Ein türkisches Ehepaar soll nach 30 Jahre
Aufenthalt in der BRD abgeschoben werden
Einem seit 30 Jahren in Deutschland lebenden türkischen
Ehepaar droht die Abschiebung, weil es sich nach
herrschender Rechtslage zu lange außerhalb der BRD
aufgehalten hat. Orhan und Yüksel Döger, wohnhaft in
Neuenburg (Baden-Württemberg), hatten 1973 die Türkei
verlassen, um in Deutschland zu arbeiten. Im Mai 2000 war der
57jährige Ehemann wegen einer familiären Angelegenheit in
die Türkei gereist, im August desselben Jahres folgte seine
Frau ihm nach. Im März 2001 kehrte das Ehepaar nach
Deutschland zurück, richtete sich in Neuenburg eine neue
Wohnung ein und meldete sich bei der Ausländerbehörde an.
Dann erlebten die Rückkehrer eine böse Überraschung: Weil
die nach dem Ausländergesetz mögliche Frist des
Auslandsaufenthalts für Ausländer nur sechs Monate beträgt,
zog das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald die bis dahin
gültige unbefristete Aufenthaltserlaubnis ein. Wenig später
flatterte ein Abschiebebescheid der Ausländerbehörde ins
Haus der Dögers. Das Ehepaar ist schockiert: »Wir haben uns
in Deutschland nie etwas zuschulden kommen lassen und
zahlen seit 30 Jahren Steuern und Sozialabgaben«, erregte
sich Orhan Döger am Donnerstag
und versicherte, von der sechsmonatigen Frist nichts gewußt
zu haben.
Die Familie stellte gegen den Bescheid einen
Rechtsschutz- antrag. Dieser wurde sowohl vom
Verwaltungsgericht Freiburg als auch vom
Verwaltungsgerichtshof Mannheim abgelehnt. "Das Gericht
behauptet in seiner Entscheidung, wir hätten damals Anlaß zu
der Vermutung gegeben, wir wollten unseren Aufenthalt in
Deutschland beenden, nur weil wir unsere Wohnung aufgelöst
haben. Dies geschah jedoch einzig und allein aus
Kostengründen", sagte die Mutter dreier Kinder. Sie und ihr
Mann wären mit der festen Absicht in die Türkei gereist, wieder
nach Deutschland zurückzukehren. Es widerspreche auch dem
gesunden Menschenverstand, ihre in Deutschland
eingebürgerten Kinder zurückzulassen und ohne Rente in die
Türkei zurückzukehren.
Ihr letzte Hoffnung setzten die Dögers in den
Petitionsausschuß des Stuttgarter Landtags. Aber auch dieser
lehnte die Petition des türkischen Ehepaares vergangene
Woche ab. »Damit ist der Rechtsweg abgeschlossen, juristisch
besteht jetzt keine Chance mehr auf einen legalen
Aufenthaltsstatus«, erläuterte Rechtsanwalt Joachim Eyrich.
"So freizügig und freundlich ist das
Ausländergesetz, daß es auch nach einem halben Leben in
Deutschland Ausländer daran hindert, einen gesicherten
Aufenthaltsstatus innezuhaben«", kommentierte Christian
Möller vom Südbadischen Aktionsbündnis gegen
Abschiebungen (SAGA).
Da Yüksel Döger aufgrund einer Erkrankung als nicht reisefähig
gilt, wurde die Abschiebung des Ehepaars noch nicht
vollzogen. "Herr Döger hatte nach seiner Rückkehr sogar eine
Trainingsmaßnahme des Arbeitsamtes absolviert, in der
Hoffnung, in Deutschland wieder arbeiten zu können",
bemerkte Christian Möller. Alles umsonst: Im April wurde Orhan
Döger die Arbeitserlaubnis entzogen, nachdem er schon
Jahrzehnte in Deutschland gearbeitet hatte.
Martin Höxtermann