Argumente von CDU und FDP peinlich für Gentech-Konzerne
Da die Gentech-Konzerne längst ihre effektivsten Wegbereiter im Regierungslager wissen, haben sie
offenbar die Opposition vernachläsigt. CDU und FDP operieren mit Argumenten von vorgestern. Das ist
nun selbst Novartis, Syngenta & Co. peinlich.
Wären die Argumente nicht längst widerlegt, wäre dem Geschick, wie damit versucht wird auf die Tränendrüse
zu drücken, immerhin Beachtung zu zollen. So jedoch produzierten CDU/CSU und FDP einen grotesken Flashback
auf den Diskussionsstand von vor zehn Jahren und machten damit den Bundestag zum Kuriositäten-Kabinett.
Hier einige Original-Zitate aus der 69. Sitzung des 15. Deutschen
Bundestages am 23. Oktober 20031, Debatte zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion "Chancen der
grünen Gentechnik nutzen". Im Anschluß daran einige Äußerungen von Novartis- und Syngenta-Vertretern.
Aus dem ersten und dritten Redebeitrag:
"Grüne Gentechnik für die Weltbevölkerung"
Peter H. Carstensen (CDU):
"Die Gentechnik ist eine der Schlüsseltechnologien der Zukunft und wird
helfen, die Welternährung im 21. Jahrhundert zu sichern.
(...)
Zum Zweiten
werden die Leidtragenden einer falschen Weichenstellung von heute nicht die
Länder der Weichensteller wie die satte Bundesrepublik sein, sondern die
Länder Afrikas und Südostasiens.
(...)
Vonseiten der Grünen und von Teilen der SPD - ich sage ganz bewusst: von
Teilen der SPD - wird immer wieder gern behauptet, wir würden das Argument
der Sicherung der Welternährung nur instrumentalisieren, um unsere
Vorstellungen in den Gesetzgebungsverfahren durchzudrücken. Dazu kann ich
nur sagen: Das stimmt. Aber wenn wir dieses Argument nicht einmal mehr
vorbringen dürfen und über grüne Gentechnik nicht gesprochen werden darf,
obwohl 820 Millionen Menschen auf dieser Erde hungern, dann ist dies ein
trauriges Faktum.
(...)
Für die Union ist die grüne Gentechnik ein zentrales Instrument, um die
Ernährung der Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert sicherzustellen. Bitte
unterstellen Sie uns nicht, dass wir die Komplexität des Hungers nicht
verstünden und davon überzeugt wären, dass die grüne Gentechnik das einzige
Instrument zur Lösung des Hungerproblems ist.
(...)
Wir müssen uns darauf einstellen, dass im Jahre 2020 zwischen 7 und 8
Milliarden Menschen auf der Erde leben werden. Diese Bevölkerung ausreichend
mit Nahrung, Wasser, Gesundheitsdiensten, Bildung und Arbeit zu versorgen
ist die größte globale Herausforderung der kommenden Jahre. Dieser
Herausforderung werden Sie nicht durch Flächenstilllegung und
Extensivierung gerecht, sondern dadurch, dass wir auf den begrenzten Flächen
die Produktion um 60 Prozent erhöhen.
(...)
Deswegen empfinde ich es
schon als makaber, dass die Reichen und Satten dieser Welt denjenigen eine
neue Technologie vorenthalten, die sie brauchen."
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
"Der gefährliche Kulturpessimismus der Grunen"
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
"Sie, Frau Künast, richten
Ihre Strategie nach den grünen Klientelinteressen satter Menschen aus.
Deswegen haben die Menschen der armen Länder bei Ihnen keine Chance. Das
kann man sehr deutlich daran erkennen, dass Sie in einer solchen Debatte als
Erstes die Frage der Wahlfreiheit thematisieren. Als ob derjenige, der
Hunger hat, gerne wählen möchte! Er möchte einfach nur essen und satt
werden, nichts anderes."
(...)
Die Ernährungsprobleme in der Dritten Welt sind groß. Ursache sind die Armut
und die Verantwortungslosigkeit totalitärer Regime - dazu zählt zum Beispiel
das kommunistische Regime in Nordkorea -, aber auch die wachsende
Weltbevölkerung, der kaum vermehrbare Ackerflächen gegenüberstehen. Daraus
ergibt sich die Notwendigkeit, die Intensität der landwirtschaftlichen
Produktion zu steigern, damit alle Menschen statt werden.
