8.04.2004

Gartenschau
auf Gift gebaut?

Streit um Altlast unter der Landesgartenschau in Kehl

Klaus Wegenast, Geschäftsführer der Firma 'flor-design', erhebt schwerwiegende Vorwürfe gegen die Stadt Kehl und die Gartenschau GmbH: Bereits im Juni 2002 seien "ausführenden Unternehmen eine starke Geruchsbelästigung und verendete Kleintiere" aufgefallen. Daraufhin seien chemisch-geologische Untersuchungen veranlaßt worden, die "zu alarmierenden Ergebnissen" geführt hätten.

Unabhängig voneinander hatten zwei Labors eine außerordentlich starke Belastung mit PAK (polyzyclischen aromatisierten Kohlenwasserstoffen) festgestellt. Im Gutachten des einen Büros wird für eine der hochgiftigen und gesundheitsgefährdenden Substanzen ein Grenzwert von 75 Milligramm pro Kilogramm Erdreich angegeben. Gemessen wurde 159 Milligramm und damit der Grenzwert um mehr als 100 Prozent überschritten. Sicherheitsmaßnahmen seien laut Wegenast 2002 nicht angeordnet worden. Nachdem über ein halbes Jahr zugewartet wurde, sei im Februar 2003 das kontaminierte Gelände großflächig mit einer Erdschicht abgedeckt worden. Eine Sanierung sei nur in einem Teilbereich erfolgt und im jetzt als Rosengarten bepflanzten Teil des Gartenschau-Geländes sei lediglich eine 40 Zentimeter dicke Schicht Erde aufgebracht worden.

Von Seiten der Stadtverwaltung war bisher nur eine in sich widersprüchliche Stellungnahme zu erhalten: Die 100 bis 150 Jahr alten Altlasten seien unbedenklich. Und - sie seien korrekt entsorgt worden. Zudem versuchte die Stadtverwaltung den Eindruck zu erwecken, der Firma 'flor-design' gehe es nur darum, Druck wegen angeblicher Streitigkeiten um eine Schlußabrechnung auszuüben.

Der Freiburger Anwalt der Firma 'flor-design', Peter Oberholzner, beurteilt die Streitfage als klaren Fall: "Nach Auffassung von Sachverständigen ist die Belastung viel zu hoch, als daß eine konkrete Gefahr für Umwelt und Menschen von der Hand gewiesen werden kann." Ein Freiburger Umwelt-Chemiker, der nicht namentlich genannt sein will, meint hingegen, daß auch eine nur 40 Zentimeter starke Erdschicht bei PAK durchaus eine ausreichende Barriere darstellen könne, so daß Besucher der Gartenschau nicht notwendiger Weise gefährdet seien.

Eine erhebliche Gefährdung sei jedoch möglicherweise in ganz anderer Richtung zu suchen. Da die Altlast vermutlich von einem früheren Gaswerk und einer Teerölproduktefabrik stammten, seien in der Altlast sowohl polare als auch unpolare PAK zu erwarten. Häufig werde in der Standard-Analytik ausschließlich nach den unpolaren PAK gefahndet. Für die Umwelt-Toxikologie seien dagegen die polaren PAK relevant, da diese im Gegensatz zu den unpolaren PAK wasserlöslich seien. Möglicherweise bestehe also nunmehr durch die veränderte Deckschicht über der Altlast und die Möglichkeit, daß Regenwasser eindringe, eine erhebliche Grundwasser-Gefährdung. Es sind allein zwischen Kehl und Freiburg zwei Fälle bekannt, wo durch Eindringen von Kohlenwasserstoff-Verbindungen ins Grundwasser enorme Schäden entstanden sind. In der gesamten Rheinebene ist zudem das Grundwasser im Fluß, so daß die sich ausdehnenden Schadstoff-Fahnen in Richtung Norden wandern. Sollte von den Verantwortlichen tatsächlich die unumgängliche Sanierung verabsäumt worden sein, sei dies "äußerst riskant, wenn nicht gar grob fahrlässig", so der Umwelt-Chemiker.

Die Versuchung mag für Stadtverwaltung und Gartenschau GmbH im Jahr 2002 recht groß gewesen sein, den einfacheren Weg zu gehen, zumal bei einer gründlichen Sanierung möglicherweise Millionenbeträge hätten aufgebracht werden müssen. Und da bei einer Sanierung im Voraus kaum abzusehen ist, wie lange sie dauert, wäre das Projekt Landesgartenschau unter Umständen geplatzt. Der Freiburger Umwelt-Chemiker weiß von einem Modellvorhaben auf Kehler Gemarkung, bei dem eine PAK-Sanierung mittels tensidunterstützter Extraktion untersucht wurde. Es wurde erfolglos abgebrochen. Nun jedoch, so der Freiburger Rechtsanwalt, stehe die "Landesgartenschau Kehl vor dem Aus."

 

Klaus Schramm

 

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