Zum 18. April soll das Gentechnik-Gesetz in Kraft treten. Vorgeblich soll es die Koexistenz zwischen der bisherigen Landwirtschaft - also konventioneller und Öko-Landwirtschaft - auf der einen und der neuen Gentech-Landwirtschaft nach US-Muster auf der anderen Seite regeln. Doch nicht einmal wurde im seit Januar - nach monatelanger Verzögerung - vorliegenden Gesetzentwurf aus dem Hause Künast bedacht, wie denn in Zukunft zwischen Gen-Honig und Bio-Honig zu unterscheiden sei. Bienen fliegen nun mal auch zu genmanipulierten Pflanzen und ihr Quadratkilometer großes Sammelgebiet ist von Imkern wenig beeinflußbar.
Darüber hinaus hängt das Gentech-Gesetz ohne die notwendigen Ausführungsbestimmungen und die bisher nur angekündigte Neudefinition der "guten fachlichen Praxis" der Landwirtschaft völlig in der Luft. Selbst von Seiten der SPD wird "mit Sorge gesehen", daß es rund vier Wochen vor dem Stichtag für die Anwendung der Vorschriften über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (EU-Verordnung Nr. 1829/ 2003) und über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von GVO (EU-Verordnung Nr. 1830/ 2003) noch keine Durchführungs- vorschriften und kein zentrales Register gibt.
Das Chaos wird von den Unions-regierten Bundesländern liebevoll gesteigert, in dem sie - wie nicht anders zu erwarten - das schon von der Zielsetzung einer "Koexistenz" her zum Scheitern verurteilte Gentech-Gesetz, allein um ihren Part im Kasperle-Theater zu spielen, im Bundesrat zu "verwässern" trachten. Dabei ist spätestens seit der Veröffentlichung mehrerer Studien seit Ende 2002 bekannt, daß eine "Koexistenz" in der Praxis nicht möglich ist. Genmanipulierte Pflanzen werden sich ungehindert verbreiten. Allein die Ausbreitungs- geschwindigkeit kann mit dem Anpflanzen von Hecken als Pollenbarrieren oder dem Einhalten von Abstandszonen ein wenig reduziert werden. Ob in zwei oder in fünf Jahren: Eine gentech-freie Landwirtschaft wird nach dem Fall des seit 1998 bestehenden Gen-Moratoriums in Europa nicht länger möglich sein.
Michael Meacher, bis Juni 2003 britischer Umweltminister unter Tony Blair, sagt heute ganz klar: Es geht um die Entscheidung, ob eine prosperierende Bio-Landwirtschaft für eine risikobehaftete Gentech-Landwirtschaft geopfert werden soll. Und die einzigen die von der Einführung der umweltfeindlichen und gesundheitsgefährdenden Gentech-Landwirtschaft profitieren werden, sind die Gen-Multis mit 'Monsanto' und 'Bayer' an der Spitze.
Und um das Chaos noch zu vervollkommnen, haben Umweltverbände wie BUND und DNR in völliger Verkennung der Realität viel Mühe in die Ausarbeitung eines "Alternativentwurfs" des Gentech-Gesetzes investiert. Dieser Berg Papier wird weder Künast noch die anderen Polit-SchauspielerInnen unter der schwarz-gelben Flagge interessieren. BUND und DNR klammern sich weiter an die Chimäre der Koexistenz, an welche sie doch anscheinend selbst nicht mehr so recht glauben. Denn mit einem Augenzwinkern wird eingestanden, daß mit einem solchen Gesetz, so es denn eine Chance hätte durch den Bundesrat zu kommen, der Anbau von Gen-Pflanzen praktisch unmöglich gemacht würde. Warum dann nicht gleich mit aller Kraft für den Erhalt des Gen-Moratoriums gekämpft wurde, schien deren unergründliches Geheimnis zu sein. Denn Argumente, warum es sinnvoller sei, mit Hilfe einer "Koexistenz"-Regelung gegen den Einbruch der "Grünen Gentechnik" anzugehen, statt sich für den Erhalt des Gen-Moratoriums einzusetzen, waren nie zu hören.
Doch das Eingeständnis, per Gesetz den Gen-Anbau verhindern zu wollen, läßt Rückschlüsse darauf zu, was die VerfasserInnen des "Alternativentwurfs" wohl vom Gentech-Gesetz erwartet hatten und was ihnen vermutlich in vertrauensvollen "Hintergrundgesprächen" von Frau Künast versprochen worden war. Offensichtlich hatten sie darauf gehofft, daß "Rot-Grün" die
Hürden für die Gen-Landwirtschaft so hoch ansetzen würde, daß diese keine reale Chance hätte. Aber diese taktische Finesse mußte selbstverständlich vertraulich behandelt werden.
Um so verwunderlicher ist angesichts der inzwischen unübersehbaren Fakten deren Anhänglichkeit, denn unverdrossen - so jedenfalls in ihrer Pressemitteilung - meinen sie immer noch: "Die Glaubwürdigkeit der rot-grünen Politiker steht jetzt auf dem Prüfstand".
Frank Bayer