1.06.2004

Gen-Food
keinesfalls "unbedenklich"

Neue Untersuchungsergebnisse weisen auf Gesundheitsgefahren hin

Immer breiter werden die Gefahren durch genmanipulierte Pflanzen, die sich - einmal in Europa angebaut - durch Auskreuzungen und Vermischungen ohne Rückholmöglichkeit ausbreiten könnten, diskutiert. Immer mehr Landwirte werden sich bewußt, daß es nicht nur mit der biologischen, sondern auch mit der konventionellen, gentechnik-freien Landwirtschaft in wenigen Jahren vorbei sein wird, sollte das europäischen Gen-Moratoriums demnächst fallen. Und auch daß die als Lösung angebotene "Koexistenz" nichts anderes als eine Türöffner-Funktion hat, wird immer mehr Landwirten klar. Diese schließen sich in immer größerer Zahl zu "gentechnik-freien" Zonen zusammen. Zugleich aber wird nicht zuletzt auch von der "rot-grünen" Bundesregierung nach wie vor behauptet, es seien bislang keinerlei gesundheitliche Gefahren durch Gen-Food bekannt. Agrar-Ministerin Renate Künast wurde schon mehrfach dafür gelobt, daß sie inzwischen die "Unbedenklichkeit von Gen-Food erkannt" habe.

Doch Hinweise auf Gesundheitsrisiken wurden erst kürzlich wieder publik. Auf den Philippinen fanden Wissenschaftler bei Dorfbewohnern Immunkörper gegen Pollen von genmanipulierte Pflanzen. Diese Gen-Pflanzen waren in unmittelbarer Nähe während der letzten Wachstumsperiode angebaut worden. Und die französische Tageszeitung 'Le Monde' hatte Einblick in geheime Dokumente, die pathogene Auswirkungen der Gen-Maissorte Mon 863 des Agro-Konzerns Monsanto aufzeigen, und darüber am 23. April berichtet. Dabei hatte Mon 863 eben erst eine positive Bescheinigung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit erhalten. In diesem Geheimdokument, auf das sich die Veröffentlichung in 'Le Monde' stützt, waren bei Versuchstieren Mißbildungen der Niere und eine abnormale Veränderung des Blutbildes festgestellt worden. Bei männlichen Ratten war eine signifikante Zunahme weißer Blutkörperchen und von Lymphozyten aufgetreten, bei weiblichen Ratten eine Erhöhung der Blutzuckerwerte und Abnahme von Retikulo-Zellen (unreifen roten Blutkörperchen) beschrieben worden.

Eine aktuelle italienische Forschungs-Studie der Universität Urbino, die dieser Tage veröffentlicht wurde, berichtet von einer veränderten Leberstruktur bei Mäusen nach Verabreichung genmanipulierten Sojas. Das Forscherteam um Manuela Malatesta und Chiara Caporaloni konnte signifikante Modifikationen in einigen den Zellkern betreffenden Merkmalen nachgewiesen. Vereinfacht kann von unregelmäßig geformten Zellkernen gesprochen werden. In einer Auswertung der Studie heißt es, die Ergebnisse seien ein deutlicher Index für eine erhöhte Stoffwechselrate sowie einen Anstieg der Anzahl nuklearer Poren, die intensiven Molekularaustausch anzeigten. Leberzellen sind an vielfältigen Stoffwechselvorgängen beteiligt, die mit der Weiterverarbeitung von Nahrung zu tun haben.

Unerwähnt soll hierbei nicht bleiben, daß die Übertragung der Ergebnisse von Tierversuchen auf den Menschen - einmal abgesehen von ethischen Implikationen - nicht unproblematisch ist. Auffallend ist jedoch, daß fast ausschließlich Untersuchungsergebnisse in den Medien Verbreitung finden, die für die Gentechnik vorteilhaft erscheinen. Der frühere britische Umweltminister Michael Meacher, der wegen seiner gen-kritischen Haltung von Premierminister Tony Blair im Juni letzten Jahres entlassen worden war, trat in den vergangenen Tagen einmal mehr an die Öffentlichkeit. Er hatte Kontakt mit dem US-amerikanischen Independant Science Panel (ISP) aufgenommen, das genkritischen Wissenschaftlern eine Plattform bietet. Es sei dringend nötig, so Meacher, eine großangelegte vergleichende Studie über die Sicherheit von Gen-Food in Auftrag zu geben. Es müsse endlich Schluß damit sein, daß Wissenschaftler erheblichen Nachteilen ausgesetzt sind, wenn ihre wissenschaftlichen Ergebnisse der Industrie "unpassend" erschienen. Meacher hatte sich auch mehrfach öffentlich zur Frage der "Koexistenz" geäußert. Angesichts der kleinflächigen Anbauweise in Europa sei die Möglichkeit einer "Koexistenz" generell fragwürdig, da sich diese nach den Erfahrungen in Kanada nicht realisieren lasse. Es stehe deshalb in Europa die Entscheidung an, ob wir "eine prosperierende Bio-Landwirtschaft für eine risikobehaftete Gentech-Landwirtschaft opfern" wollen.

 

Klaus Schramm

 

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