Das letzte Wochenende war ein Wochenende wiederaufblühender Hoffnung. In über 600
Städten protestierten weltweit schätzungsweise 10 Millionen Menschen gegen den
angedrohten (nicht: drohenden) Angriffskrieg gegen den Irak. Nicht "der Krieg"
droht, er ist kein Wesen, sondern Regierungen drohen. Und Krieg ist nicht erst
neuerdings wieder zu einem akzeptierten, wenn auch angeblich "letzten Mittel" der
Politik geworden. Was waren das für seltsame Zeiten als ein Franz Josef Strauß
noch gezwungen war zu lügen, ihm würde eher die Hand abfaulen als daß er je wieder
ein Gewehr in die Hand nähme....
In New York waren es 250.000, in L.A. 100.000 und 300.000 in San Francisco. Die größten
Massendemonstrationen seit den Anti-Vietnamkriegs-Protesten. In Rom demonstrierten
3 Millionen Menschen für Frieden, mehr als 2 Millionen in Barcelona und Madrid und
mehr als eine Million in London. Doch besonders erwähnenswert ist neben den
Demonstrationen in Europa und den USA eine gemeinsame Demonstration von 3.000 Israelis
und Arabern in Tel Aviv.
Wie oft hat die Hoffnung auf einen Friedensprozeß in Palästina schon getrogen!
Entscheidend wird sein, daß diese Bewegung nicht versandet und zusammen mit der
Bewegung der Globalisierungsgegner über das "Nein" hinaus, über die Ablehnung von
Krieg und die Ablehnung von weltweiter Ungerechtigkeit hinaus eine positive
Perspektive entwickelt. Dazu aber ist es nötig, die gemeinsame Ursache der als
bedrohlich empfundenen Phänomene zu analysieren. Es ist kein Zufall, daß Regierungen
um so aggressiver agieren, je kritischer die wirtschaftliche Situation wird. Es wird
auch immer deutlicher, daß die sich zuspitzende US-amerikanische Wirtschaftskrise nur
der bereits sichtbar werdende Teil einer Weltwirtschaftskrise, ja, des Todeskampfs
des Kapitalismus ist.
Sollte sich die Hoffnung bestätigen, daß der Irak vom Krieg verschont bleiben wird,
dürfen die Friedens-Kräfte nicht etwa wieder erschlaffen. Ob nun der Krieg gegen den
Irak abgesagt wird, weil der Widerstand in den USA und in seinen - nach wie vor - treuen
Bündnispartner-Staaten zu groß geworden ist oder weil die Kosten-Nutzen-Analyse den
Irak als gar nicht so lohnendes Opfer erscheinen läßt, eines ist klar: An der
(welt-)wirtschaftlichen unbarmherzigen Notwendigkeit eines Krieges, der ohne
Systemveränderung mit zwingender Logik die einzige ökonomische Rettung darstellt,
ändert sich damit nichts. Die Gefahr des Krieges wäre nur scheinbar gebannt. Allzu
rasch kann ein neues Tongking inszeniert und ein neues, lohnendes Opfer gefunden
werden. Und allzu leicht kann die Stimmung umschlagen. Und allzu leichgläubig könnte
dann der Parole gefolgt werde: Wir haben ja nun oft genug unsere Friedfertigkeit
bewiesen, aber irgendwann ist Schluß...
Adriana Ascoli