiche und sympathische Junggeselle" der bereits auf den Partys der Berliner High Society ein häufig gesehener Gast ist.
Anders als ein George Soros beispielsweise, der als Mäzen die moderne Kunst förderte und über weltweit verstreute Institute KünsterInnen betreute und aufbaute, beschränkte sich "Mick" Flick darauf, Kunstwerke - teils en gros - einzukaufen und sich deren Ausstellung gar vom Staat bezahlen zu lassen. Anders als ein Frieder Burda etwa, der immerhin ein der Öffentlichkeit zugängliches Museum für seine Kunstsammlung aus der eigenen Tasche finanzierte und die Kooperation mit staatlichen Stellen suchte, weiß der Enkel Flick die Politik für seine Zwecke einzuspannen wie einst Großväterchen Flick.
Am 22. September soll im Berliner Museum für Gegenwartskunst, dem Hamburger Bahnhof, die Ausstellung der Sammlung "Mick" Flicks eröffnet werden. Umfangreiche Arbeiten zur Vorbereitung der Ausstellung wurden der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übertragen, um überhaupt die "Flick-Collection", eine der weltweit größten Sammlungen moderner Kunst, präsentieren zu können. In Zürich, wo Herr Flick seinen altbekannten Trick zuvor versucht hatte, war der Bau eines Museums - nach heftigen Protesten - abgelehnt worden. In Berlin hingegen scheint die Flick-Connection sehr schnell zu den gewünschten Ergebnissen geführt zu haben.
Einige wenige Einwände wurden laut, konnten aber mit den aberwitzigsten Erklärungen abgebügelt werden. So ist ein Begleitprogramm bei Ausstellungen dieser Art allgemeiner Usus; dieses wurde jedoch als Antwort auf Einwände hervorgehoben. Ganz offensichtlich in der Absicht, sich noch schnell ein Alibi zu verschaffen, wurde nur wenige Wochen vor dem Eröffnungstermin - angeblich im Auftrag von Friedrich Christian Flick - ein Forschungsauftrag an das Münchner Institut für Zeitgeschichte vergeben. Bis dato gibt es hierfür noch nicht einmal ein Exposé.
Gegen alle Abwiegelungsversuche ging nun die Flick-Enkelin Dagmar Ottmann an die Öffentlichkeit. Sie selbst hatte bereits 2001 einen verhältnismäßig hohen Betrag in den Stiftungs-Fonds für ehemalige Zwangsarbeiter eingezahlt, so daß ihr in dieser Angelegenheit keine vordergründigen Absichten zu unterstellen sind. Sie kritisiert die Verbindung der Ausstellung mit dem Namen Flick und weist auf die Selbstverständlichkeit hin, daß vor einer solchen Ausstellung wenigstens die bislang nicht zugänglichen Akten, die Aufschluß über die Verbindungen des Flick-Konzerns mit dem Nazi-Regime geben können, von der Familie Flick für die wissenschaftliche Aufarbeitung freigegeben werden müßten. Auf eigene Kosten hat sie bereits vor einem Jahr den renommierten Historiker Norbert Frei beauftragt, sich diesem dunklen Kapitel anzunehmen. Doch bislang blieben jene Akten noch sämtlichen HistorikerInnen verschlossen.
Die frühere Bundestagsabgeordnete Hildegard Hamm-Brücher, die schon immer eine für deutsche Verhältnisse ungewöhnliche Sensibilität zeigte, wenn andere lieber den "Mantel des Vergessens" über Themen der braunen deutschen Vergangenheit ausbreiten wollten, fragte bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nach. Die Verantwortlichen entblödeten sich nicht zu antworten, sie würden sich nicht in "Familienquerelen" einmischen. Auch Hamm-Brücher stellt nun öffentlich die Frage, warum nicht wenigstens zuerst auf die längst überfällige wissenschaftliche Aufarbeitung der Flickschen Nazi-Connection gedrungen wird. Erst danach könne die Schirmherrschaft über diese Ausstellung übernommen werden. Sie fürchtet zu recht, daß heute die "Zeit der Entsorgung" angebrochen ist. Denn gerade bei der gegenwärtigen Schwemme an Doku-Soaps zu zweit- und drittrangigen Nazi-Themen, die ganz offensichtlich eine Übersättigung des Publikums zur Folge haben, bleibt eine entscheidende Frage immer ausgespart: Wie konnten die Nazis an die Macht gelangen?
Solveig Brendel
Anmerkung:
1 Manfred Kanther steht vor Gericht, weil er - zusammen mit Casimir Prinz
zu Sayn-Wittgenstein und Horst Weyrauch - 1983 über 20 Millionen Euro "unbekannter
Herkunft" auf Schweizer Nummern- Konten verschoben hat. Außer diesen drei
Spießgesellen will niemand - insbesondere nicht der heutige hessische Ministerpräsident
Roland Koch - von diesem Schatz gewußt haben, obwohl das Geld aus der Schweiz
reichlich in die CDU-Kassen und vor allem an geeignete CDU-Hoffnungsträger floß.
Vor dem Flick-Skandal, der Anfang der 80er die Republik erschütterte und Bundeskanzler
Kohl fast das Amt gekostet hätte, flossen die verdeckten Spenden an die Union über die "Staatsbügerliche Vereinigung", die als Spendenwaschlanlage zwischengeschaltet war.
Auf dem Höhepunkt der Partei-Spenden- Affaire zogen die Grünen - eine solche Partei
gab es damals nicht nur dem Namen nach - mit einem heftig umstrittenen Plakat in den
Wahlkampf, auf dem Helmut Kohl, Otto Graf Lamdsdorff & Co. als Punks karikiert waren
- Motto: legal - illegal - scheißegal.
Ab 1983 flossen die Gelder aus der Schweiz beispielsweise über Testamentsvollstrecker
in die Kassen der CDU. Perfider Weise wurden diese Finanzmittel häufig als Erbschaften
jüdischer Mitbürger deklariert. Vermutlich werden die drei Angeklagten straffrei
ausgehen, da sich Kanther darauf beruft, die CDU nicht geschädigt zu haben und andere
strafrechtlich relevante Anklagepunkte inzwischen verjährt sind.