11.04.2003

Artikel

Die Königin
hebt nicht mehr ab

Nach fast 28 Jahren geht die Ära des zivilen Überschallfluges zu Ende

Der Abschied erfolgte auf Raten. Schon nach dem Absturz einer französischen Concorde am 25. Juli 2000 spekulierten Experten und Beobachter über ein Ende der zivilen Überschallflüge. Über Monate standen die verbliebenen Maschinen in den Wartungshallen von Air France und British Airways. Der 11. September 2001 und die darauf eskalierende Krise in der Luftfahrt ließen die Passagierzahlen noch einmal deutlich nach unten gehen. Zuletzt wollten pro Flug nur noch durchschnittlich 20 Passagiere mit der Concorde über den Atlantik. Das Maß war voll für die beiden einzigen Gesellschaften der Welt, die die Concorde jemals eingesetzt haben. Bereits zum 31. Mai streicht Air France ihre Flüge nach New York. am 31. Oktober wird auch in London die letzte "Königin der Lüfte" landen, wie die Maschine oft genannt wurde.

Dabei hatte sich die Concorde schon lange überlebt und bereits kurz nachdem die Air France ihre Überschallflüge aufnahm, stellte die sowjetische Aeroflot ihre wegen notorischer Unrentabilität wieder ein. Ein sinnvolles Reisemittel war das Flugzeug dann auch nie. Eher ein Prestigeobjekt, vor allem jedoch ein stählernes Denkmal der frühen 60er Jahre.

Diese waren die Zeit, in der die Technikgläubigkeit ihre Unschuld noch nicht verloren hatte. Raumflüge waren der Traum der Menschheit, Städte unter Wasser und natürlich Flugzeuge. Die Luftfahrt galt als Zeichen für den Triumph des Menschen über die Natur, seine drastischen ökologischen Folgen wurden ignoriert. 1962 gaben Frankreich und Großbritannien gemeinsam den Bau eines Flugzeuges bekannt, das mit Mach 2,2, also dem 2,2fachen der Schallgeschwindigkeit, fliegen sollte. Bereits in den 50er Jahren hatten die Briten an der Entwicklung von Deltaflügeln gearbeitet, die die Grundlage der neuen Maschine wurden. Wenig später gab die sowjetische Firma Tupulew ein ebensolches Projekt bekannt. Im Windschatten des Kalten Krieges wurde die Entwicklung nun zu einem Politikum und der Erste der flog, war der Sieger. Kritiker haben immer behauptet, daß beiden Maschinen ausgereifter gewesen wären, hätten ihre Konstrukteure mehr Zeit gehabt. Aber so war es, in dieser Zeit. Schließlich hatten die Sowjets die Nase vorn. Am 31. Dezember 1968 hob die TU-144 von Boden ab, am 3. März 1969 die erste Concorde.

Bereits mit der Ölkrise von 1973 war klar, daß die Concorde kaum kostendeckend eingesetzt werden würde. In die Diskussion geriet der Überschallverkehr zudem, als am 3. Juni 1973 eine TU-144 auf dem Pariser Aerosalon verunglückte. Man glaubt heute, daß die Piloten durch ein ungenehmigt in ihre Bahn geratenes französisches Militärflugzeug zu einem riskanten Ausweichmanöver gezwungen waren.

Dennoch brach die Concorde Mitte der 70er Jahre zu einem Werbeflug rund um die Welt auf. Die Bilder des Flugzeuges über dem Zuckerhut von Rio verzauberten die Welt, doch nicht die Finanzplaner der Fluggesellschaften. Potentielle Abnehmer wie die westdeutsche Lufthansa, die niederländische KLM oder die US-Gesellschaften winkten ab. Zu teuer. Die Concorde kostete mehr als das doppelte eines Jumbo-Jets. "Sagt mir, wie viele Concorde ich kaufen soll, und ich sage euch, wann die Lufthansa Pleite ist," wird der damalige Chef des Unternehmens, Herbert Culman, zitiert. Am 21. Januar nahmen Air France und British Airwas schließlich den Liniendienst auf, am 1. November folgte Aeroflot, die die Strecke Moskau - Alma-Ata bediente. Letzteres Vergnügen war jedoch von kurzer Dauer. Aus Kostengründen wurde der sowjetische Liniendienst schon ein halbes Jahr später wieder eingestellt. Briten und Franzosen flogen weiter nach New York, Barbados und zeitweise Washington D.C. Strecken, auf denen sich die Concorde schnell den Schimpfnamen einer Bonzenschleuder einhandelte. Die Flugkarten lagen rund 20 Prozent über der 1. Klasse eines normalen Fluges. Das führte dazu, daß 80 Prozent der Fluggäste regelmäßige Nutzer waren. Fast 50 Prozent der Passagiere flogen die Strecke drei Mal pro Jahr. Nicht so bei der Maschine, die 2000 verunglückte - es war eine Charterflug zu einer Kreuzfahrt.

Sicherheitsbedenken waren jedoch nicht die einzigen Kritikpunkte an der Concorde. Sie konnten lediglich 100 Passagiere transportieren, die Reichweite von 6000 Kilometer war eher gering. Zudem bewegen sich alle Überschallflugzeuge in Höhen von rund 19.000 Metern, wodurch die Schädigung der Atmosphäre noch massiver ist, als bei normalen Verkehrsmaschinen.

Dennoch wollten Air France und British Airways die Maschinen eigentlich bis 2007 fliegen lassen. Nun hat man sich anders entschieden. Die Ära der zivilen Überschall-Luftfahrt scheint damit zu Ende. Ein Nachfolgemodell für die Concorde ist nicht geplant.

 

Martin Müller-Mertens

 

 

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