Ein Gentechnik-Institut will in Sachsen genmanipulierte Apfelbäume in einem Freilandversuch auspflanzen
Noch in diesem Herbst sollen bei Pillnitz in der Nähe von Dresden genmanipulierte Apfelbäume ausgepflanzt werden.
Das 'Institut für Obstzüchtung Pillnitz' hat offenbar die behördliche Zulassung für einen gentechnischen Versuch mit
Bäumen bekommen. 500 genmanipulierte Apfelbäume stehen bereit, um im Freiland ausgepflanzt zu werden. 10.000
weitere sollen im Laufe der kommenden Jahre folgen. Nach Aussage einer beteiligten Gentech-Forscherin sei
beispielsweise ein Teil der DNS einer Schmetterlingsart transplantiert worden. Zweck der Übertragung soll die Bildung
von Proteinen sein, die in der Lage sind, die Zellwände von Bakterien aufzulösen.
Auf einer von Pillnitzer Bürgern initiierten Veranstaltung, zu der über hundert Anwohner und Interessenten kamen, gab
es heftigen Protest gegen das Vorhaben. Es wäre der erste Freilandversuch mit genmanipulierten Pflanzen im Dresdner
Raum. Anwohner der ausgewiesenen Versuchsplantage befürchten unkalkulierbare Risiken und haben bereits klar
bekundet, einen solchen Freilandversuch in Pillnitz nicht dulden zu wollen.
Eine eingeladene Gentech-Forscherin, Prof. Viola Hanke, verteidigte ihre Arbeit mit dem Argument, mit genmanipulierten
Apfelbäumen, die gegen verschiedene Schädlinge resistent sein sollen, könne der Einsatz großer Mengen an Pestiziden
vermieden werden. Bereits Anfang dieses Jahres äußerte sie gegenüber der Süddeutschen Zeitung, daß sie mit der
Skepsis der Verbraucher rechne. Um die gefürchtete Ausbreitung genmanipulierter Bäume auszuschließen, seien
kernlose Äpfel gezüchtet worden. Anwesende Biobauern fragten die Wissenschaftlerin, ob sie denn noch nie von
ökologischem Landbau gehört habe.
Nicht nur in den USA und Frankreich, auch in Deutschland gab es bereits Freisetzungsversuche mit genmanipulierten
Bäumen. In der Nähe von Hamburg pflanzten Mitarbeiter der Bundesanstalt für Forst- und Landwirtschaft zwergwüchsige
Aspen aus. Dabei sollte getestet werden, ob die gentechnische Veränderung auch bei mehrjährigen Pflanzen stabil bleibt.
Es zeigte sich allerdings, daß im Laufe des Versuchs bei etwa zwei Prozent der genmanipulierten Bäume die Ausprägung
des neuen Merkmals ganz oder teilweise wieder verloren ging. Unter Sicherheitsaspekten könnte das fatale Folgen haben.
Zum Beispiel könnten Bäume, die zur Unterdrückung der Blütenbildung gentechnisch sterilisiert worden sind, nach Jahren
plötzlich wieder anfangen zu blühen und ihre Gene über Pollen verbreiten.
Die Erfahrungen mit nicht-heimischen Gehölzen zeigen, daß zwischen der Einführung einer Baumart und deren
unerwünschten Ausbreitung Zeiträume von rund 150 Jahren liegen können, erklärt Professor Ingo Kowarik von der
TU Berlin. Es sei deshalb nicht auszuschließen, so Professor Kowarik, daß auch genmanipulierte Bäume zu Invasoren
werden und große ökologische Schäden anrichten können.
