Neue Untersuchungsergebnisse weisen auf Gesundheitsgefahren hin
Immer breiter werden die Gefahren durch genmanipulierte Pflanzen, die sich -
einmal in Europa angebaut - durch Auskreuzungen und Vermischungen ohne
Rückholmöglichkeit ausbreiten könnten, diskutiert. Immer mehr Landwirte werden
sich bewußt, daß es nicht nur mit der biologischen, sondern auch mit der
konventionellen, gentechnik-freien Landwirtschaft in wenigen Jahren vorbei sein
wird, sollte das europäischen Gen-Moratoriums demnächst fallen. Und auch daß die
als Lösung angebotene "Koexistenz" nichts anderes als eine Türöffner-Funktion
hat, wird immer mehr Landwirten klar. Diese schließen sich in immer größerer
Zahl zu "gentechnik-freien" Zonen zusammen. Zugleich aber wird nicht zuletzt
auch von der "rot-grünen" Bundesregierung nach wie vor behauptet, es seien
bislang keinerlei gesundheitliche Gefahren durch Gen-Food bekannt.
Agrar-Ministerin Renate Künast wurde schon mehrfach dafür gelobt, daß sie
inzwischen die "Unbedenklichkeit von Gen-Food erkannt" habe.
Doch Hinweise auf Gesundheitsrisiken wurden erst kürzlich wieder publik.
Auf den Philippinen fanden Wissenschaftler bei Dorfbewohnern Immunkörper gegen Pollen von genmanipulierte Pflanzen. Diese Gen-Pflanzen waren in unmittelbarer
Nähe während der letzten Wachstumsperiode angebaut worden. Und die französische
Tageszeitung 'Le Monde' hatte Einblick in geheime Dokumente, die pathogene
Auswirkungen der Gen-Maissorte Mon 863 des Agro-Konzerns Monsanto aufzeigen,
und darüber am 23. April berichtet. Dabei hatte Mon 863 eben erst eine positive
Bescheinigung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit erhalten. In
diesem Geheimdokument, auf das sich die Veröffentlichung in 'Le Monde' stützt,
waren bei Versuchstieren Mißbildungen der Niere und eine abnormale Veränderung
des Blutbildes festgestellt worden. Bei männlichen Ratten war eine signifikante
Zunahme weißer Blutkörperchen und von Lymphozyten aufgetreten, bei weiblichen
Ratten eine Erhöhung der Blutzuckerwerte und Abnahme von Retikulo-Zellen
(unreifen roten Blutkörperchen) beschrieben worden.
Eine aktuelle italienische Forschungs-Studie der Universität Urbino, die dieser
Tage veröffentlicht wurde, berichtet von einer veränderten Leberstruktur bei
Mäusen nach Verabreichung genmanipulierten Sojas. Das Forscherteam um Manuela
Malatesta und Chiara Caporaloni konnte signifikante Modifikationen in einigen
den Zellkern betreffenden Merkmalen nachgewiesen. Vereinfacht kann von
unregelmäßig geformten Zellkernen gesprochen werden. In einer Auswertung der
Studie heißt es, die Ergebnisse seien ein deutlicher Index für eine erhöhte
Stoffwechselrate sowie einen Anstieg der Anzahl nuklearer Poren, die intensiven
Molekularaustausch anzeigten. Leberzellen sind an vielfältigen
Stoffwechselvorgängen beteiligt, die mit der Weiterverarbeitung von Nahrung zu
tun haben.
Unerwähnt soll hierbei nicht bleiben, daß die Übertragung der Ergebnisse von
Tierversuchen auf den Menschen - einmal abgesehen von ethischen Implikationen -
nicht unproblematisch ist. Auffallend ist jedoch, daß fast ausschließlich
Untersuchungsergebnisse in den Medien Verbreitung finden, die für die Gentechnik
vorteilhaft erscheinen. Der frühere britische Umweltminister Michael Meacher,
der wegen seiner gen-kritischen Haltung von Premierminister Tony Blair im Juni
letzten Jahres entlassen worden war, trat in den vergangenen Tagen einmal mehr
an die Öffentlichkeit. Er hatte Kontakt mit dem US-amerikanischen Independant
Science Panel (ISP) aufgenommen, das genkritischen Wissenschaftlern eine
Plattform bietet. Es sei dringend nötig, so Meacher, eine großangelegte
vergleichende Studie über die Sicherheit von Gen-Food in Auftrag zu geben. Es
müsse endlich Schluß damit sein, daß Wissenschaftler erheblichen Nachteilen
ausgesetzt sind, wenn ihre wissenschaftlichen Ergebnisse der Industrie
"unpassend" erschienen. Meacher hatte sich auch mehrfach öffentlich zur Frage
der "Koexistenz" geäußert. Angesichts der kleinflächigen Anbauweise in Europa
sei die Möglichkeit einer "Koexistenz" generell fragwürdig, da sich diese nach
den Erfahrungen in Kanada nicht realisieren lasse. Es stehe deshalb in Europa
die Entscheidung an, ob wir "eine prosperierende Bio-Landwirtschaft für eine
risikobehaftete Gentech-Landwirtschaft opfern" wollen.
Klaus Schramm