(...)
Es wurden neue Sorten entwickelt. Wir können
erwarten, dass mit gentechnischen Methoden Erträge weiter gesichert und die
Qualität der Nahrungsmittel weiter verbessert wird. Deutsche Unternehmen
wollen sich ihrer Verantwortung bei der Entwicklung neuer Sorten stellen.
(...)
In den letzten zehn Jahren wurden transgene Sorten mit sehr interessanten
und für die Ernährungssituation der Menschen in den ärmsten Ländern der Erde
wichtigen Eigenschaften entwickelt. Golden Rice ist das bekannteste
Beispiel; es gibt einige andere mehr. Die Frage, ob transgene Sorten
verantwortbar sind, ist beantwortet: Sie sind verantwortbar. Inzwischen
stellt sich die Frage, ob es ethisch verantwortbar ist, den Landwirten in
den Entwicklungsländern diese Sorten weiter zu verweigern."
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Steve Smith von
Novartis stellt unmißverständlich klar:
"Wenn Ihnen irgend jemand sagt, dass die Einführung von
Genfood die Welt ernähren wird, sagen Sie ihm, dass das eine Lüge ist... Um
die Welt zu ernähren bedarf es politischen und finanziellen Willens - das
hat
nichts mit Produktion und Vermarktung zu tun."
Auf die Frage, ob mit Sorten wie "Golden Rice" (Goldener Reis) die Welternährung gesichert
werden kann, die von führenden Politikern in der Vergangenheit gestellt
wurde, meinte Dr. Richard Horton, Redakteur der
britischen Wissenschaftszeitschrift The Lancet (zitiert nach BBC) :
"Eine
technologische Lösung für das Hungerproblem bei der Biotechnologie zu suchen
ist eine boshafte Irreführung der Öffentlichkeit - aus wirtschaftlichen
Interessen."
Ein Biotech-Experte der Firma Syngenta ließ jetzt verlauten, daß auch
konventioneller Reis Beta-Karotin enthält. Bei bestimmten Varianten sei dies
sogar mehr als beim Gen-Reis. Durch wissenschaftliche Forschung und Zucht
könne ein "Goldener Reis" völlig ohne gentechnische Maßnahmen hergestellt
werden.
Zum Hintergrund von "Golden Rice":
Das Gentechnik-Unternehmen Zeneca hatte im Januar 2000 angekündigt, eine
neue Variante von gentechnisch modifiziertem Reis auf den Markt zu bringen,
die mehr Beta-Karotin enthält. Dies ist für die Bildung von Vitamin A
notwendig, welches wiederum für die menschliche Gesundheit, speziell die
Augen und das Immunsystem, von großer Bedeutung ist. Zeneca hatte - ein
Sonderfall in der Gentechnikbranche - bekannt gegeben, das Saatgut für
diesen "Goldenen Reis" kostenlos an Entwicklungsländer abzugeben.
Im Jahr 2001 zog ein "Peoples' March" durch alle reisproduzierenden Länder
Südasiens und Südostasiens. Dieser Marsch protestierte vor allem gegen die Versuche der
Gen-Tech-Industrie durch den "Goldenen Reis", der angeblich das Vitamin A Defizit in armen Ländern
beheben soll, diese Länder von westlichen Biokonzernen abhängig zu machen und die asiatische
Reiskultur zu zerstören. Reis sei nicht nur eine Quelle von Kalorien, Reis sei Kultur, war das wichtigste
Argument der Protestierer aus Asien.
Ute Daniels
Anmerkung:
1 Quelle der Zitate: Zeitschrift 'Das Parlament',
53.Jahrgang / Nr.44, 27. Oktober 2003
Seite 21, Debattendokumentation
Hinweis:
In der Schweiz wurden bereits 110.000 Unterschriften für den Erhalt des dortigen Gen-Moratoriums
gesammelt. Nehmen wir uns die SchweizerInnen zum Vorbild -
Zur Unterschriften-Aktion
'Moratorium für Gen-Food'
hier klicken.