13.06.2007

Neues "EU-Bio-Siegel"
für Mogelpackungen

Einführung der Gen-Landwirtschaft soll erleichtert werden

Alle Produkte aus kontrolliert biologischem Anbau sollen künftig zwangsweise mit einem neuen "EU-Bio-Siegel" gekennzeichnet werden. Die europäischen Landwirtschaftsminister als Vertreter der großen Agro- und Chemie-Konzerne stimmten gestern in Luxemburg für diese Regelung. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU), der sich bisher in Deutschland gegenüber den Belangen der Bio-Landwirtschaft "aufgeschlossen" gezeigt hatte, setzte sich mit dem Beschluß über die Bedenken von Bundesrat und Bundestag hinweg. Aus ökologischer Sicht bedeutet dieses Siegel die Gefahr einer Zerstörung der Grundlagen der Bio-Landwirtschaft.

Schon das sechseckigen Bio-Siegel, das 2001 von der damaligen "grünen" Agrar- und Verbraucherschutzministerin Renate Künast eingeführt wurde, hatte zu einer Verwässerung der Standards geführt. Es basiert auf der 1991 erlassenen EU-Öko-Verordnung, die Mindestanforderungen an Bio-Lebensmittel aufstellte. So konnten ab 2001 auch solche landwirtschaftlichen Betriebe Lebensmittel unter dem Künast-Siegel vermarkten, die zugleich ökologisch und konventionell wirtschaften. Der Bio-Boom im deutschen Lebensmittelhandel ging danach weitgehend an der deutschen Landwirtschaft vorbei. Ein immer größerer Anteil der Bio-Lebensmittel wird importiert.

Bei der Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln und der Verbreitung der Bio-Landwirtschaft in Deutschland ist leider ein gegenläufiger Trend zu verzeichnen. Der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln wächst jährlich um mehr als zehn Prozent. Doch während noch von 1999 auf 2000 der Zuwachs bei der deutschen Bio-Landwirtschaft bei 22 Prozent und von 2000 auf 2001 bei 15 Prozent lag, wurde die Entwicklung in den darauffolgenden Jahren stark abgebremst: Sowohl die Zahl der Betriebe als auch die bewirtschaftete Fläche wiesen mit rund fünf Prozent die geringsten Zuwachsraten seit 1995 auf.

Das neue "EU-Bio-Siegel" jedoch ist nun in der Konsequenz auf die Zerstörung der Bio-Landwirtschaft und die Durchsetzung der Gentech-Landwirtschaft ausgerichtet. Bisher noch konnte damit argumentiert werden, daß bei Einführung der Gentech-Landwirtschaft mit sogenannten Koexistenz-Regelungen eben gerade nicht das Nebeneinander beider Wirtschaftsformen gewährleistet werden kann. In den letzten fünf Jahren hat sich in der öffentlichen Diskussion mehr und mehr die Erkenntnis durchgesetzt, daß mit der Zulassung von genmanipulierten Pflanzen eine fortschreitende Kontamination der gesamten Landwirtschaft auch in Europa und in Deutschland unvermeidbar wäre. Da die Bio-Landwirtschaft aber bislang gentechnik-freie Lebensmittel garantieren will und garantieren muß, ist bei einer großflächigen Einführung von Gentech-Landwirtschaft ihr Existenzrecht gefährdet. Damit war nicht nur argumentativ, sondern auch rechtlich ein mächtiger Hebel gegen die Einführung der Gentech-Landwirtschaft gegeben.

"Gentechnische Verunreinigungen" sollen nun unter dem neuen "EU-Bio-Siegel" bis zu einem Wert von 0,9 Prozent toleriert werden. Die Verwendung von Gentechnik für Bio-Lebensmittel soll zwar weiterhin verboten bleiben, doch diese Toleranz-Schwelle zielt ganz klar auf die Legalisierung der Gen-Kontamination.

Als ein Imker Anfang Mai vor dem Verwaltungsgericht Augsburg einen aufsehen erregenden Prozeß gewann, bezog sich das Gericht in seinem Urteil darauf, daß dessen Honig 2006 durch die Kontamination mit Pollen von genmanipuliertem Mais "seine Verkehrs- und Verbrauchsfähigkeit" verloren hatte.1 Der Staat Bayern wurde dazu verurteilt, dafür Sorge zu tragen, daß der im Umkreis der Bienenstände angebaute Versuchs-Gen-Mais in diesem Jahr vor der Blüte unschädlich gemacht wird. Honig, der Pollen von gentechnisch veränderten Organismen enthalte, sei - so das Verwaltungsgericht Augsburg - ein gentechnisch verändertes Lebensmittel im Sinne der einschlägigen Verordnung der Europäischen Gemeinschaft und somit weder verkehrsfähig noch verbrauchsfähig.

Dieses Beispiel zeigt, welch große Relevanz das neue "EU-Bio-Siegel" besitzt. Gen-kontaminierter Honig wird so zu einem Bio-Lebensmittel umdeklariert und in folge dessen kann dann auch kein Schaden mehr vor Gericht eingeklagt und kein Schutz mehr erwirkt werden.

Bereits in den letzten Wochen hatten mehrere Öko-Verbände davor gewarnt, daß die EU-Kommission mit dem neuen "EU-Bio-Siegel" Genprodukte in Bio-Lebensmitteln erlauben will. Diese Warnung hat sich nun bewahrheitet. Es ist zu hoffen, daß sich möglichst viele Verbände jetzt zusammenschließen, um zu einem Boykott dieses Siegels aufzurufen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel:

      Stoppt Gerichtsurteil den Vormarsch
      von Gen-Food in Deutschland? (9.05.07)

Siehe auch die weiteren Artikel zum Thema:

      Bio-Lebensmittel
      - gebremst und bekämpft (9.03.07)

      Öko-Landwirtschaft in Deutschland ausgebremst
      Von Agrar-Wende ist nur noch auf Messen die Rede (25.02.05)

 

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