Am gestrigen Donnerstag nun wurde der lange, aber von niemandem mehr mit Spannung erwartete Abschlußbericht der
'Iraq Survey Group" vorgelegt. Diese rund 1.200 US-amerikanischen Geheimdienstleute, Militärs und Wissenschaftler
hatten nach der Absetzung der UN-Waffeninspekteure unter Hans Blix jedes einzelne Sandkörnchen im Irak zweimal
umgedreht und deren Chef David Kay hatte noch zu Beginn dieser "Aktion Wüstenstaub" getönt, die Öffentlichkeit
solle sich auf "Überraschungen" gefaßt machen. Sie stehen nun zum Ärger von George W. Bush und Tony Blair
mit leeren Händen da, legen aber einen immerhin 200 Seiten starken Abschlußbericht vor.
Manche Kommentatoren wagen leicht ironische Anspielungen, denn David Kay hängte in der Manier seines
Präsidenten ein "Aber" an das Eingeständnis an: Man habe zwar nichts gefunden, "aber die Absicht,
Massenvernichtungswaffen zu produzieren". Zwingend erscheint nun eher eine Neuinterpretation des Terminus
"präemptive Kriegführung". Er bezeichnet das neu erworbene Recht der USA, einen anderen Staat zu vernichten,
sobald sie bei diesem auch nur eine feindliche Absicht wahrnehmen.
Überdies wurde auch dieser vielsagend inhaltsleere Abschlußbericht mit Behauptungen "sexier" gemacht, Saddam Husseins
Regime habe - "zuletzt im Oktober 2000" - auf hoher Ebene Gespräche mit Nord-Korea geführt, um an die Technologie
für Langstreckenraketen zu gelangen. Und um dem noch die britische Krone aufzusetzen ergänzte UK-Außenminister
Jack Straw, der Bericht der 'Iraq Survey Group' habe "weitere schlüssige und unbestreitbare Beweise hervorgebracht", daß
Husseins Regime die UN-Resolutionen, die eine Entwaffnung des Irak einforderten, umgangen habe.
Bemerkenswert ist an diesem nichtssagenden 200 Seiten starken Bericht, in dem ganze 13 Seiten als geheim klassifiziert
wurden, allenfalls eines: Die Behauptung, der Irak könne Waffen innerhalb von 45 Minuten einsatzbereit machen, wird
darin weder bestätigt noch verneint. Und zwischenzeitlich reagierte die US-amerikanische Regierung auf einen Bericht
der 'New York Times', in dem es hieß, sie habe aus dem 87 Millionen Dollar umfassenden Budget, das vom Kongress für
Afghanistan und Irak bewilligt worden war, immerhin 600.000 Dollar allein zu dem Zweck eingesetzt, um im Irak
Massenvernichtungswaffen zu finden: Das Weiße Haus verweigerte eine Bestätigung.
Spannend dürfte dennoch weiterhin sein, ob sich der innenpolitische Druck auf Bush und Blair entgegen dem in den
Massenmedien verbreiteten Wiederanstieg ihrer Popularität nicht noch verstärkt. Der Erfolg Blairs auf dem gerade
abgeschlossenen Parteitag in Bournemouth war nicht eben verwunderlich, da fast das gesamte Personal der Partei
seit der Machtübernahme von Tony Blair gewechselt hat. Sämtliche Funktionäre von 'New Labour', die erst unter Blair
aufgestiegen sind, hängen auf Gedeih und Verderb von seiner Politik ab. Und dem Beispiel eines Michael Meacher
zu folgen, erscheint auch machen Altgedienten noch als zu riskant. Doch hinter den Kulissen brechen die Widersprüche
sowohl innerhalb der britischen Labour Party als auch innerhalb der US-amerikanischen Republikaner immer deutlicher auf.
Klaus Schramm