30.10.2003

Artikel

Kuriositäten-Kabinett
Bundestag

Argumente von CDU und FDP peinlich für Gentech-Konzerne

Da die Gentech-Konzerne längst ihre effektivsten Wegbereiter im Regierungslager wissen, haben sie offenbar die Opposition vernachläsigt. CDU und FDP operieren mit Argumenten von vorgestern. Das ist nun selbst Novartis, Syngenta & Co. peinlich.

Wären die Argumente nicht längst widerlegt, wäre dem Geschick, wie damit versucht wird auf die Tränendrüse zu drücken, immerhin Beachtung zu zollen. So jedoch produzierten CDU/CSU und FDP einen grotesken Flashback auf den Diskussionsstand von vor zehn Jahren und machten damit den Bundestag zum Kuriositäten-Kabinett. Hier einige Original-Zitate aus der 69. Sitzung des 15. Deutschen Bundestages am 23. Oktober 20031, Debatte zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion "Chancen der grünen Gentechnik nutzen". Im Anschluß daran einige Äußerungen von Novartis- und Syngenta-Vertretern.

Aus dem ersten und dritten Redebeitrag:

"Grüne Gentechnik für die Weltbevölkerung"
Peter H. Carstensen (CDU):

"Die Gentechnik ist eine der Schlüsseltechnologien der Zukunft und wird helfen, die Welternährung im 21. Jahrhundert zu sichern.
(...)
Zum Zweiten werden die Leidtragenden einer falschen Weichenstellung von heute nicht die Länder der Weichensteller wie die satte Bundesrepublik sein, sondern die Länder Afrikas und Südostasiens.
(...)
Vonseiten der Grünen und von Teilen der SPD - ich sage ganz bewusst: von Teilen der SPD - wird immer wieder gern behauptet, wir würden das Argument der Sicherung der Welternährung nur instrumentalisieren, um unsere Vorstellungen in den Gesetzgebungsverfahren durchzudrücken. Dazu kann ich nur sagen: Das stimmt. Aber wenn wir dieses Argument nicht einmal mehr vorbringen dürfen und über grüne Gentechnik nicht gesprochen werden darf, obwohl 820 Millionen Menschen auf dieser Erde hungern, dann ist dies ein trauriges Faktum.
(...)
Für die Union ist die grüne Gentechnik ein zentrales Instrument, um die Ernährung der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert sicherzustellen. Bitte unterstellen Sie uns nicht, dass wir die Komplexität des Hungers nicht verstünden und davon überzeugt wären, dass die grüne Gentechnik das einzige Instrument zur Lösung des Hungerproblems ist.
(...)
Wir müssen uns darauf einstellen, dass im Jahre 2020 zwischen 7 und 8 Milliarden Menschen auf der Erde leben werden. Diese Bevölkerung ausreichend mit Nahrung, Wasser, Gesundheitsdiensten, Bildung und Arbeit zu versorgen ist die größte globale Herausforderung der kommenden Jahre. Dieser Herausforderung werden Sie nicht durch Flächenstilllegung und Extensivierung gerecht, sondern dadurch, dass wir auf den begrenzten Flächen die Produktion um 60 Prozent erhöhen.
(...)
Deswegen empfinde ich es schon als makaber, dass die Reichen und Satten dieser Welt denjenigen eine neue Technologie vorenthalten, die sie brauchen."
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

