30.07.2003

Artikel

Hunger

1,3 Milliarden Menschen müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. Rund 800 Millionen hungern und verhungern nach Angaben der Welternährungsorganisation (FAO). Täglich sterben rund 24.000 Menschen an Hunger - zwei Drittel davon Kinder unter 5 Jahren. Dabei könnte mit ein paar Milliarden und tiefgreifenden strukturellen Veränderungen dem Hunger auf diesem Planeten endgültig ein Ende gemacht werden. Noch werden weltweit genügend Nahrungsmittel erzeugt - rein rechnerisch.

Hunger wird erzeugt. Um die Wirtschaft der Industrienationen aufrecht erhalten zu können, müssen die Rohstoffe weltweit möglichst kostenlos ausgebeutet werden. Dies ist nur möglich, wenn die Rohstoff liefernden Länder und mögliche Konkurrenten (Beispiel: asiatische Tigerstaaten) an einer unabhängigen Entwicklung gehindert werden. Demokratisch gewählte Regierungen werden wirtschaftlich ruiniert, Börsentricks, Schuldenfalle, oder durch gesteuerte und geheimdienstlich unterstützte Militärputschisten und Mördenbanden beseitigt, Diktatoren (Beispiel: Saddam Hussein) installiert und gestützt. Die Folge sind Armut und Hunger - nicht "Freedom and Democracy". Und Hunger provoziert wiederum traditionell ein sprunghaftes Bevölkerungswachstum - ein Teufelskreislauf, der die Abhängigkeit zementiert.

Die einzige Möglichkeit, das weltweite Elend zu beseitigen, besteht in der Beendigung des undemokratischen Kapitalismus. Die überwiegende Mehrheit der Menschen auch in den Industrienationen will kein Wirtschaftssystem, dem täglich 24.000 Menschenleben geopfert werden. Die alten Religionen sprachen zwar vom Zehnten, der den Armen gespendet werden solle, aber immerhin spenden die US-AmerikanerInnen durchschnittlich 1 Prozent ihres Einkommens (soviel zum Thema Anti-Amerikanismus), während die Deutschen nur 0,1 Prozent spenden.

Doch ohne eine grundlegende Veränderung des Weltwirtschaftssystems sind alle Spenden und alle "Entwicklungshilfe" nur Tropfen auf den heißen Stein. Während zwar die schlimmsten Katastrophen verhindert oder zumindest abgemildert werden können - und das ist nicht gering zu achten - vertieft sich die Kluft zwischen Arm und Reich auf diesem Planeten weiterhin und die Probleme werden durch weiteres Wachstum der Weltbevölkerung immer gravierender.

UNO und FAO machen weiter "reformistische" Pläne und rechnen vor, daß wir die Zahl der 800 Millionen, die nicht genügend zu essen haben, bis zum Jahr 2015 halbieren könnten, wenn jährlich 24 Milliarden Dollar aufgebracht würden. Doch all diese Pläne haben sich seit Jahrzehnten nicht umsetzen lassen und gehen im Grunde über Appelle an das Gewissen der Menschen in den Industrieländern nicht hinaus. Auch wenn den Menschen ein schlechtes Gewissen gemacht wird, indem die jährlich nötigen 24 Milliarden Dollar mit den 11 Milliarden Dollar verglichen werden, die allein die VerbracherInnen der EU jährlich für Eiscreme ausgeben, wird sich nichts grundlegend ändern. Wir müssen nicht allein an das Gewissen, sondern auch an den Verstand der Menschen appellieren.

Auch der Vergleich mit den 225 reichsten Menschen der Welt, deren Einkommen sich auf insgesamt 1.015 Milliarden Dollar beläuft, führt nicht weiter, denn diese geben nichts nennenswertes ab - außer bei heuchlerischen Shows vor laufenden Kameras. Und eine Enteignung wird sich nicht durchsetzen lassen. Was aber mit dem Willen einer Mehrheit durchgesetzt werden kann, ist, daß nicht wenige darüber entscheiden, was und wie produziert wird, sondern, daß darüber demokratisch entschieden wird.

Beispiel Brasilien: 10 Millionen Menschen in Brasilien hungern. Bereits 2000 war Brasilien mit 223,8 Milliarden Dollar verschuldet. Der Hunger kann nicht einmal momentan gelindert, geschweige denn durch einen Schritt in die Unabhängigkeit Brasiliens beseitigt werden, solange der IWF (Internationale Währungsfond) bestimmt, daß Schuldentilgung Vorrang vor einem - reformistischen, d.h. die Abhängigkeit nicht beseitigenden - Sozialprogramm hat. Die Stimmanteile der 24 Industrieländer im IWF machen 61 Prozent aus, die der 158 anderen Länder 39 Prozent. Und während die Privatwirtschaft 1998 in "Entwicklungsländern" 148 Milliarden Dollar investierte, verdiente sie daran 272 Milliarden. Dabei sind reelle Preis für Rohstoffe selbstverständlich noch gar nicht berücksichtigt. Die gesamte "Entwicklungshilfe" weltweit beträgt dagegen knapp 54 Milliarden Dollar. Das ist kein Witz, das ist die bittere Realität.

 

Adriana Ascoli

 

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