Chefwissenschaftler für Erhalt des Gen-Moratoriums
Die britische Regierung hatte die 8,6 Millionen Euro teure Studie 1999 bei der Royal Society ('Akademie der Wissenschaften')
in Auftrag gegeben, um sich die von Tony Blair gewünschte Beendigung des Gen-Moratoriums wissenschaftlich untermauern
zu lassen. Dies scheint gründlich daneben gegangen zu sein. Der Leiter der Studie erklärte gegenüber BBC, daß angesichts
der Ergebnisse das Gen-Moratorium erhalten bleiben solle. Die unterschiedlichen Ergebnisse ließen zwar keine generelle
Aussage zu, es seien jedoch erhebliche Gefahren für Natur und Umwelt durch einzelne genmanipulierte Pflanzensorten
ersichtlich geworden. Auf Grund des öffentlichen Drucks hatte die britische Regierung 1999 die auf vier Jahre angelegte
Studie gestartet, um die Risiken von genmanipulierten Pflanzen auf Fauna und Flora in der Landwirtschaft zu erforschen.
Insbesondere würden durch den Anbau genmanipulierter Pflanzensorten Unkräuter, Schmetterlinge, Weichtiere - und in
Folge daher auch Vögel zurückgedrängt. Dieses Teilergebnis bezieht sich auf die Untersuchungen an 60 Äckern mit
genmanipulierten Zuckerrüben und Gen-Raps im Vergleich zum Anbau entsprechender konventioneller Sorten.
Der Vergleich von Gen-Mais mit konventionellem Mais auf ebenfalls 60 Äckern habe dagegen ein positives Ergebnis
ergeben: Hier seien mehr Schmetterlinge und Bienen auf dem Gen-Acker als auf
dem konventionell bestellten, gezählt worden. Erklärt wurde dies damit, daß auf dem Gen-Acker mehr Unkräuter und
Unkräutersamen zu finden gewesen seien. Und diese wiederum seien Nahrungsgrundlage für Wirbellose und Vögel
gewesen. "Die Studien unterstreichen die Bedeutung der Unkräuter zwischen den Getreidepflanzen für die natürlichen
Lebensgemeinschaften in und um das Farmland", erklärte der Koordinator der Studien, Les Firbank, vom Zentrum für
Hydrologie und Ökologie in Merlewood.
Untersucht wurden genmanipulierter Ölraps und Mais von Bayer sowie Gen-Zuckerrüben von Monsanto. Alle drei Sorten
wurden durch den Einbau von Bakterien-Genen unempfindlich gegen die Unkrautvertilger Roundup-Ready beziehungsweise
Basta gemacht. Dadurch könnten diese recht aggressiven Herbizide stärker eingesetzt werden. In der Folge würden im
Fall von Raps und Rüben die Unkräuter viel stärker zurückgedrängt als beim konventionellen Vergleichssystem.
Entsprechend leide auch die Fauna.
Im Gegensatz hierzu mache das neue System beim Gen-Mais eine spätere Anwendung des Unkrautvertilgers möglich,
was die Gesamtwertung etwas weniger negativ für die Umwelt ausfallen lasse. Zudem nutzten die Bauern für den gen-freien
Raps ebenfalls einen sehr aggressiven Vertilger, nämlich Atrazin, das in Deutschland bereits verboten ist und auch in der
EU aus dem Verkehr gezogen werden soll.
Greenpeace sieht die Position der Gentech-KritikerInnen durch die Studie weitgehend bestätigt, kritisierte die Studie
jedoch zugleich als zu eng gefaßt: Risiken wie die Auskreuzung der gentechnischen Eigenschaften auf Unkräuter
wurden nicht untersucht. Auch Risiken für die menschliche Gesundheit hätten keine Berücksichtigung gefunden.
Generell fänden diese Gefahren in der Forschung kaum Beachtung. Die Wissenschaft beschäftige sich überwiegend
mit agro-ökonomischen Untersuchungen wie mit der Ertragsleistung.
"Europäische Regierungen dürfen diese Ergebnisse nicht ignorieren. Auch die deutsche Bundesregierung darf sich nicht
aus der Verantwortung stehlen und muß den Anbau von genmanipulierten Pflanzen sofort unterbinden. In Europa haben
wir jetzt noch die Chance, den Geist in der Flasche zu halten", erklärte Ulrike Brendel, Gentechnik-Expertin bei Greenpeace.
Das britische Kabinett wird voraussichtlich in den nächsten Monaten über Erhalt oder Fall des Gen-Moratoriums in GB
entscheiden.
Adriana Ascoli