Der bekannte Journalist und Publizist Andreas Zumach1 kritisiert in der heutigen 'taz' die aktuelle UN-Resolution zum Irak. Die nach der vierten Variation von Frankreich, Rußland und Deutschland nun doch akzeptierte Resolution, stelle zugleich einen diplomatischen Sieg der US-Regierung und eine Niederlage für die UNO sowie den Irak dar.
Andreas Zumach, der bisher immer ein glühender Verfechter der Theorie war, die UNO könne eine Rolle als Welt- Friedensmacht spielen, konstatiert nunmehr bitter: "George Bush kann sich bei Gerhard Schröder, Jacques Chirac und Wladimir Putin bedanken". Mit ihrer Zustimmung zur neuen Irakresolution haben die Regierungen von Frankreich, Rußland und Deutschland den völkerrechtswidrigen Irakkrieg nun nachträglich sanktioniert. Beim G-8-Gipfel in Georgia kann sich Bush jetzt als Gastgeber einer versöhnten Staaten- gemeinschaft präsentierten".
Andreas Zumach analysiert, daß die in der Abfolge von Variante 1 bis Variante 4 erreichten "Detailverbesserungen", die von den drei - dem Schein nach widerstrebenden - Mächten in den letzten zwei Wochen erreicht wurden, wenig Bedeutung hätten. Die US-Regierung kann sich nun Ende Juni wie geplant, und ohne daß dies noch auf internationaler Ebene in Zweifel gezogen würde, als Friedensmacht präsentieren, die einer nominell souveränen irakischen Übergangsregierung "die Macht" übergibt. Zugleich ist heute schon zweifelsfrei klar, daß die Besatzungstruppen - nunmehr mit ausdrücklichem UN-Mandat - im Irak verbleiben. Es sei daran erinnert, was das US-Außenministerium bereits vor drei Jahren klipp und klar zu Protokoll gab: "Die UNO kann nur das tun, was die USA sie tun lassen!"
Darüber hinaus meldet Zumach Zweifel an, ob durch diese UN-Resolution zu Frieden oder wenigstens zu einer Verbesserung der Lage der leidenden Bevölkerung beigetragen wird. Das Los der seit mehr als 25 Jahren unter (der von der US-Regierung einmal protegierten) Diktatur, mehreren Kriegen, UNO-Sanktionen, Besatzung und Terror-Anschlägen leidenden Bevölkerung werde sich nicht bessern, fürchtet Andreas Zumach. Dreh- und Angelpunkt ist die Einschätzung der neuen irakischen "Übergangs- regierung", die von der irakischen Bevölkerung weit überwiegend als Marionetten-Regime angesehen wird. Auch in Hinblick auf die Akzeptanz der Besatzungstruppen sei Skepsis angesagt, da nicht zu erwarten sei, daß "der weit verbreitete Unmut in der irakischen Bevölkerung über diese Besatzungstruppen und die teilweise gewaltsamen Formen der Ablehnung nachlassen oder gar ganz aufhören [wird] - nur weil diese Truppen künftig unter dem neuen Namen >>multinationale Streitmacht<< auftreten".
Zudem werde diese UN-Resolution es der US-amerikanischen Regierung erlauben, die Verantwortung auf die angeblich souveräne irakische Regierung und auf die UNO abzuschieben, wenn keine Verbesserung der Lage im Irak eintritt. In seiner Analyse weist Zumach darauf hin, daß die von den drei Regierungen erhobene Forderung nach einem Vetorecht der künftigen Interimsregierung in Bagdad zumindest gegen "sensible militärische Einsätze" der "multinationalen Truppe" ebenfalls nicht in den jetzt vorliegenden Resolutions-Text aufgenommen wurde. Ebenso wenig konnten Paris, Moskau und Berlin ihr Verlangen durchsetzen, alle sicherheitsrelevanten Fragen des künftigen Verhältnisses und der Kompetenzverteilung zwischen der "multinationalen Streitmacht" und der Interimsregierung sowie der nationalen irakischen Armee und den Polizeikräfte detailliert im Text der Resolution zu regeln. Die US-Regierung behält sich - auch gegenüber der als gleichberechtigt firmierenden britischen Regierung - weiterhin vor, dies "bilateral" mit der irakischen Vasallen-Regierung zu regeln.
Als rein kosmetische Veränderungen sind folgende Dreingaben zu werten:
1. Im Resolutions-Text wird Bezug genommen auf einen im Annex beigefügten Briefwechsel zwischen US-Außenminister Colin Powell und dem "irakischen Ministerpräsidenten" Ijad Allawi vom 5. Juni. Darin heißt es, "daß die irakischen Sicherheitskräfte den entsprechenden irakischen Ministerien unterstehen" und daß die rund 150.000 Besatzungssoldaten der "multinationalen Truppe" (MNF) unter US-Kommando "mit allen irakischen Sicherheitskräften im Geiste der Partnerschaft und auch bei sensiblen militärischen Operationen zusammenarbeiten wird, um ein gemeinsames Kommando für solche Militäroperationen zu erreichen, an welchen irakische Sicherheitskräfte beteiligt sind".
2. In diesem Briefwechsel wird zudem die Einrichtung "gemeinsamer Militärkommissionen" vereinbart, die die praktische Zusammenarbeit organisieren und im Konfliktfall "Einigkeit herbeiführen" soll.
3. Das UN-Mandat der MNF erlischt spätestens im Januar 2006 - nach der Verabschiedung einer Verfassung und der Etablierung einer Regierung auf Basis "allgemeiner, freier" Wahlen, die "bis spätestens 31. Dezember 2005" stattfinden sollen.
Spätestens in zwölf Monaten muß der UN-Sicherheitsrat das mit seiner Resolution erteilte Mandat der MNF "überprüfen". Theoretisch kann die ab dem 30. Juni eingesetzte "Übergangsregierung" jedoch bereits zuvor den Abzug der MNF fordern, was aber mit Blick auf deren von Seiten der USA handverlesene Mitglieder kaum als wahrscheinlich angenommen werden darf. Es gibt keine Gründe, die eine andere Entwicklung als im Falle des 2001 eroberten Afghanistan, erwarten ließen. Im Gegenteil: Afghanistan ist lediglich Transitland für Öl- und Gas-Pipelines, während der Irak über die weltweit zweitgrößten Erdöl-Lagerstätten verfügt. Zwei Drittel der weltweiten Vorräte lagern in nur fünf Ländern: Iran, Irak, Kuwait, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, was der frühere US-Außenminister Kissinger einmal unverhohlen äußerte: "Das Öl ist zu wichtig, um es den Arabern zu lassen".
Und der springende Punkt: Nirgendwo ist auch nur die Frage erwähnt, ob die irakische "Übergangsregierung" das Recht bekommt, die "eigenen" Öleinnahmen zu verwalten.
Ute Daniels
Anmerkung:
1 Siehe auch unseren Artikel
Kant-Weltbürger-Preis in Freiburg verliehen (10.05.04)