8.06.2007

Kommentar

G8 - Zwei Sorten Gewalttäter,
zwei Sorten Unpolitische
und eine strahlende zweifache
Blenderin

Viele hatten uns in den vergangenen Monaten gefragt, warum wir nicht zu den Protesten gegen das G8-Gipfeltreffen aufriefen. Dazu gaben wir im direkten Gespräch Auskunft, erachteten es aber als unnötig, etwa dazu aufzurufen, nicht nach Heiligendamm zu fahren. Wir missionieren nicht für unsere politischen Positionen.

Hier nun allerdings unser Beitrag zur Debatte über Erfolg oder Mißerfolg der G8-Proteste:

Nicht nur Jürgen Elsässer sah es voraus, daß die Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm hauptsächlich durch Gewalttäter und deren Kämpfe mit der Polizei geprägt werden würden. ('Neues Deutschland', 1. Juni 2007) Elsässer bemühte gar einen historischen Vergleich mit den Schlachten in Kalkar und Grohnde vor 30 Jahren. Die meisten Thesen seines Artikels sind allerdings eher verschroben denn erhellend. Das zeigt wiederum: Es gehörte nicht viel dazu, die Gewalt vom vergangenen Samstag vorherzusehen.

Ebenfalls hätte nicht viel dazu gehört, vorherzusehen, daß sich die großen Gewalttäter hinter denen vom "schwarzen Block" verstecken konnten. Der Begriff Gewalt wurde von den Mainstream-Medien absorbiert und vollständig für den "schwarzen Block" monopolisiert. Vorhersehbar war auch - und daher können auch keine mildernde Umstände geltend gemacht werden - daß nach der Überantwortung der Deutungshoheit an die Mainstream-Medien keine Chance mehr bestehen würde, die großen Gewalttäter kenntlich zu machen: Die Gewalttäter, die täglich 80.000 Menschen verhungern lassen und mit Bomben statt mit Pflastersteinen werfen.

Diese Gewalttäter sind nun aber keineswegs die acht Personen samt Hofstaat, die der staunenden Öffentlichkeit als Herrscher der Welt präsentiert wurden. Ob Bush, ob Merkel, es handelt sich bei ihnen um Marionetten. Die verantwortlichen Gewalttäter, die Millionen Menschenleben und gigantische Umweltzerstörungen auf dem Gewissen haben, sitzen in den Chef-Etagen der großen Konzerne. Wer dies versteht, versteht auch, warum Proteste, die auf inszenierten Polit-Events ausgerichtet sind, unpolitisch sind. Ebenso unpolitisch wie ein Stier, der nach dem flatternden roten Tuch stößt, sind diejenigen, die zu solchen Events fahren, um's den "Mächtigen" mal so richtig mit Steinen zu zeigen - und genauso diejenigen, die meinen, Forderungen an Regierende richten zu müssen.

Auch wenn die Regierenden vielleicht selbst glauben, sie seien die Mächtigen, schon Kurt Tucholsky wußte: "Sie meinen, sie hätten die Macht, dabei sind sie nur an der Regierung."

Seit einem Vierteljahrhundert ist von PolitikerInnen jeglicher Couleur das Versprechen in den phantasievollsten Variationen zu hören: Wir tun etwas für den Klimaschutz. Für all die, die dies nach so vielen Jahren immer noch für bare Münze nehmen, ist die Beurteilung als "unpolitisch" noch die wohlwollendste...

Zwei Sätze aus einem Aufruf zu den G8-Protesten seien hier zitiert, die im Original tatsächlich direkt aufeinander folgen: "Dort sitzen die Chefs der 8 Staaten zusammen, die für die Hälfte der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Es ist höchste Zeit, daß wir diese Untätigkeit nicht länger hinnehmen."

Noch alberner waren die in Aufrufen zusammengestellten Forderungskataloge. Der BUKO stellte immerhin im April fest, daß mit diesen Aufruftexten ein Konsens aufgekündigt wurde, wonach die G8 "delegitimiert" werden müsse, statt "Forderungen - von A wie Afrika bis Z wie Zollpolitik - an sie zu stellen". Aus der Erkenntnis, "die Anrufung staatlicher Akteure hat sich als erfolglos erwiesen", waren allerdings auch vom BUKO keine Schlußfolgerungen gezogen worden. Daß Johannesburg und Kyoto im öffentlichen Diskurs lediglich die Funktion hatten, den Glauben an das "Verantwortungsbewußtsein" der machtlosen Polit-Kaste am Leben zu erhalten, ist anscheinend sehr schwer zu begreifen.

Vollends grotesk wurde es in einem gemeinsamen Positionspapier mehrerer NGOs, worin es hieß:
"Die Zeiten billiger Rohstoffe sind vorbei."
Diese Sichtweise unterstellt ein gleichgerichtetes Interesse der Bevölkerung in den Industriestaaten mit denen der herrschenden Konzerne. Und zugleich blendet diese Sichtweise aus, daß die Ursprungsländer mit Unterdrückung, Hunger und Kriegen einen verdammt hohen Preis für die Rohstoffe zahlen mußten.

Zu allem Überfluß wird an die G8 die Forderung gerichtet, sie sollten gegenüber Afrika ihre Politik überdenken, die Gelder für Entwicklungshilfe aufstocken und Schulden erlassen. Dabei ist inzwischen selbst in einer Zeitschrift wie dem 'spiegel' (Nr. 19, v. 7.05.07) nachzulesen, daß der gesamten Landwirtschaftshilfe der Industrieländer an afrikanische Staaten in Höhe von rund einer Milliarde US-Dollar allein Produktions-und Exportsubventionen für landwirtschaftliche Güter der Industrieländer in Höhe von 348 Milliarden US-Dollar gegenüberstehen. (Diese offiziellen OECD Zahlen waren allerdings bereits zuvor auch schon öffentlich.) Die NGOs appellieren an einen entwicklungspolitischen Paternalismus, der nichts anderes ist als eine hohle Fassade.

Vor dem schwarzen Hintergrund der Bilder vom Samstag wirkt das Bild Angela Merkels als Siegerin nun um so strahlender. US-Präsident George W. Bush hatte bislang eine PR, sich als Klimaschützer darzustellen, schlicht als überflüssig angesehen. Daß er nun ins Lager der blendenden Vorreiterinnen und Vorreiter für den Klimaschutz übergewechselt ist, wird an den realen Verhältnissen in den USA keinen Deut ändern - ebenso wenig wie in Europa in den letzten Jahrzehnten die Mächtigen von ihren Investitionen in Straßenverkehr, Atomenergie oder Gentechnologie lassen wollten. Doch Merkel blendet nicht allein damit, daß sie die Öffentlichkeit glauben macht, sie wolle sich ernsthaft für den Klimaschutz einsetzen - sie blendet hauptsächlich damit, daß sie uns glauben zu machen versucht, sie habe überhaupt irgend etwas zu bestimmen. Das ist aber schließlich die Rolle, die sie zu spielen hat.
Applaus!

 

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