22.04.2004

Wahlfreiheit zwischen
Gen-Futter und Gen-Futter

Futtermittelindustrie sabotiert Fleischerzeugung ohne Gen-Futter
Greenpeace deckt systematische Falschkennzeichnung von Futtermitteln auf

Die deutsche Futtermittelindustrie versucht offenbar zu verhindern, daß Landwirte gentechnik-freie Futtermittel einkaufen können. Mit der falschen Kennzeichnung sämtlicher Futtermittel als Gentechnik-Ware, beraubt sie die Landwirte der viel gepriesenen "Wahlfreiheit".

"Wahlfreiheit" soll mit der Kennzeichnungspflicht in den Supermärkten eingeführt worden sein. Doch da laut Umfragen über 70 Prozent der KonsumentInnen Gen-Food abgelehnen, hüten sich die Lebensmittel-Ketten überhaupt Waren anzubieten, die als Gen-Food gekennzeichnet werden müßten. Zu deutlich blieb in Erinnerung, wie der von Nestlé angebotene 'Butterfinger' in den Regalen liegen blieb. Doch Fleisch, Milch, Käse, Joghurt, Eier und andere Produkte von Tieren, die mit genmanipulierten Futtermitteln gemästet wurden, muß derzeit nicht als Gen-Food gekennzeichnet werden. Damit offenbart sich die "Wahlfreiheit" als Farce.

80 bis 90 Prozent aller weltweit angebauten Gen-Pflanzen werden als Tierfutter eingesetzt. Mit der jetzt gültigen Kennzeichnungs-Regelung wird der Fall der seit sechs Jahren bestehenden Gen-Moratoriums vorbereitet. Den KonsumentInnen wird vorgespiegelt, sie könnten per "Abstimmung mit dem Einkaufskorb" den Verkauf von Gen-Food auf Dauer verhindern. Schon seit langem wird aber beispielsweise Gen-Soja aus Brasilien in Europa als Tierfutter eingesetzt. Mit dem Fall des Gen-Moratoriums wird jedoch der großflächige Anbau von genmanipulierten Pflanzen in Europa beginnen. Als Absatzmarkt dient derweil die Futtermittelindustrie. Und weil sich Gen-Pflanzen und deren gentechnische Veränderungen durch Pollenflug und unvermeidliche technische Vermischung unwiderruflich verbreiten, können nach wenigen Jahren dann auch sämtliche Lebensmittel nicht mehr gentechnik-frei angeboten werden.

Da sich immer mehr Landwirte gegen die Zwangsbeglückung durch Gen-Pflanzen entscheiden und zu symbolischen gentechnik-freien Zonen zusammenschließen, soll ihnen die Verwendung von Gentechnik untergeschoben werden. Der weltweit größte Zulieferer von Futter-Soja, der Bunge-Konzern, kennzeichnet seine Ware fälschlich durchweg als gentechnisch verändertes Futter-Soja. Im Januar kündigte der Raiffeisen-Verband an, gentechnik-freie Futtermittel nur noch als überteuerte Nischenprodukte anzubieten. Und der Hamburger Lieferant Una-Hakra hat die für Edeka produzierende Erzeugergenossenschaft vor wenigen Tagen informiert, daß ihre Ware zwar keine Gen-Pflanzen enthalte, auf den Säcken dennoch Gen-Soja angegeben würde.

"Durch die falsche Kennzeichnung haben Landwirte keine Wahl mehr. Sie werden von den Futtermittel-Konzernen gezwungen, als Gen-Futter deklarierte Ware zu kaufen", erklärt Christoph Then, Gentechnik- Experte von Greenpeace. "Damit wollen sie einen neuen Qualitätsstandard ohne Gen-Soja verhindern. 70 Prozent der Landwirte lehnen aber den Einsatz von Gen-Futter ab. Die Industrie muß sich dieser Ablehnung beugen und die verschiedenen Qualitäten der Futtermittel trennen. Futter ohne Genpflanzen muß zum Standard werden", fordert Then.

Laut Greenpeace versucht die deutsche Futtermittelindustrie, seit BSE als skrupellos bekannt, die Entstehung gentechnik-freier Futtermittelmärkte verhindern. Mit der falschen Bezeichnung ihres Futters als Gentechnik-Ware sollen Fleischvermarkter in die Knie gezwungen werden, die Tierfutter ohne Gentechnik einsetzen wollen. Als Beweis präsentierte Greenpeace heute aktuelle Schreiben von Futtermittelkonzernen.

Dabei ist gentechnik-freies Soja ist derzeit keine Mangelware. Seit Dezember 2003 hat Greenpeace in Hamburg auf zehn Schiffen mit Soja Proben genommen und von unabhängigen Instituten auf Gentechnik untersuchen lassen. Bei den letzten beiden Schiffen, die aus Brasilien kamen, lagen die Verunreinigungen mit Gen-Soja deutlich unter 0,9 Prozent. Die Ware müßte daher nach der neuen Verordnung nicht gekennzeichnet werden. Soja-Schiffe aus den USA haben hingegen generell einen hohen Anteil von 27 bis zu 97 Prozent Gen-Soja an Bord.

Doch bei der gegenwärtigen Gesetzeslage können die Futtermittelanbieter keineswegs zu einer korrekten Kennzeichnung gezwungen werden. Niemand kann ihnen verbieten bei allen Chargen genmanipulierte Futterpflanzen unterzumischen.

 

Klaus Schramm

 

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