Gen-kontaminierte Ernte soll aufgekauft werden
Immer deutlicher stellt sich heraus, daß die politische Bühne, auf der um ein stärkeres oder schwächeres Haftungsrecht bei gentechnisch manipulierten Organismen (GMO) "gerungen" wird, ein Kasperle-Theater ist. Weder das am Ende siebenjähriger "rot-grüner" Regierungszeit von Ministerin Künast vorgelegte Gentechnik-Gesetz mit einer verursacherunabhängigen Schadensregelung, noch der vom jetzigen Agrar-Minister Seehofer favorisierte Haftungsfond kann geschädigte LandwirtInnen tatsächlich schützen.
Sowohl die unter Künast ins Gesetz geschriebene "strenge" Regelung als auch der - ebenfalls zum Schein von den Gen-Konzernen abgelehnte - Haftungsfond kann mit folgendem Trick ausgehebelt werden. Monsanto und Co. werden schlicht und einfach die gen-kontaminierte Ernte aufkaufen. Wie sich bereits in Kanada gezeigt hat, entsendet Monsanto hauseigene Detektive auf die Felder, um in der Umgebung von GMO-Feldern Proben zu ziehen.
In Kanada wurden Bauernhöfe, die sich weigerten, ebenfalls GMO wie etwa Gen-Raps anzubauen, mit Klagen überzogen. Ihnen wurde vorgeworfen, illegal GMO angepflanzt zu haben, ohne die von Monsanto geforderte Lizenz zu bezahlen. Monsanto hatte mit dieser Methode vor kanadischen Gerichten Erfolg. Doch statt auf diese wenig publicity-trächtige Brachialmethode zu setzen, kann Monsanto das von Detektiven beschaffte Wissen auf andere Weise nutzen: Die Ernte genkontaminierter Nachbarfelder wird zu Preisen aufgekauft, die über dem Markpreis für gentechnikfreien oder biologisch angebauten Mais, Weizen oder Raps liegen. Ein Schaden - nach gängigen juristischen Vorstellungen nur meßbar in Euro - ist somit nie entstanden. Für einen Schadensfall, der gar nicht eintritt, muß - ergo - niemand haften.
Aus internen Quellen wurde bekannt, daß bereits die Märkische Kraftfutter GmbH (Märka) eine Strategie festgelegt hat, möglichen Haftungsfällen aus dem Weg zu gehen, indem sie die Ernte von Nachbarfeldern im Abstand von weniger als 500 Metern zum garantierten Marktpreis aufkauft. Märka ist vorwiegend in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern tätig, den Bundesländern in denen allein über 80 Prozent des in Deutschland noch von Ministerin Künast zugelassenen Gen-Mais angebaut wird. Auch interne Studien von Monsanto und Syngenta liegen vor, wonach diese Strategie verfolgt werden soll, um Haftungsfälle zu verhindern.
Ziel ist nicht allein, jedwede Haftungsregelung auszuhebeln. Mit der Strategie, genkontaminierte Ernten aufzukaufen, kann zugleich die Problematik der Verunreinigungsfälle verschleiert werden. Das wahre Ausmaß der Auskreuzung und Verschleppung innerhalb der Verarbeitungskette wird intransparent. Auf diese Weise kann die Gentech-Industrie Zeit gewinnen. Treten keine "Schadensfälle" auf, werden - so das Kalkül - immer mehr LandwirtInnen auf GMO-Anbau überwechseln und innerhalb von zwei oder drei Jahren wird ein gentechnik-freier Anbau in Deutschland gar nicht mehr möglich sein.
Die scheinbar so fest gefügte Ablehnungsfront der VerbraucherInnen, die zu mehr als 70 Prozent Gen-Food ablehnen, vermittelt ein Bild trügerischer Sicherheit. Denn wenn der Wunsch der KonsumentInnen nach gentechnik-freien Nahrungsmitteln nur noch durch Importprodukte gestillt werden kann, wird auch diese Ablehnungsfront - wie in anderen Fällen erprobt - über die Preise geknackt.
Klaus Schramm