1.07.2003

Katharine Hepburn
eine Feministin in Hollywood

Temps perdus! Kaum mehr vorstellbar bei all den jungen Schaufenster-Püppchen, daß eine Frau Karriere in Hollywood machen konnte, die offen aussprach: "Nur wenn eine Frau sich entscheidet, keine Kinder zu haben, kann sie wie ein Mann leben. Genau das habe ich getan." Am Sonntag starb Katharine Hepburn im Alter von 96 Jahren in ihrem Haus im US-Bundesstaat Connecticut.

Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, als Katherine Hepburn zum Star aufstieg, bot nicht nur in Hollywood "ungeahnte Möglichkeiten". Ein des Kommunismus Verdächtigter wie Charly Chaplin war nicht nur Superstar, sondern vermochte zusammen mit zwei Kollegen seine eigenen Filmfabrik, die 'United Artists' aufzubauen, wo die KünstlerInnen unbeeinflußt vom Kommerzdenken der zuvor alles beherrschenden Film-Mogule entscheiden und sich entfalten konnten. Mahatma Gandhi wurde in Europa wie ein Star empfangen und selbst von den britischen Textil-Arbeiterinnen und Arbeitern gefeiert, deren Arbeitsplätze angeblich bedroht waren, weil die indische Unabhängigkeits-Bewegung gegen die Einfuhr britischer Textilien und für den Erhalt und die Unabhängigkeit einer eigenständigen Textilproduktion kämpfte - irgendwie global nicht ganz unbekannt...

Katharine Hepburn selbst war in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung: Vier Oscars als beste Hauptdarstellerin wurden ihr zuerkannt; mit zwölf Nominierungen wurde sie erst jetzt von Meryl Streep als Rekordhalterin abgelöst. Dabei galt die Hepburn stets als unbequem, weil sie sowohl auf künstlerische wie geschäftliche Belange Einfluß zu nehmen suchte. Sie lebte 25 Jahre mit einem verheirateten Mann, Spencer Tracy, zusammen, stand der Ehe insgesamt skeptisch gegenüber und engagierte sich für Frauenrechte.

Am 12. Mai 1907 in Connecticut geboren, zählte sie bis zu ihrem Tod unbestritten zu den großen Hollywood-Stars und trat in mehr als 40 Filmen auf. Ihre Familie war alteingesessen und wohlhabend, die Mutter, die selbst als Frauenrechtlerin galt, hatte ein Kunststudium absolviert, der Vater war Arzt Beide galten als Freidenker, die ihre Söhne und Töchter für damalige Verhältnisse entsprechend unkonventionell erzogen. Hepburns Mutter trat für bessere Arbeitsbedingungen für Frauen ein, für Geburtenkontrolle und gegen die Anti-Abtreibungsgesetze. Bekannte Frauenrechtlerinnen wie Emma Goldman waren häufig bei der Familie zu Gast.

Hepburns Filmkarriere gingen ein Schauspielstudium und mehrere Jahre, in denen sie versuchte, am Broadway Fuß zu fassen, voraus. Unmittelbar nach ihrem Bühnenerfolg als Amazone in 'The Warrior's Husband' (1932) wurde sie von der RKO zu Probeaufnahmen eingeladen. Die junge, selbstbewußte Schauspielerin von der Ostküste machte in Hollywood schnell durch ihren eigenwilligen Lebensstil und ihre unerbittliche Art im Umgang mit Produzenten, Kollegen und der Presse von sich reden. Ihre erste Kinorolle erhielt sie im Film 'A Bill of Divorcement' / 'Eine Scheidung', der außerdem ihre langjährige Verbundenheit mit Regisseur George Cukor begründete.

