7.04.2003

Blutiges Geld

Argentinischer Gewerkschaftschef hat Betriebsräte ans Messer geliefert. IG-Metall-Chef stellt sich stumm

In einem offenen Brief forderten 70 Betriebsräte und Vertrauensleute verschiedener Daimler-Chrysler-Werke vergangene Woche an den amtierenden Präsidenten des Internationalen Metallarbeiter-Bundes (IMB) Klaus Zwickel - hierzulande IG-Metall-Chef - die sofortige Suspendierung des IMB-Vizepräsidenten, José Rodríguez. Er soll als Präsident der argentinischen Metallgewerkschaft SMATA während der Militärdiktatur vor 25 Jahren Betriebsräte gegen Geld ans Messer geliefert haben.

Nach dem Putsch der argentinischen Militärs 1976 wurden 15 Betriebsräte des Daimler-Werks in González Catán im Bundesdistrikt Buenos Aires verhaftet, verschleppt und gefoltert. Lediglich zwei der aus dem Betrieb Verschleppten überlebten die Folterhaft. Nicht nur die damalige Geschäftsleitung von Daimler-Benz, die »Störenfriede« im Betriebsrat mit Hilfe der Militärs loswerden wollte, sei in die Vorfälle verwickelt gewesen, eine unrühmliche Rolle habe seinerzeit auch die Metallgewerkschaft SMATA gespielt, heißt es in dem Brief. Rodríguez, damals wie heute Präsident der SMATA, habe in dieser Zeit ein offizielles Tarifabkommen mit Daimler-Benz abgeschlossen, in dem er und die Gewerkschaft Mithilfe bei der »Auslöschung negativer Elemente im Betrieb« zugesagt hätten. Im Gegenzug soll Daimler-Benz Zahlungen in Höhe von einem Prozent des Konzernumsatzes in einen SMATA-Geheimfonds entrichtet haben, über den allein Rodríguez verfügt habe.

»Dank intensiver journalistischer Recherchen ist all dies heute ebenso belegt wie die Rolle der Geschäftsleitung von Daimler-Benz«, erklärte Tom Adler, Daimler-Betriebsrat in Stuttgart-Untertürkheim und Mitunterzeichner des offenen Briefes, am Freitag gegenüber 'junge welt'. Gegen die Militärs, Daimler-Manager und Rodríguez laufe in Argentinien seit vergangenem Jahr ein Gerichtsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. »Obwohl diese Vorgänge bereits im Vorfeld des letzten IMB-Kongresses 2001 in Sydney bekannt waren, wurde Rodríguez wieder ins Präsidium des Internationalen Metallarbeiterbunds gewählt - nicht zuletzt aufgrund der Unterstützung der Vertreter der IG Metall«, erläuterte Adler. Mittlerweile hätten auch Vertreter von österreichischen, italienischen, französischen und spanischen Metallarbeitergewerkschaften eine Untersuchung zur Zusammenarbeit von Rodríguez mit den argentinischen Militärs beantragt. Außerdem sei auf einer Veranstaltung der brasilianischen Metallarbeitergewerkschaft CNM beim Weltsozialforum in Porto Alegre im Januar ein entsprechendes Schreiben an Klaus Zwickel mit der Forderung nach der sofortigen Suspendierung von Rodríguez beschlossen worden. Geschehen sei nach Aussage Adlers bislang allerdings noch nichts.

»Uns fehlt jedes Verständnis dafür, daß Rodríguez trotz seiner Rolle während der Militärdiktatur und bei der Ermordung unserer argentinischen Kollegen unbehelligt in Amt und Würden bleibt und offenbar auch noch besonderen Schutz durch den IMB-Präsidenten Klaus Zwickel genießt«, empörte sich Adler. »Wer wie die IG Metall die entschiedenste aller Menschenrechtsbewegungen sein will, darf keine Komplizen der Todesschwadronen der argentinischen Militärs in den höchsten internationalen Gremien der Metallarbeiter dulden.«

In der Frankfurter Gewerkschaftszentrale sieht man in der Angelegenheit vorerst keinen Handlungsbedarf. Dort waren am Freitag weder IG-Metall-Chef Zwickel noch ein anderes Vorstandsmitglied bereit, gegenüber 'junge welt' Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Auskunftsfreudiger zeigte sich lediglich Pressesprecher Claus Eilrich. Rodríguez sei auf der letzten Sitzung des Exekutivausschusses des IMB mit den Vorwürfen konfrontiert worden und habe nun bis zur nächsten Sitzung am 15. Mai Zeit, sich zur Sache zu äußern. Auf besagter Sitzung werde auch der Generalsekretär des Metallerdachverbands, der Anfang Mai nach Argentinien reisen wird, in der Angelegenheit Bericht erstatten. Auf dieser Grundlage werde der Exekutivausschuß das weitere Vorgehen entscheiden, das zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig offen sei, fügte Eilrich hinzu.

»Statt abzuwarten, sollte die IG-Metall-Führung klar Stellung beziehen, denn die Vorwürfe gegen Rodríguez sind schon über zwei Jahre alt«, kommentierte Betriebsrat Adler die Haltung der Gewerkschaftsspitze. Man werde in den nächsten Wochen den offenen Brief weiter bekanntmachen, um den Druck auf die IG-Metall-Führung zu erhöhen.

 

Martin Höxtermann

 

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