Nach fast 28 Jahren geht die Ära des zivilen Überschallfluges zu Ende
Der Abschied erfolgte auf Raten. Schon nach dem Absturz einer französischen Concorde am 25.
Juli 2000 spekulierten Experten und Beobachter über ein Ende der zivilen Überschallflüge. Über
Monate standen die verbliebenen Maschinen in den Wartungshallen von Air France und British
Airways. Der 11. September 2001 und die darauf eskalierende Krise in der Luftfahrt ließen die
Passagierzahlen noch einmal deutlich nach unten gehen. Zuletzt wollten pro Flug nur noch
durchschnittlich 20 Passagiere mit der Concorde über den Atlantik. Das Maß war voll für die
beiden einzigen Gesellschaften der Welt, die die Concorde jemals eingesetzt haben. Bereits zum
31. Mai streicht Air France ihre Flüge nach New York. am 31. Oktober wird auch in London die
letzte "Königin der Lüfte" landen, wie die Maschine oft genannt wurde.
Dabei hatte sich die Concorde schon lange überlebt und bereits kurz nachdem die Air France ihre
Überschallflüge aufnahm, stellte die sowjetische Aeroflot ihre wegen notorischer Unrentabilität
wieder ein. Ein sinnvolles Reisemittel war das Flugzeug dann auch nie. Eher ein Prestigeobjekt,
vor allem jedoch ein stählernes Denkmal der frühen 60er Jahre.
Diese waren die Zeit, in der die Technikgläubigkeit ihre Unschuld noch nicht verloren hatte.
Raumflüge waren der Traum der Menschheit, Städte unter Wasser und natürlich Flugzeuge. Die
Luftfahrt galt als Zeichen für den Triumph des Menschen über die Natur, seine drastischen
ökologischen Folgen wurden ignoriert. 1962 gaben Frankreich und Großbritannien gemeinsam
den Bau eines Flugzeuges bekannt, das mit Mach 2,2, also dem 2,2fachen der
Schallgeschwindigkeit, fliegen sollte. Bereits in den 50er Jahren hatten die Briten an der
Entwicklung von Deltaflügeln gearbeitet, die die Grundlage der neuen Maschine wurden. Wenig
später gab die sowjetische Firma Tupulew ein ebensolches Projekt bekannt. Im Windschatten
des Kalten Krieges wurde die Entwicklung nun zu einem Politikum und der Erste der flog, war
der Sieger. Kritiker haben immer behauptet, daß beiden Maschinen ausgereifter gewesen wären,
hätten ihre Konstrukteure mehr Zeit gehabt. Aber so war es, in dieser Zeit. Schließlich hatten die
Sowjets die Nase vorn. Am 31. Dezember 1968 hob die TU-144 von Boden ab, am 3. März 1969
die erste Concorde.
Bereits mit der Ölkrise von 1973 war klar, daß die Concorde kaum kostendeckend eingesetzt
werden würde. In die Diskussion geriet der Überschallverkehr zudem, als am 3. Juni 1973 eine
TU-144 auf dem Pariser Aerosalon verunglückte. Man glaubt heute, daß die Piloten durch ein
ungenehmigt in ihre Bahn geratenes französisches Militärflugzeug zu einem riskanten
Ausweichmanöver gezwungen waren.
Dennoch brach die Concorde Mitte der 70er Jahre zu einem Werbeflug rund um die Welt auf. Die
Bilder des Flugzeuges über dem Zuckerhut von Rio verzauberten die Welt, doch nicht die
Finanzplaner der Fluggesellschaften. Potentielle Abnehmer wie die westdeutsche Lufthansa, die
niederländische KLM oder die US-Gesellschaften winkten ab. Zu teuer. Die Concorde kostete
mehr als das doppelte eines Jumbo-Jets. "Sagt mir, wie viele Concorde ich kaufen soll, und ich
sage euch, wann die Lufthansa Pleite ist," wird der damalige Chef des Unternehmens, Herbert
Culman, zitiert. Am 21. Januar nahmen Air France und British Airwas schließlich den
Liniendienst auf, am 1. November folgte Aeroflot, die die Strecke Moskau - Alma-Ata bediente.
Letzteres Vergnügen war jedoch von kurzer Dauer. Aus Kostengründen wurde der sowjetische
Liniendienst schon ein halbes Jahr später wieder eingestellt. Briten und Franzosen flogen weiter
nach New York, Barbados und zeitweise Washington D.C. Strecken, auf denen sich die Concorde
schnell den Schimpfnamen einer Bonzenschleuder einhandelte. Die Flugkarten lagen rund 20
Prozent über der 1. Klasse eines normalen Fluges. Das führte dazu, daß 80 Prozent der Fluggäste
regelmäßige Nutzer waren. Fast 50 Prozent der Passagiere flogen die Strecke drei Mal pro Jahr.
Nicht so bei der Maschine, die 2000 verunglückte - es war eine Charterflug zu einer Kreuzfahrt.
Sicherheitsbedenken waren jedoch nicht die einzigen Kritikpunkte an der Concorde. Sie konnten
lediglich 100 Passagiere transportieren, die Reichweite von 6000 Kilometer war eher gering.
Zudem bewegen sich alle Überschallflugzeuge in Höhen von rund 19.000 Metern, wodurch die
Schädigung der Atmosphäre noch massiver ist, als bei normalen Verkehrsmaschinen.
Dennoch wollten Air France und British Airways die Maschinen eigentlich bis 2007 fliegen
lassen. Nun hat man sich anders entschieden. Die Ära der zivilen Überschall-Luftfahrt scheint
damit zu Ende. Ein Nachfolgemodell für die Concorde ist nicht geplant.
Martin Müller-Mertens