Die italienischen 'Disobbedienti', die Ungehorsamen, stellen sich massenhaft den
auch hier wie in vielen anderen Ländern Europas in die Golf-Region abziehenden
US-amerikanischen Streitkräften entgegen. Sie wollen sie einfach nicht gehen lassen
und fühlen sich ohne deren Schutz hilflos und ausgeliefert. Die US-amerikanische
Generalität ist allerdings ob dieser herzlichen Bindungsfähigkeit der
Italienerinnen und Italiener der Verzweiflung nahe.
Um ihre Verbundenheit zu bekunden, schrecken die in ihrer mediterranen
Überschwenglichkeit Unberechenbaren nicht einmal vor Blockaden, Dienst nach Vorschrift
und der Betätigung von Notbremsen zurück. Die Logistik der Truppenbewegung kommt
völlig durcheinander.
Als Notlösung fragte die US-Administration bereits bei der slowenischen Regierung an,
um 20 Truppenzüge über den Balkan durchschleusen zu können. Als Alternativ-Route ist
Triest, Slowenien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien anvisiert. Ob sie dort wohl weniger
Enthusiasmus vermuten ? Allerdings ist dieser Weg länger und die Straßenverhältnisse
dank der zwar überall versprochenen, aber wie bei unsteten Liebhabern stets
unzuverlässigen Alimentation für Truppenbewegungen katastrophal. Zudem muß dann
in Istambul eingeschifft werden, da die Brücke über den Bosporus nicht ausreicht,
und in türkischen Mittelmeerhäfen - oh türkische Mädchen und Jungs, frohlocket -
umgeladen werden.
Auf Grund der italienischen Liebes-Bekundungen kam am Montag nur ein einziger
Truppenzug durch und dieser mußte, um den Betörungen zu entgehen, auch noch in zwei
Teilen weiter marschieren. Die 173. US-Luftlandebrigade aus Vincenza mit schwerem
Material für die türkische Nordfront erreichte erst abends den US-Stützpunkt Camp
Darby bei Pisa. Was dann dort nachts geschah, entzieht sich unserer Kenntnis.
Angeblich werden die Pläne noch aufrechterhalten, über den Hafen von Livorno die
türkischen Gestande anzusteuern. Allerdings haben die Hafenarbeiter bereits
angekündigt, die bewegliche Habe ihrer Beschützer nicht anzurühren (Berlusconi
nennt das schofel einen Verladestreik). Auch die größte Gewerkschaft CGIL sah
sich genötigt, die US-Treue der Hafenarbeiter zu unterstützen.
Der italienische Überschwang geht so weit, daß am Mittwoch in Pisa Bahnhöfe,
Transportwaggons und Weichen durch die in ihrer ungestillten Sehnsucht Entfesselten
blockiert wurden. Ebensolches geschah auf dem dortigen Militärflughafen. Immer
mehr Italienerinnen und Italiener werden von dieser Woge der Zuneigung ergriffen
und greifen gar nachts und in früher Morgenstunde zu Notbremsen von Personenzügen,
wodurch Gleise und Weichen unpassierbar und die Fahrpläne durcheinandergebracht werden.
Einzig der Innenminister scheint neben Berlusconi kühlen Kopf zu behalten: Er verwarnte
alle Italienerinnen und Italiener und drohte mit dreijähriger Haft (was
selbstverständlich sämtliche Wirtschaftsprobleme lösen würde).
Adriana Ascoli