Für ihre Rolle als ruhmsüchtige Jungschauspielerin in 'Morning Glory' / 'Morgenrot des Ruhms' (Lowell Sherman, 1933), erhielt die gerade 26-jährige Hepburn bereits ihren ersten Oscar. Auf 'Little Women' / 'Kleine Frau' (Cukor, 1934), seinerzeit der erfolgreichste Film des Jahres, folgte jedoch eine Reihe von Rückschlägen. 'Sylvia Scarlett' (Cukor, 1935), eine Gender-Bender-Komödie, in der die Hepburn in Verkleidung als junger Mann ihre Androgynität ausspielte, wurde bei der New Yorker Premiere ausgebuht und von Kritikern verrissen. Auch Howard Hawks' grandiose Screwball-Comedy 'Bringing Up Baby' / 'Leoparden küßt man nicht' (1938), in der eine forsche und zugleich verwöhnte junge Dame einen linkischen Paläontologen (Cary Grant) zur Verzweiflung treibt und die heute als eine ihrer besten Arbeiten gilt, wurde vom Publikum nicht im erhofften Ausmaß angenommen. Sie war als "Kassen-Gift" verschrien. Erst mit dem Erfolg einer weiteren legendären Screwball-Comedy, 'The Philadelphia Story' (1940), konnte sie dieses Negativ-Image durchbrechen. Hepburn, die hier als ebenso kapriziöse wie schlagfertige Millionärstochter brillierte, hatte - wie zuvor bei 'Holiday' - die Filmrechte des gleichnamigen Bühnenstücks erworben und setzte nicht nur Cukor als Regisseur, sondern angeblich auch ihre Ko-Stars Cary Grant und James Stewart beim Studio durch.

Mit ihrem mehr oder weniger heimlichen Lebensgefährten, Spencer Tracy, dehte sie eine ganze Reihe gemeinsamer Filme, die beide zum ungewöhnlichsten Hollywood-Traumpaar aller Zeiten machte, Filme, in denen sie sich ofmals heftige Machtkämpfe vor der Kamera lieferten. In ihrem letzten gemeinsamen Film, 'Guess Who's Coming to Dinner?' / 'Rat mal, wer zum Essen kommt?' (Stanley Kramer, 1967) spielte sie sehr nuanciert eine Mutter, die plötzlich mit einem schwarzen Schwiegersohn konfrontiert wird. Ein Film, der durch pointiert dosierte Untertreibung dem weißen Amerika den Spiegel vorhielt. Kurz darauf starb Spencer Tracy. Mit Auskünften über ihre Beziehung hielt sich Hepburn allerdings immer zurück - erst in ihren 1991 erschienenen Memoiren gab sie Weniges preis.

1987 hatte sie mit 'The Making of "The African Queen" or How I Went to Africa with Bogart, Bacall and Huston and Almost Lost My Mind' / 'Die Entstehung von 'African Queen' und wie ich mit Bogart, Bacall und Huston nach Afrika ging und beinahe den Verstand verlor' ihre unterhaltsamen Erinnerungen an einen weiteren Erfolg veröffentlicht. In diesem Film hatte sie eine hölzerne und schüchterne und zugleich resolute und energische Methodistenschwester gespielt und damit ohne Bruch 1951 den Übergang zu altersentsprechenden Rollen geschafft, den manche Kolleginnen (Marilyn Monroe, Greta Garbo) nicht zuletzt aus einer Befangenheit in Weiblichkeits-Klischees heraus verfehlten und sich mit Selbstmord oder zwanghafter Isolation selbst bestraften.

Ihren letzten Oskar erhielt die Hepburn 1981 für ihre Rolle in 'On Golden Pond' / 'Am goldenen See' "unter" der Regie von Mark Rydell, zusammen mit Henry Fonda in dessen letzter Rolle und seiner Tochter Jane Fonda. Als Letzten drehte sie 1994 den Film mit dem für ihre gesamte Arbeit bezeichnenden Titel 'Love Affair'. Ich vermute, daß sie in ihrem Leben genau das erreichte, was sie wollte und was weit weniger selbstsüchtig ist, als es klingen mag. Denn sie hatte sich zeitlebens an ihr eigenes Motto gehalten: "Wenn man immer tut, was einen interessiert, dann ist wenigstens eine Person zufrieden."

 

Ute Daniels

 

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