Göttlicher Beistand in Sachsen-Anhalt?
Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen hatte es geheißen, Sachsen-Anhalt sei
für den Versuchs-Anbau des Gen-Weizens von Syngenta ausgesucht worden, weil dort
mit allenfalls geringem Widerstand zu rechnen sei. Ende März hatten
Greenpeace-AktivistInnen bereits ein von zwei Versuchsfeldern unbrauchbar machen
können, indem sie per Lenkdrachen Bioweizen aussäten. Eines der Felder blieb
jedoch laut Syngenta brauchbar und so wurde Anfang April unter massivem
Polizeischutz der per Genmanipulation auf Insekten giftig wirkende Weizen
ausgesät. Greenpeace geriet wegen der Aktion unter Beschuß und nicht zum ersten
mal wurde damit gedroht, die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.
In der Nacht von Montag auf Dienstag verschwand nun urplötzlich sämtlicher
Gen-Weizen vom übrig gebliebenen Versuchsfeld. Jesus scheint zumindest nicht
verdächtig zu sein, da dieser bekanntlich beliebte, am Sabbat Weizen
auszurupfen. Ob nun göttliche Schöpfung oder Folge der Evolution, vorläufig
zumindest bleibt die Natur vor dem Eingriff von Syngenta und dem Wohlwollen der
Landesregierung Sachsen-Anhalts bewahrt. Vielleicht bleibt das 450 Quadratmeter
große Areal inmitten eines Rapsfelds, das sich im Besitz der
sachsen- anhaltischen Landesanstalt für Landwirtschaft befindet, sogar auf Dauer
verschont. Ein Sprecher von Syngenta kündigte inzwischen den Rückzug seiner
Firma an. Ein Konzern schmollt: Es werde erörtert, ob ein weiteres Engagement in
Deutschland insgesamt noch Sinn mache.
Ungeachtet, ob sie sich etwa Gotteslästerung zu Schulden kommen läßt, sprach
gestern Landwirtschaftsministerin Petra Wernicke (CDU) von einem "feigen Akt".
Sie meinte weiter: "Wer gegen Gentechnologie ist, sollte offen diskutieren und
genveränderte Produkte nicht kaufen oder anwenden." Ob dies allerdings einen
Anbau genmanipulierter Pflanzen verhindern kann, der von mehr als 70 Prozent der
Bevölkerung abgelehnt wird, verriet sie dabei nicht. Und so, als sei nichts
geschehen, wurde im Magdeburger Wirtschaftsministerium gestern der bundesweite
Start des Erprobungsanbaus von Gen-Mais bekannt gegeben - auf 29 Standorten mit
insgesamt 300 Hektar. Die Initiative geht auf Sachsen-Anhalt zurück, wobei sich
die Mehrzahl der Versuchsfelder allerdings in Bayern befindet. Wissenschaftlich
begleitet wird das Projekt von der Hallenser Universität.
Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) wandte sich dagegen, eine Technologie
zu verteufeln, ehe sie ausreichend erprobt sei: "Der jüngste Vorfall hat die
Regierung bestätigt, Versuchsflächen auch künftig geheim zu halten", erklärte
Ministeriumssprecher Rainer Lampe. Aber da hat die Regierung vielleicht die
Rechnung ohne den lieben Gott gemacht.
Adriana Ascoli