17.09.2003

Artikel

"Florida-Rolf"

Von Populisten und Schildbürgern

Da ist der gute Mann auf seine alten Tage sogar noch richtig berühmt geworden. Zwar hat er nun seinen nicht gerade zweifelhaften Ruf weg, aber ihm kann das vergleichsweise gleich sein, denn der 64-jährige steht ohnehin kurz vor der Rente und was immer man ihm vorwerfen mag, nach allem, was bis jetzt bekannt ist, wird ihm kaum regelrechter Rechtsbruch vorzuwerfen sein. Was ihm vorzuwerfen ist, ist eher eine gewisse Dreistigkeit, eine Raffzahnmentaliätät, aber die ist eigentlich gesellschaftstypisch, gerade in den oberen Gesellschaftsschichten und außerdem: Hand aufs Herz und Asche aufs Haupt - wer von uns würde nicht gern Staatsknete abzocken auf legalem Wege, wenn er denn nur wüßte wie?

Rolf John, seit neuestem besser bekannt als "Florida-Rolf" hat einen Weg gefunden. Frei nach dem Zeltinger-Song "Morgen geh ich zum Sozialamt - da gibt es Geld, da gibt es Geld" hat er das Sozialamt für seinen Lebensunterhalt in Anspruch genommen. Das besondere: Rolf John wohnt in Florida, Miama-Beach, in einem Appartement, aus dem er nur deshalb keinen Blick aufs Meer hat, weil irgend jemand ein anderes Haus dazwischen gestellt hat. Aber der Weg zu einem öffentlich zugänglichen Strand ist dennoch kurz und Rolf John hat auch der Gesellschaft einen nützlichen Dienst erwiesen: Er hat - sehr frühzeitig - nach einer gescheiterten Ehe und anschließenden Depressionen, seinen Arbeitsplatz freigemacht und zwar endgültig. Da ihm vor Jahren auch ein Gutachter schriftlich bestätigte, daß eine Rückkehr nach Deutschland seine Suizidgefährdung erhöhen würde, akzeptierte das Sozialamt seine Wohnsitz Florida und überwies eine für dortige Lebensverhältnisse "angemessene" Stütze nach Übersee. Dort lebt Rolf John seit dieser Zeit und erwartet demnächst seine Umsteuerung von der Sozialhilfe in die Rente.

Zum nationalen Skandal wurde die unerfreuliche Posse durch einen reißerischen Artikel der 'BILD', die - wie Zeitungen und Zeitschriften, z.B. der 'stern', seit Wochen und Monaten durch ausgesuchte Beispiele von "Sozialschmarotzern" Stimmung macht gegen Sozialhilfeempfänger im Allgemeinen, hauptsächlich zu dem Behufe, ein Klima für weitere Sozialkürzungen bis hin zum Nullstrich zu schaffen.

BILD hatte freilich zwei Zwecke mit ihrer Serie verfolgt: Erstens den oben beschriebenen, zweitens aber auch, die Bundesregierung als inkompetent und handlungsunfähig vorzuführen (und natürlich, weil sowas beim BILD-Publikum gut ankommt). Das funktionierte allerdings nicht nur, denn immer wenn es populistisch motivierten Murks zu verzapfen gilt, ist die Bundesregierung sehr wohl handlungsfähig. So wurde in erstaunlicher Eile das entsprechende Gesetz per Kabinettsbeschluß geändert und Volkes Stimmung Genüge getan. Der Sozialhilfebezug im Ausland , ursprünglich geschaffen, um sozialhilfebedürftig gewordenen Opfern der Verfolgung unter den Nazis die Rückkehr nach Deutschland zu ersparen, wurde erheblich erschwert und soll demnächst nur noch für Gefängnisinsassen und Krankenhauspatienten, sowie - in begrenztem Maße - für Frauen, die im Ausland um ihr Sorgerecht kämpfen, gewährt werden. Und natürlich den Überlebenden der Nazi-Verfolgung. Insgesamt handelt es sich dabei um 959 Menschen (laut 'spiegel' vom 8.09.03), die überhaupt von der Regel betroffen waren. Sie aber erhielten Sozialhilfe, die im Gastland einen angemessenen Lebensunterhalt ermöglichen soll, was häufig weit unter dem deutschen Satz bleibt, wenn auch nicht im Falle "Florida-Rolf".

Jetzt freut sich der kleine Spießer, dessen Empörung in aller Regel nur Ausdruck seiner klammheimlichen Bewunderung für den "Sozialschmarotzer" John ist. Wie irrational das ganze ist, zeigen die Nebenwirkungen: Diejenigen , die aufgrund des neuen Gesetzes "heim ins Reich" geholt werden, bekommen ihren Flug bezahlt und haben in Deutschland gleich wieder Anspruch auf Sozialhilfe. Der wird in der Regel deutlich höher sein als im Ausland - und zahlen werden die kleinen Spießer. Schon jetzt stehen die Öffentlichkeitsarbeiter der Bundesregierung vor dem Problem, wie sie ihre forsche Handlungsweise so vermarkten, daß es den gewünschten Publicity-Effekt hat, ohne daß es zu viele trifft, die dann teurer werden als bisher und außerdem noch die sprichwörtlichen "schlafenden Hunde" weckt, die ihren möglichen Anspruch bisher nicht ausgeschöpft haben. "Florida-Rolf" kann das eh alles egal sein, der kriegt demnächst Rente. Und da er mal gut verdiente, kann er sich wohl bald auch einen direkten Blick aufs Meer leisten.

Hier wiehert der Amtsschimmel - jetzt fehlt nur noch einer, der den Verstand mit Eimern ins Sozialministerium trägt.

 

Manuela Fresnick

 

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