"Der gefährliche Kulturpessimismus der Grunen"
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
"Sie, Frau Künast, richten Ihre Strategie nach den grünen Klientelinteressen satter Menschen aus. Deswegen haben die Menschen der armen Länder bei Ihnen keine Chance. Das kann man sehr deutlich daran erkennen, dass Sie in einer solchen Debatte als Erstes die Frage der Wahlfreiheit thematisieren. Als ob derjenige, der Hunger hat, gerne wählen möchte! Er möchte einfach nur essen und satt werden, nichts anderes."
(...)
Die Ernährungsprobleme in der Dritten Welt sind groß. Ursache sind die Armut und die Verantwortungslosigkeit totalitärer Regime - dazu zählt zum Beispiel das kommunistische Regime in Nordkorea -, aber auch die wachsende Weltbevölkerung, der kaum vermehrbare Ackerflächen gegenüberstehen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Intensität der landwirtschaftlichen Produktion zu steigern, damit alle Menschen statt werden.
(...)
Es wurden neue Sorten entwickelt. Wir können erwarten, dass mit gentechnischen Methoden Erträge weiter gesichert und die Qualität der Nahrungsmittel weiter verbessert wird. Deutsche Unternehmen wollen sich ihrer Verantwortung bei der Entwicklung neuer Sorten stellen.
(...)
In den letzten zehn Jahren wurden transgene Sorten mit sehr interessanten und für die Ernährungssituation der Menschen in den ärmsten Ländern der Erde wichtigen Eigenschaften entwickelt. Golden Rice ist das bekannteste Beispiel; es gibt einige andere mehr. Die Frage, ob transgene Sorten verantwortbar sind, ist beantwortet: Sie sind verantwortbar. Inzwischen stellt sich die Frage, ob es ethisch verantwortbar ist, den Landwirten in den Entwicklungsländern diese Sorten weiter zu verweigern."
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Steve Smith von Novartis stellt unmißverständlich klar:
"Wenn Ihnen irgend jemand sagt, dass die Einführung von Genfood die Welt ernähren wird, sagen Sie ihm, dass das eine Lüge ist... Um die Welt zu ernähren bedarf es politischen und finanziellen Willens - das hat nichts mit Produktion und Vermarktung zu tun."

Auf die Frage, ob mit Sorten wie "Golden Rice" (Goldener Reis) die Welternährung gesichert werden kann, die von führenden Politikern in der Vergangenheit gestellt wurde, meinte Dr. Richard Horton, Redakteur der britischen Wissenschaftszeitschrift The Lancet (zitiert nach BBC) :
"Eine technologische Lösung für das Hungerproblem bei der Biotechnologie zu suchen ist eine boshafte Irreführung der Öffentlichkeit - aus wirtschaftlichen Interessen."

Ein Biotech-Experte der Firma Syngenta ließ jetzt verlauten, daß auch konventioneller Reis Beta-Karotin enthält. Bei bestimmten Varianten sei dies sogar mehr als beim Gen-Reis. Durch wissenschaftliche Forschung und Zucht könne ein "Goldener Reis" völlig ohne gentechnische Maßnahmen hergestellt werden.

Zum Hintergrund von "Golden Rice":
Das Gentechnik-Unternehmen Zeneca hatte im Januar 2000 angekündigt, eine neue Variante von gentechnisch modifiziertem Reis auf den Markt zu bringen, die mehr Beta-Karotin enthält. Dies ist für die Bildung von Vitamin A notwendig, welches wiederum für die menschliche Gesundheit, speziell die Augen und das Immunsystem, von großer Bedeutung ist. Zeneca hatte - ein Sonderfall in der Gentechnikbranche - bekannt gegeben, das Saatgut für diesen "Goldenen Reis" kostenlos an Entwicklungsländer abzugeben.

Im Jahr 2001 zog ein "Peoples' March" durch alle reisproduzierenden Länder Südasiens und Südostasiens. Dieser Marsch protestierte vor allem gegen die Versuche der Gen-Tech-Industrie durch den "Goldenen Reis", der angeblich das Vitamin A Defizit in armen Ländern beheben soll, diese Länder von westlichen Biokonzernen abhängig zu machen und die asiatische Reiskultur zu zerstören. Reis sei nicht nur eine Quelle von Kalorien, Reis sei Kultur, war das wichtigste Argument der Protestierer aus Asien.

 

Ute Daniels

 

Anmerkung:
1 Quelle der Zitate: Zeitschrift 'Das Parlament',
53.Jahrgang / Nr.44, 27. Oktober 2003
Seite 21, Debattendokumentation

Hinweis:
In der Schweiz wurden bereits 110.000 Unterschriften für den Erhalt des dortigen Gen-Moratoriums gesammelt. Nehmen wir uns die SchweizerInnen zum Vorbild -
Zur Unterschriften-Aktion
'Moratorium für Gen-Food' hier klicken.

 

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