15.07.2003

Artikel

Gen-Food in Brasilien:
legal ? illegal ? scheißegal !

Welche Rolle spielt Lula da Silva ?

Möglicherweise ist nicht Deutschland, wo Künast den Gen-Konzernen nur über die Hintertür ("Kennzeichnungspflicht") den Weg bereiten kann, sondern Brasilien das Zünglein an der Waage, wo sich die Zukunft von Gen-Food entscheidet.

In Brasilien zeigt sich, daß den Gen-Konzernen, Monsanto vorneweg, das Recht nur solange etwas gilt, als es ihnen nicht im Wege steht oder ihnen nützt. Seit September 1998 ist der kommerzielle Anbau von Gen-Soja in Brasilien gerichtlich untersagt, doch im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul ist das den Soja-Anbauern scheißegal. Für den Gen-Giganten Monsanto wird die Zeit knapp. Monsanto steht kurz vor der Pleite und versucht daher in Brasilien vollendete Tatsachen zu schaffen. Unter den Bezeichnungen 'Maradona' und 'Mercedes 70' wurde Monsanto-Saatgut über die argentinische Grenze geschmuggelt. Über zwei Drittel der diesjährigen Soja-Ernte der Region Rio Grande do Sul von insgesamt rund 8 Millionen Tonnen stammt aus diesem Schmuggel. Carlos Sperotto, ein Funktionär der Soja-Anbauer und Chef des Agrar-Verbandes Farsul verkündet bereits frech, der Durchbruch für Gen-Soja sei bereits unumkehrbar.

Sonst meist um Diskretion bemüht, scheut sich auch die US-Regierung nicht, offen zugunsten von Monsanto zu intervenieren. So wurde beispielsweise kürzlich von der US-Botschaft eine zehntägige Reise für brasilianische ParlamentarierInnen und WissenschaftlerInnen nach Südafrika gesponsort, um die dortigen "Erfolge" von Monsanto bewundern zu können. Inzwischen halten sich immer mehr Abgeordnete der als sozialdemokratisch geltenden 'Arbeiterpartei PT' des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva auffallend zurück, obwohl die 'Arbeiterpartei PT' zu Oppositionszeiten die Anti-Gentech-Kampagnen mitgetragen hatte.

Ende März löste ein Präsidentendekret beim brailianischen Verbraucherverband 'Idec', der Landlosenbewegung MST und bei Greenpeace Entsetzen aus: Der Verkauf von Gen-Soja wurde für den Brasilianischen Markt freigegeben - mit der Alibi-Klausel einer Befristung bis 2004. Auf der anderen Seite heißt es, die kommende Aussaat solle wieder frei von genmanipuliertem Soja sei und der brasilianische Umwelt-Staatssekretär João Paulo Capobianco kündigt "scharfe Kontrollen" an. Auch Umweltministerin Marina Silva erklärt, am Vorsorgeprinzip festhalten zu wollen, solange die Risiken für Gesundheit und Umwelt unkalkulierbar seien. Doch zugleich wurde verbreitet, der brasilianischen Regierung fehlten die Mittel, um das Verbot durchzusetzen. Und die bekannte indische Umweltaktivistin Vandana Shiva sah es dieser Tage als unumgänglich an, ihrer "Freundin", der brasilianischen Umweltministerin einen Blitzbesuch abzustatten, um dieser den Rücken zu stärken.

Im Mai verbrannten 3000 DemonstrantInnen ein neun Hektar großes Monsanto-Versuchsareal mit Gen-Mais. Anfang Juni wurde eine Monsanto-Farm im zentralbrasilianischen Staat Goiás besetzt. Den brasilianischen Kleinbauern und -bäuerinnen ist klar, daß es um ihre Existent geht und daß Monsanto nach einer Freigabe des Anbaus von Gen-Pflanzen die Kontrolle über die gesamte Nahrungskette erlangen würde. Ebenso wie dem Gen-Soja von Monsanto wird dem Gen-Mais vom Typ "Roundup Ready" ein Gen eingebaut, das ihn resistent gegen das Monsanto-Herbizid "Roundup" macht. Alle "Unkräuter" neben den Gen-Pflanzen können so mit dem Herbizid vernichtet werden. Jetzt wird für "Roundup Redy" noch damit geworben, daß mit diesem Gen-Mais die Produktionskosten um 30 Prozent niedriger im Vergleich zum bisherigen Anbau lägen. Doch sind erst mal alle genfrei arbeitenden Bauern und Bäuerinnen verdrängt - nicht zuletzt, weil sich Gen-Pflanzen unkontrolliert verbreiten - und sind ausnahmslos alle von Monsanto abhängig, können die Preise beliebig diktiert werden.

Bisher wird Brasiliens Präsident "Lula" in Europa, wo er als Linker gehandelt wird, großes Vertrauen entgegengebracht. Doch bisher hat sich Lula da Silva auf keinen ernsthaften Konflikt mit der USA eingelassen. Im Gegenteil: Nach den Zusammenbrüchen der bisherigen brasilianischen Regierungen schien es völlig aussichtslos, daß die gigantischen Auslands-Schulden Brasiliens je einzutreiben seien - doch nun steht Lula da Silva als Garant für die "Kreditwürdigkeit" Brasiliens.

 

Adriana Ascoli

 

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