18.02.2003

perspektivische Betrachtungen

Hoffnung und Gefahr

Das letzte Wochenende war ein Wochenende wiederaufblühender Hoffnung. In über 600 Städten protestierten weltweit schätzungsweise 10 Millionen Menschen gegen den angedrohten (nicht: drohenden) Angriffskrieg gegen den Irak. Nicht "der Krieg" droht, er ist kein Wesen, sondern Regierungen drohen. Und Krieg ist nicht erst neuerdings wieder zu einem akzeptierten, wenn auch angeblich "letzten Mittel" der Politik geworden. Was waren das für seltsame Zeiten als ein Franz Josef Strauß noch gezwungen war zu lügen, ihm würde eher die Hand abfaulen als daß er je wieder ein Gewehr in die Hand nähme....

In New York waren es 250.000, in L.A. 100.000 und 300.000 in San Francisco. Die größten Massendemonstrationen seit den Anti-Vietnamkriegs-Protesten. In Rom demonstrierten 3 Millionen Menschen für Frieden, mehr als 2 Millionen in Barcelona und Madrid und mehr als eine Million in London. Doch besonders erwähnenswert ist neben den Demonstrationen in Europa und den USA eine gemeinsame Demonstration von 3.000 Israelis und Arabern in Tel Aviv.

Wie oft hat die Hoffnung auf einen Friedensprozeß in Palästina schon getrogen! Entscheidend wird sein, daß diese Bewegung nicht versandet und zusammen mit der Bewegung der Globalisierungsgegner über das "Nein" hinaus, über die Ablehnung von Krieg und die Ablehnung von weltweiter Ungerechtigkeit hinaus eine positive Perspektive entwickelt. Dazu aber ist es nötig, die gemeinsame Ursache der als bedrohlich empfundenen Phänomene zu analysieren. Es ist kein Zufall, daß Regierungen um so aggressiver agieren, je kritischer die wirtschaftliche Situation wird. Es wird auch immer deutlicher, daß die sich zuspitzende US-amerikanische Wirtschaftskrise nur der bereits sichtbar werdende Teil einer Weltwirtschaftskrise, ja, des Todeskampfs des Kapitalismus ist.

Sollte sich die Hoffnung bestätigen, daß der Irak vom Krieg verschont bleiben wird, dürfen die Friedens-Kräfte nicht etwa wieder erschlaffen. Ob nun der Krieg gegen den Irak abgesagt wird, weil der Widerstand in den USA und in seinen - nach wie vor - treuen Bündnispartner-Staaten zu groß geworden ist oder weil die Kosten-Nutzen-Analyse den Irak als gar nicht so lohnendes Opfer erscheinen läßt, eines ist klar: An der (welt-)wirtschaftlichen unbarmherzigen Notwendigkeit eines Krieges, der ohne Systemveränderung mit zwingender Logik die einzige ökonomische Rettung darstellt, ändert sich damit nichts. Die Gefahr des Krieges wäre nur scheinbar gebannt. Allzu rasch kann ein neues Tongking inszeniert und ein neues, lohnendes Opfer gefunden werden. Und allzu leicht kann die Stimmung umschlagen. Und allzu leichgläubig könnte dann der Parole gefolgt werde: Wir haben ja nun oft genug unsere Friedfertigkeit bewiesen, aber irgendwann ist Schluß...

 

Adriana Ascoli

 

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