"Vor eineinhalb Jahren schon haben wir das erste Versuchsgelände mit gentechnisch veränderten Pappeln geräumt",
berichtet Forstgenetiker Matthias Fladung. "Aber immer noch reißen wir neue
Wurzelschösslinge aus dem Boden," muß er eingestehen. Tatsächlich fanden sich Schösslinge auch
außerhalb der eigentlichen Versuchsfläche. Solche Ausreißer sind nur eines der Probleme, mit denen sich
Gentech-Förster herumschlagen müssen. Eine im Dezember 2002 erschienene Studie des Umweltbundesamtes
(UBA)1 zur Stabilität von genetisch veränderten Pflanzen gibt vor allem zu bedenken: Bäume sind viel
langlebiger als Raps oder Soja - Wind und Wuchshöhe sorgen für weite Verbreitung von Pollen und Samen. Da
Bäume zudem keine überzüchteten Nutzpflanzen sind, haben ihre Nachkommen eine viel größere Überlebens-Chancen
in freier Wildbahn und kreuzen sich leicht mit verwandten Arten. "Ob eine solche Übertragung von Fremd-Genen
tatsächlich eine Gefahr für das Ökosystem wäre, wissen wir nicht", räumt Fladung ein. "Aber solange keine gesicherten
Erkenntnisse vorliegen, darf so etwas nicht passieren."
Dabei erscheint der mögliche Nutzen der Gen-Gehölze manchen Forschern derart verlockend, daß nicht jeder auf die
langwierige Sicherheitsforschung warten mag. So wären für die Papierindustrie Bäume lukrativ, deren Holz eine veränderte
Zusammensetzung hat. Bisher muß das darin enthaltene Lignin (eine Substanz, die Festigkeit verleiht) aufwendig
herausgelöst werden. "Bäume mit geringerem oder verändertem Lignin-Gehalt wären sowohl ökonomisch wie ökologisch
sehr interessant. Denn bei der Papierherstellung ließen sich große Mengen giftiger Chemikalien einsparen", sagt Fladung.
Daß es ebenso wie bei der ökologischen Landwirtschaft auch bei der Papierherstellung giftfreie Alternativen gibt, wird
interessegeleitet allzu leicht übersehen.
Französische und britische Wissenschaftler erzeugten bereits Gentech-Pappeln, die leichter
lösliches Lignin enthielten2. Weltweit werden immer mehr Gehölze gentechnisch verändert. Die Palette der
Genmanipulationen bei Forst-, Obst und Ziergehölzen ist schon fast so breit ist wie bei landwirtschaftlichen Kulturpflanzen
wie in einer Studie zu genmanipulierten Bäumen, die in der Humboldt-Universität in Berlin angefertigt wurde, festgestellt
wurde. Und nach übereinstimmender Meinung sowohl der Pro- als auch der Contra-Experten ist die Gefahr von
genmanipulierten Gehölzpflanzen für die Umwelt größer als bei einjährigen Nutzpflanzen wie Mais oder Raps.
Erst Langzeitstudien, die über einen Zeitraum von vielen Jahrzehnten ablaufen müßten, könnten den Kenntnisstand
in sinnvoller Weise aufbessern. Zur Zeit gibt es allerdings noch sehr wenig Erfahrung im Umgang mit genmanipulierten
Bäumen.
Insgesamt sind zur Zeit rund 150 Freisetzungen von gentechnisch veränderten Gehölzen bekannt. In den USA - auf dem
Gebiet genmanipulierter Gehölze weltweit führend - wurde bereits eine Marktzulassung für eine virusresistente
Papaya-Pflanze erteilt. Auf dem europäischen Markt sind noch keine genmanipulierten Bäume zugelassen. Erster
Kandidat für eine Zulassung sei - so heißt es in Fachkreisen ganz ernsthaft - ein schädlingsresistenter Weihnachts- baum.
Petra Willaredt
Anmerkungen:
1 UBA-Texte 53/02, Berlin 2002
2 Nature Biotechnology, Bd. 20, S. 607, 2002
Mit dem Fall des Gen-Moratoriums wäre - über solche wie im obigen Artikel beschriebenen Versuchsanpflanzungen
hinaus - der kommerzielle und großflächige Anbau genmanipulierter Pflanzen in Europa möglich.
In der Schweiz wurden bereits über 110.000 Unterschriften für den Erhalt des dortigen Gen-Moratoriums
gesammelt. Eine Volksinitiative ist damit auf den Weg gebracht. Gegen den ausdrücklichen Willen von über 80 Prozent
der SchweizerInnen - so jüngste Umfragen - kann auch die Schweizer Regierung keinen Anbau von Gen-Pflanzen und
Import von Gen-Food zulassen.